Ich vermuthe aber, daß das bloß die Folge der verschiedenen Kultur sey, und halte eine allmählige Umwandlung des Hordeum vulgare in Hordeum hexas- tichon für möglich. Die weichliche Natur verliert jenes, wenn es immer frü- her ausgesäet wird. Wahrscheinlich läßt es sich nach mehreren Generationen an die Durchwinterung gewöhnen, und gehet dann auch in seiner äußern Ge- stalt in letzteres über.
Die sechszeilige zur Winteraussaat gewöhnte Gerste verlangt einen kräfti- gen, ziemlich gebundenen Boden, der für den Weizen völlig geeignet ist. Man wählt sie in den reichen Niederungen besonders für solchen Acker, auf welchem man vom Weizen Lagergetreide besorgen müßte, und das ist der Haupt- grund ihres Anbaues daselbst. Sie lagert sich nicht und giebt zuweilen einen enorm hohen Ertrag = 28 Scheffel per Morgen, in der Regel 22 Scheffel. Zuweilen aber wintert sie aus und würde mißrathen, wenn man sie stehen ließe. Man pflügt sie dann aber sogleich um, und bestellt den Acker mit Sommer- gerste. Auf minder kräftigem Boden wird ihr Van selten vortheilhaft seyn, in- dem sie daselbst nur die Stelle des Weizens einnehmen kann, und man doch von ihr, dem Werthe nach, keinen höheren Ertrag wie von jenem erwarten könnte.
Sie will sehr früh, im August gesäet seyn, wenn sie sicher durchwintern soll, in die Brache oder in eine sehr lockernde Vorfrucht; am häufigsten ge- schiehet es nach Rapps. Sie reift dann früh, zu Ende Junius oder Anfangs Julius, und dies gereicht ihr allerdings zur Empfehlung, indem sie das Ernte- geschäft theilet und die Zeit dazu verlängert; auch weil die Gerste um diese Zeit oft sehr gesucht wird und man sie gleich abdreschen und zu Markt bringen kann. Unter diesen Umständen hat sie manchmal den höchsten Vortheil gebracht. Nachher findet sie aber weniger Abnehmer, da ihr Korn noch unansehnlicher wie das der kleinern Gerste ist, und auch wirklich in der Regel leichter wiegt.
Die Reißgerste, Hordeum zeocriton.
§. 96.
Bartgerste, Pfauengerste, deutscher Reis, Fächergerste, ve- netianische Gerste, japanische Gerste, ist längst bekannt, und vormals schon in Deutschland, häufiger wie jetzt, in Gebrauch gewesen.
Ihre
Die Gerſte.
Ich vermuthe aber, daß das bloß die Folge der verſchiedenen Kultur ſey, und halte eine allmaͤhlige Umwandlung des Hordeum vulgare in Hordeum hexas- tichon fuͤr moͤglich. Die weichliche Natur verliert jenes, wenn es immer fruͤ- her ausgeſaͤet wird. Wahrſcheinlich laͤßt es ſich nach mehreren Generationen an die Durchwinterung gewoͤhnen, und gehet dann auch in ſeiner aͤußern Ge- ſtalt in letzteres uͤber.
Die ſechszeilige zur Winterausſaat gewoͤhnte Gerſte verlangt einen kraͤfti- gen, ziemlich gebundenen Boden, der fuͤr den Weizen voͤllig geeignet iſt. Man waͤhlt ſie in den reichen Niederungen beſonders fuͤr ſolchen Acker, auf welchem man vom Weizen Lagergetreide beſorgen muͤßte, und das iſt der Haupt- grund ihres Anbaues daſelbſt. Sie lagert ſich nicht und giebt zuweilen einen enorm hohen Ertrag = 28 Scheffel per Morgen, in der Regel 22 Scheffel. Zuweilen aber wintert ſie aus und wuͤrde mißrathen, wenn man ſie ſtehen ließe. Man pfluͤgt ſie dann aber ſogleich um, und beſtellt den Acker mit Sommer- gerſte. Auf minder kraͤftigem Boden wird ihr Van ſelten vortheilhaft ſeyn, in- dem ſie daſelbſt nur die Stelle des Weizens einnehmen kann, und man doch von ihr, dem Werthe nach, keinen hoͤheren Ertrag wie von jenem erwarten koͤnnte.
