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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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und denen daher rührenden Untugenden.

31. Ein Tugendhaffter theilet seinen
Freunden sein Geld und Gut gerne mit: Ein
Wollüstiger wendet selbiges auff seine Sauff-
Brüder und Huren: Ein Ehrgeitziger will
damit seine Hochachtung bey andern Men-
schen erkauffen. Ein Geitziger ist filtzig und
knickericht/
und wird durch diese unbarm-
hertzige Filtzigkeit angetrieben/ mit seinem
Geld oder Gut keinem Menschen/ er sey so
elend und dürfftig als er wolle/ umsonst
und ohne entgeld zu Hülffe zu kommen.

Einem Tugendhafften bricht das Hertze/ wenn
er auch einen fremden Menschen in Elend und
Dürfftigkeit siehet: Ein Wollüstiger wird
zwar nicht gerne ohne Unterscheid Allmosen
geben/ aber er giebt sie doch jungen und nicht
heßlichen Weibs-Persohnen/ verwundeten/
abgebrenneten Leuten u. s. w. nicht unger-
ne/ weil diese seine wohllüstige Weichher-
tzigkeit rühren/ oder giebet sie doch auch end-
lich andern/ damit er ihr Gepinsele und Kla-
gen nicht mehr hören darff. Ein Ehrgeitzi-
ger wird zwar durch anderer Elend nicht
leicht zum Mitleiden bewegt werden: Aber er
ist doch nicht unbarmhertzig und giebt All-
mosen/ gelobet oder nicht geschmähet zu
werden. Aber ein Geldgeitziger findet keine
Bewegung
in seinem Hertzen über das gröste Un-

glück
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und denen daher ruͤhrenden Untugenden.

31. Ein Tugendhaffter theilet ſeinen
Freunden ſein Geld und Gut gerne mit: Ein
Wolluͤſtiger wendet ſelbiges auff ſeine Sauff-
Bruͤder und Huren: Ein Ehrgeitziger will
damit ſeine Hochachtung bey andern Men-
ſchen erkauffen. Ein Geitziger iſt filtzig und
knickericht/
und wird durch dieſe unbarm-
hertzige Filtzigkeit angetrieben/ mit ſeinem
Geld oder Gut keinem Menſchen/ er ſey ſo
elend und duͤrfftig als er wolle/ umſonſt
und ohne entgeld zu Huͤlffe zu kommen.

Einem Tugendhafften bricht das Hertze/ wenn
er auch einen fremden Menſchen in Elend und
Duͤrfftigkeit ſiehet: Ein Wolluͤſtiger wird
zwar nicht gerne ohne Unterſcheid Allmoſen
geben/ aber er giebt ſie doch jungen und nicht
heßlichen Weibs-Perſohnen/ verwundeten/
abgebrenneten Leuten u. ſ. w. nicht unger-
ne/ weil dieſe ſeine wohlluͤſtige Weichher-
tzigkeit ruͤhren/ oder giebet ſie doch auch end-
lich andern/ damit er ihr Gepinſele und Kla-
gen nicht mehr hoͤren darff. Ein Ehrgeitzi-
ger wird zwar durch anderer Elend nicht
leicht zum Mitleiden bewegt werden: Aber er
iſt doch nicht unbarmhertzig und giebt All-
moſen/ gelobet oder nicht geſchmaͤhet zu
werden. Aber ein Geldgeitziger findet keine
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[291/0303] und denen daher ruͤhrenden Untugenden. 31. Ein Tugendhaffter theilet ſeinen Freunden ſein Geld und Gut gerne mit: Ein Wolluͤſtiger wendet ſelbiges auff ſeine Sauff- Bruͤder und Huren: Ein Ehrgeitziger will damit ſeine Hochachtung bey andern Men- ſchen erkauffen. Ein Geitziger iſt filtzig und knickericht/ und wird durch dieſe unbarm- hertzige Filtzigkeit angetrieben/ mit ſeinem Geld oder Gut keinem Menſchen/ er ſey ſo elend und duͤrfftig als er wolle/ umſonſt und ohne entgeld zu Huͤlffe zu kommen. Einem Tugendhafften bricht das Hertze/ wenn er auch einen fremden Menſchen in Elend und Duͤrfftigkeit ſiehet: Ein Wolluͤſtiger wird zwar nicht gerne ohne Unterſcheid Allmoſen geben/ aber er giebt ſie doch jungen und nicht heßlichen Weibs-Perſohnen/ verwundeten/ abgebrenneten Leuten u. ſ. w. nicht unger- ne/ weil dieſe ſeine wohlluͤſtige Weichher- tzigkeit ruͤhren/ oder giebet ſie doch auch end- lich andern/ damit er ihr Gepinſele und Kla- gen nicht mehr hoͤren darff. Ein Ehrgeitzi- ger wird zwar durch anderer Elend nicht leicht zum Mitleiden bewegt werden: Aber er iſt doch nicht unbarmhertzig und giebt All- moſen/ gelobet oder nicht geſchmaͤhet zu werden. Aber ein Geldgeitziger findet keine Bewegung in ſeinem Hertzen uͤbeꝛ das gꝛoͤſte Un- gluͤck T 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/303>, abgerufen am 26.04.2024.