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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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der vern. Kunst/ die Affecten zu dämpffen.

11. Dannenhero würde ein Mensch/ der
nach der Vernunfft seine herrschende Begierde
dämpffen wolte/ nicht weiter kommen können/
als daß er dann und wann etwan die Gele-
genheit/ die herrschende Begierde auszu-
üben/ meidete/ und zuweilen eine Gelegenheit
etliche Thaten/ die der
selben entgegen gese-
tzet werden/ auszuüben suchte.
Aber zu geschwei-
gen/ daß auch dieses ihn offte trügen würde/ indem
wir oben (x) gelehret/ daß ein Mensch sich selbst
die Gelegenheit nach seinem Gefallen nicht ver-
schaffen könne/ sondern daß wir öffters in Gele-
genheiten fallen/ die wir nicht suchen/ und die-
jenigen/ so wir suchen/ nicht finden/ so würde
doch alles aufs höchste dahinaus lauffen/ daß ein
Mensch seinen herrschenden bösen Affect und
desselben Thun und Lassen/ durch Anfeurung
des andern oder dritten lasterhafften
Af-
fects,
ein wenig milderte/ und z. e. den Neid
seines Geld-Geitzes durch die Weichhertzig-
keit
seiner Wohllust/ oder die unvernünfftige
Unverschamheit des Geld-Geitzes/ durch die
spitzfündige Erbarkeit des Ehr-Geitzes/ oder
die Grausamkeit des Ehr-Geitzes/ durch die
Furcht der Wohllust/ oder die Unverscham-
heit
der Wohllust/ durch die Ehrgeitzige Furcht
der
Schande/ oder endlich die Thaten beyde
der Wohllust und des Ehr-Geitzes durch die miß-

traui-
(x) c. 12. n. 24. seq.
der vern. Kunſt/ die Affecten zu daͤmpffen.

11. Dannenhero wuͤrde ein Menſch/ der
nach der Vernunfft ſeine herrſchende Begierde
daͤmpffen wolte/ nicht weiter kommen koͤnnen/
als daß er dann und wann etwan die Gele-
genheit/ die herrſchende Begierde auszu-
uͤben/ meidete/ und zuweilen eine Gelegenheit
etliche Thaten/ die der
ſelben entgegen geſe-
tzet weꝛden/ auszuuͤbẽ ſuchte.
Aber zu geſchwei-
gen/ daß auch dieſes ihn offte truͤgen wuͤrde/ indem
wir oben (x) gelehret/ daß ein Menſch ſich ſelbſt
die Gelegenheit nach ſeinem Gefallen nicht ver-
ſchaffen koͤnne/ ſondern daß wir oͤffters in Gele-
genheiten fallen/ die wir nicht ſuchen/ und die-
jenigen/ ſo wir ſuchen/ nicht finden/ ſo wuͤrde
doch alles aufs hoͤchſte dahinaus lauffen/ daß ein
Menſch ſeinen herrſchenden boͤſen Affect und
deſſelben Thun und Laſſen/ durch Anfeurung
des andern oder dritten laſterhafften
Af-
fects,
ein wenig milderte/ und z. e. den Neid
ſeines Geld-Geitzes durch die Weichhertzig-
keit
ſeiner Wohlluſt/ oder die unvernuͤnfftige
Unverſchamheit des Geld-Geitzes/ durch die
ſpitzfuͤndige Erbarkeit des Ehr-Geitzes/ oder
die Grauſamkeit des Ehr-Geitzes/ durch die
Furcht der Wohlluſt/ oder die Unverſcham-
heit
der Wohlluſt/ durch die Ehrgeitzige Furcht
der
Schande/ oder endlich die Thaten beyde
der Wohlluſt und des Ehr-Geitzes durch die miß-

traui-
(x) c. 12. n. 24. ſeq.
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[507/0519] der vern. Kunſt/ die Affecten zu daͤmpffen. 11. Dannenhero wuͤrde ein Menſch/ der nach der Vernunfft ſeine herrſchende Begierde daͤmpffen wolte/ nicht weiter kommen koͤnnen/ als daß er dann und wann etwan die Gele- genheit/ die herrſchende Begierde auszu- uͤben/ meidete/ und zuweilen eine Gelegenheit etliche Thaten/ die derſelben entgegen geſe- tzet weꝛden/ auszuuͤbẽ ſuchte. Aber zu geſchwei- gen/ daß auch dieſes ihn offte truͤgen wuͤrde/ indem wir oben (x) gelehret/ daß ein Menſch ſich ſelbſt die Gelegenheit nach ſeinem Gefallen nicht ver- ſchaffen koͤnne/ ſondern daß wir oͤffters in Gele- genheiten fallen/ die wir nicht ſuchen/ und die- jenigen/ ſo wir ſuchen/ nicht finden/ ſo wuͤrde doch alles aufs hoͤchſte dahinaus lauffen/ daß ein Menſch ſeinen herrſchenden boͤſen Affect und deſſelben Thun und Laſſen/ durch Anfeurung des andern oder dritten laſterhafften Af- fects, ein wenig milderte/ und z. e. den Neid ſeines Geld-Geitzes durch die Weichhertzig- keit ſeiner Wohlluſt/ oder die unvernuͤnfftige Unverſchamheit des Geld-Geitzes/ durch die ſpitzfuͤndige Erbarkeit des Ehr-Geitzes/ oder die Grauſamkeit des Ehr-Geitzes/ durch die Furcht der Wohlluſt/ oder die Unverſcham- heit der Wohlluſt/ durch die Ehrgeitzige Furcht der Schande/ oder endlich die Thaten beyde der Wohlluſt und des Ehr-Geitzes durch die miß- traui- (x) c. 12. n. 24. ſeq.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/519>, abgerufen am 26.04.2024.