Sie will ſehr fruͤh, im Auguſt geſaͤet ſeyn, wenn ſie ſicher durchwintern ſoll, in die Brache oder in eine ſehr lockernde Vorfrucht; am haͤufigſten ge- ſchiehet es nach Rapps. Sie reift dann fruͤh, zu Ende Junius oder Anfangs Julius, und dies gereicht ihr allerdings zur Empfehlung, indem ſie das Ernte- geſchaͤft theilet und die Zeit dazu verlaͤngert; auch weil die Gerſte um dieſe Zeit oft ſehr geſucht wird und man ſie gleich abdreſchen und zu Markt bringen kann. Unter dieſen Umſtaͤnden hat ſie manchmal den hoͤchſten Vortheil gebracht. Nachher findet ſie aber weniger Abnehmer, da ihr Korn noch unanſehnlicher wie das der kleinern Gerſte iſt, und auch wirklich in der Regel leichter wiegt.
Die Reißgerſte, Hordeum zeocriton.
§. 96.
Bartgerſte, Pfauengerſte, deutſcher Reis, Faͤchergerſte, ve- netianiſche Gerſte, japaniſche Gerſte, iſt laͤngſt bekannt, und vormals ſchon in Deutſchland, haͤufiger wie jetzt, in Gebrauch geweſen.
Ihre
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbn="88"facs="#f0112"/><fwtype="header"place="top">Die Gerſte.</fw><lb/>
Ich vermuthe aber, daß das bloß die Folge der verſchiedenen Kultur ſey, und<lb/>
halte eine allmaͤhlige Umwandlung des <hirendition="#aq">Hordeum vulgare</hi> in <hirendition="#aq">Hordeum hexas-<lb/>
tichon</hi> fuͤr moͤglich. Die weichliche Natur verliert jenes, wenn es immer fruͤ-<lb/>
her ausgeſaͤet wird. Wahrſcheinlich laͤßt es ſich nach mehreren Generationen<lb/>
an die Durchwinterung gewoͤhnen, und gehet dann auch in ſeiner aͤußern Ge-<lb/>ſtalt in letzteres uͤber.</p><lb/><p>Die ſechszeilige zur Winterausſaat gewoͤhnte Gerſte verlangt einen kraͤfti-<lb/>
gen, ziemlich gebundenen Boden, der fuͤr den Weizen voͤllig geeignet iſt.<lb/>
Man waͤhlt ſie in den reichen Niederungen beſonders fuͤr ſolchen Acker, auf<lb/>
welchem man vom Weizen Lagergetreide beſorgen muͤßte, und das iſt der Haupt-<lb/>
grund ihres Anbaues daſelbſt. Sie lagert ſich nicht und giebt zuweilen einen<lb/>
enorm hohen Ertrag = 28 Scheffel <hirendition="#aq">per</hi> Morgen, in der Regel 22 Scheffel.<lb/>
Zuweilen aber wintert ſie aus und wuͤrde mißrathen, wenn man ſie ſtehen<lb/>
ließe. Man pfluͤgt ſie dann aber ſogleich um, und beſtellt den Acker mit Sommer-<lb/>
gerſte. Auf minder kraͤftigem Boden wird ihr Van ſelten vortheilhaft ſeyn, in-<lb/>
dem ſie daſelbſt nur die Stelle des Weizens einnehmen kann, und man doch von<lb/>
ihr, dem Werthe nach, keinen hoͤheren Ertrag wie von jenem erwarten koͤnnte.</p><lb/><p>Sie will ſehr fruͤh, im Auguſt geſaͤet ſeyn, wenn ſie ſicher durchwintern<lb/>ſoll, in die Brache oder in eine ſehr lockernde Vorfrucht; am haͤufigſten ge-<lb/>ſchiehet es nach Rapps. Sie reift dann fruͤh, zu Ende Junius oder Anfangs<lb/>
Julius, und dies gereicht ihr allerdings zur Empfehlung, indem ſie das Ernte-<lb/>
geſchaͤft theilet und die Zeit dazu verlaͤngert; auch weil die Gerſte um dieſe<lb/>
Zeit oft ſehr geſucht wird und man ſie gleich abdreſchen und zu Markt bringen<lb/>
kann. Unter dieſen Umſtaͤnden hat ſie manchmal den hoͤchſten Vortheil gebracht.<lb/>
Nachher findet ſie aber weniger Abnehmer, da ihr Korn noch unanſehnlicher wie<lb/>
das der kleinern Gerſte iſt, und auch wirklich in der Regel leichter wiegt.</p></div></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Die Reißgerſte, <hirendition="#aq">Hordeum zeocriton.</hi></hi></head><lb/><divn="4"><head>§. 96.</head><lb/><p><hirendition="#g">Bartgerſte, Pfauengerſte, deutſcher Reis, Faͤchergerſte, ve-<lb/>
netianiſche Gerſte, japaniſche Gerſte</hi>, iſt laͤngſt bekannt, und vormals<lb/>ſchon in Deutſchland, haͤufiger wie jetzt, in Gebrauch geweſen.</p><lb/><fwtype="catch"place="bottom">Ihre</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[88/0112]
Die Gerſte.
