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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 2. Hauptst. von der grösten
vorstellet/ die sehr verwundet seyn und dieselben
ein wenig mit Philosophischen Augen beleuchtet/
auch aus ihren Schreyen und anderen Unge-
behrden nicht so fort auff ihre Empfindligkeit
schliesset.

60.

So bestehet auch das Vergnügen/ das
der Mensch über alle Güter empfindet/ mehr
in den Gedancken als in der Geniessung sel-
ber/
wenn nehmlich der Mensch ein ohnlängst
genossenes Gut sich als noch oder allbereit ge-
genwärtig vorstellet/ wie wiederum ein jeder bey
sich selbst abnehmen und dieses paradoxon durch
1000 Exempel bekräfftigen kan.

61.

Dieweil aber ein jedweder bey sich selb-
sten befindet/ daß er offters in seinen Gedancken
über Dinge sich belustiget/ die eitel/ vergebens/
oder auch wohl schädlich gewesen; so wird er
dannenhero gar leichte muthmassen können/ daß
die Gedancken des Menschen sein Unglück
so wohl als sein Glücke machen können:
und
muß dannenhero desto genauer besehen/ in wel-
chen Gedancken denn diejenige Glückseeligkeit
bestehe/ daran der Verstand wohl dencken und
der Wille eyffrig darnach trachten solle.

62.

Hierzu wird er aber gar leichte gelan-
gen können/ wenn er aus dem ersten Capitel
wiederholet daß das Wohlseyn aller Dinge
in einer ruhigen und nach Gelegenheit des
Wesens der Dinge mäßig veränderlichen
Bewegung
bestehe/ Woraus denn so fort fol-

get

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
vorſtellet/ die ſehr verwundet ſeyn und dieſelben
ein wenig mit Philoſophiſchen Augen beleuchtet/
auch aus ihren Schreyen und anderen Unge-
behrden nicht ſo fort auff ihre Empfindligkeit
ſchlieſſet.

60.

So beſtehet auch das Vergnuͤgen/ das
der Menſch uͤber alle Guͤter empfindet/ mehr
in den Gedancken als in der Genieſſung ſel-
ber/
wenn nehmlich der Menſch ein ohnlaͤngſt
genoſſenes Gut ſich als noch oder allbereit ge-
genwaͤrtig vorſtellet/ wie wiederum ein jeder bey
ſich ſelbſt abnehmen und dieſes paradoxon durch
1000 Exempel bekraͤfftigen kan.

61.

Dieweil aber ein jedweder bey ſich ſelb-
ſten befindet/ daß er offters in ſeinen Gedancken
uͤber Dinge ſich beluſtiget/ die eitel/ vergebens/
oder auch wohl ſchaͤdlich geweſen; ſo wird er
dannenhero gar leichte muthmaſſen koͤnnen/ daß
die Gedancken des Menſchen ſein Ungluͤck
ſo wohl als ſein Gluͤcke machen koͤnnen:
und
muß dannenhero deſto genauer beſehen/ in wel-
chen Gedancken denn diejenige Gluͤckſeeligkeit
beſtehe/ daran der Verſtand wohl dencken und
der Wille eyffrig darnach trachten ſolle.

62.

Hierzu wird er aber gar leichte gelan-
gen koͤnnen/ wenn er aus dem erſten Capitel
wiederholet daß das Wohlſeyn aller Dinge
in einer ruhigen und nach Gelegenheit des
Weſens der Dinge maͤßig veraͤnderlichen
Bewegung
beſtehe/ Woraus denn ſo fort fol-

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[84/0116] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten vorſtellet/ die ſehr verwundet ſeyn und dieſelben ein wenig mit Philoſophiſchen Augen beleuchtet/ auch aus ihren Schreyen und anderen Unge- behrden nicht ſo fort auff ihre Empfindligkeit ſchlieſſet. 60. So beſtehet auch das Vergnuͤgen/ das der Menſch uͤber alle Guͤter empfindet/ mehr in den Gedancken als in der Genieſſung ſel- ber/ wenn nehmlich der Menſch ein ohnlaͤngſt genoſſenes Gut ſich als noch oder allbereit ge- genwaͤrtig vorſtellet/ wie wiederum ein jeder bey ſich ſelbſt abnehmen und dieſes paradoxon durch 1000 Exempel bekraͤfftigen kan. 61. Dieweil aber ein jedweder bey ſich ſelb- ſten befindet/ daß er offters in ſeinen Gedancken uͤber Dinge ſich beluſtiget/ die eitel/ vergebens/ oder auch wohl ſchaͤdlich geweſen; ſo wird er dannenhero gar leichte muthmaſſen koͤnnen/ daß die Gedancken des Menſchen ſein Ungluͤck ſo wohl als ſein Gluͤcke machen koͤnnen: und muß dannenhero deſto genauer beſehen/ in wel- chen Gedancken denn diejenige Gluͤckſeeligkeit beſtehe/ daran der Verſtand wohl dencken und der Wille eyffrig darnach trachten ſolle. 62. Hierzu wird er aber gar leichte gelan- gen koͤnnen/ wenn er aus dem erſten Capitel wiederholet daß das Wohlſeyn aller Dinge in einer ruhigen und nach Gelegenheit des Weſens der Dinge maͤßig veraͤnderlichen Bewegung beſtehe/ Woraus denn ſo fort fol- get

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/116>, abgerufen am 04.03.2025.