Ich vermuthe aber, daß das bloß die Folge der verſchiedenen Kultur ſey, und
halte eine allmaͤhlige Umwandlung des Hordeum vulgare in Hordeum hexas-
tichon fuͤr moͤglich. Die weichliche Natur verliert jenes, wenn es immer fruͤ-
her ausgeſaͤet wird. Wahrſcheinlich laͤßt es ſich nach mehreren Generationen
an die Durchwinterung gewoͤhnen, und gehet dann auch in ſeiner aͤußern Ge-
ſtalt in letzteres uͤber.
Die ſechszeilige zur Winterausſaat gewoͤhnte Gerſte verlangt einen kraͤfti-
gen, ziemlich gebundenen Boden, der fuͤr den Weizen voͤllig geeignet iſt.
Man waͤhlt ſie in den reichen Niederungen beſonders fuͤr ſolchen Acker, auf
welchem man vom Weizen Lagergetreide beſorgen muͤßte, und das iſt der Haupt-
grund ihres Anbaues daſelbſt. Sie lagert ſich nicht und giebt zuweilen einen
enorm hohen Ertrag = 28 Scheffel per Morgen, in der Regel 22 Scheffel.
Zuweilen aber wintert ſie aus und wuͤrde mißrathen, wenn man ſie ſtehen
ließe. Man pfluͤgt ſie dann aber ſogleich um, und beſtellt den Acker mit Sommer-
gerſte. Auf minder kraͤftigem Boden wird ihr Van ſelten vortheilhaft ſeyn, in-
dem ſie daſelbſt nur die Stelle des Weizens einnehmen kann, und man doch von
ihr, dem Werthe nach, keinen hoͤheren Ertrag wie von jenem erwarten koͤnnte.
Sie will ſehr fruͤh, im Auguſt geſaͤet ſeyn, wenn ſie ſicher durchwintern
ſoll, in die Brache oder in eine ſehr lockernde Vorfrucht; am haͤufigſten ge-
ſchiehet es nach Rapps. Sie reift dann fruͤh, zu Ende Junius oder Anfangs
Julius, und dies gereicht ihr allerdings zur Empfehlung, indem ſie das Ernte-
geſchaͤft theilet und die Zeit dazu verlaͤngert; auch weil die Gerſte um dieſe
Zeit oft ſehr geſucht wird und man ſie gleich abdreſchen und zu Markt bringen
kann. Unter dieſen Umſtaͤnden hat ſie manchmal den hoͤchſten Vortheil gebracht.
Nachher findet ſie aber weniger Abnehmer, da ihr Korn noch unanſehnlicher wie
das der kleinern Gerſte iſt, und auch wirklich in der Regel leichter wiegt.
Die Reißgerſte, Hordeum zeocriton.
§. 96.
Bartgerſte, Pfauengerſte, deutſcher Reis, Faͤchergerſte, ve-
netianiſche Gerſte, japaniſche Gerſte, iſt laͤngſt bekannt, und vormals
ſchon in Deutſchland, haͤufiger wie jetzt, in Gebrauch geweſen.
Ihre
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/112>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.