Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.Der Rocken. men. Denn der Rocken verschließt während des Regens seine Spelzen, undwenn darauf warmer Sonnenschein folgt, treten die Staubbeutel mit Macht hervor und der Saamenstaub überzieht in einer dichten Wolke das Feld. Allein bei anhaltendem feuchten Wetter verdumpfen endlich die Staubbeutel in den Spel- zen und faulen; es geht keine Befruchtung vor, oder das Körnchen wird von der Fäulniß mit ergriffen. Hier erzeugt sich wahrscheinlich das Uebel des Mut- terkorns; dieser bekannte, auffallende, violet schwarze Auswuchs; welcher einzeln unbedeutend ist, aber in großer Menge, besonders frisch genossen, höchst gefährliche und tödtliche Krankheiten, hauptsächlich die Kribbelkrankheit, bei Menschen und Vieh hervorbringt. Indessen widersteht kraftvolle Saat den Einwirkungen äußerer Schädlich- Den mehr oder minder vollständigen Ansatz der Körner kann man nach vol- §. 82. Reife.Die Reife des Rockens erkennt man aus dem Verbleichen des Strohes, §. 83. Ertrag. Der Rocken. men. Denn der Rocken verſchließt waͤhrend des Regens ſeine Spelzen, undwenn darauf warmer Sonnenſchein folgt, treten die Staubbeutel mit Macht hervor und der Saamenſtaub uͤberzieht in einer dichten Wolke das Feld. Allein bei anhaltendem feuchten Wetter verdumpfen endlich die Staubbeutel in den Spel- zen und faulen; es geht keine Befruchtung vor, oder das Koͤrnchen wird von der Faͤulniß mit ergriffen. Hier erzeugt ſich wahrſcheinlich das Uebel des Mut- terkorns; dieſer bekannte, auffallende, violet ſchwarze Auswuchs; welcher einzeln unbedeutend iſt, aber in großer Menge, beſonders friſch genoſſen, hoͤchſt gefaͤhrliche und toͤdtliche Krankheiten, hauptſaͤchlich die Kribbelkrankheit, bei Menſchen und Vieh hervorbringt. Indeſſen widerſteht kraftvolle Saat den Einwirkungen aͤußerer Schaͤdlich- Den mehr oder minder vollſtaͤndigen Anſatz der Koͤrner kann man nach vol- §. 82. Reife.Die Reife des Rockens erkennt man aus dem Verbleichen des Strohes, §. 83. Ertrag. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0102" n="78"/><fw place="top" type="header">Der Rocken.</fw><lb/> men. Denn der Rocken verſchließt waͤhrend des Regens ſeine Spelzen, und<lb/> wenn darauf warmer Sonnenſchein folgt, treten die Staubbeutel mit Macht<lb/> hervor und der Saamenſtaub uͤberzieht in einer dichten Wolke das Feld. Allein<lb/> bei anhaltendem feuchten Wetter verdumpfen endlich die Staubbeutel in den Spel-<lb/> zen und faulen; es geht keine Befruchtung vor, oder das Koͤrnchen wird von<lb/> der Faͤulniß mit ergriffen. Hier erzeugt ſich wahrſcheinlich das Uebel des <hi rendition="#g">Mut-<lb/> terkorns</hi>; dieſer bekannte, auffallende, violet ſchwarze Auswuchs; welcher<lb/> einzeln unbedeutend iſt, aber in großer Menge, beſonders friſch genoſſen, hoͤchſt<lb/> gefaͤhrliche und toͤdtliche Krankheiten, hauptſaͤchlich die Kribbelkrankheit, bei<lb/> Menſchen und Vieh hervorbringt.</p><lb/> <p>Indeſſen widerſteht kraftvolle Saat den Einwirkungen aͤußerer Schaͤdlich-<lb/> keiten, auch in der Bluͤtezeit mehr wie ſchwache und ſchlecht beſtellte.</p><lb/> <p>Den mehr oder minder vollſtaͤndigen Anſatz der Koͤrner kann man nach vol-<lb/> lendeter Bluͤte leicht erkennen, wenn man die Aehre gegen das Licht betrachtet,<lb/> indem die befruchteten Spelzen durchſichtig erſcheinen. Da jedoch der Rocken<lb/> langſam abbluͤhet, ſo muß man nicht fruͤher daruͤber urtheilen. Spaͤter fuͤhlt<lb/> man die Fehlſtellen, wenn man eine Aehre durch die Finger zieht.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 82.</head><lb/> <p><note place="left">Reife.</note>Die Reife des Rockens erkennt man aus dem Verbleichen des Strohes,<lb/> indem es ſeine gelbere Farbe in eine mehr weiße umwandelt und auch zunaͤchſt<lb/> an den Knoten nichts gruͤnes mehr zeigt. Die Koͤrner ſind hart, loͤſen ſich leicht<lb/> und fallen aus, wenn man ſtark daran ſchlaͤgt. Man muß aber auch bei dem<lb/> Rocken die Vorſchrift des alten <hi rendition="#g">Cato</hi> befolgen: <hi rendition="#aq">Oraculum esto, biduo citiu<lb/> quam biduo serius metere</hi> — lieber zwei Tage zu fruͤh als zu ſpaͤt zu maͤhen.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 83.</head><lb/> <p><note place="left">Ertrag.<lb/> Werth.</note>Der Durchſchnittsertrag des Rockens iſt auf gleichem, beiden Getreidearten<lb/> zuſagenden Boden im Volumen dem des Weizens wohl gleich. Indeſſen kenne<lb/> ich kein Beiſpiel, daß Rocken uͤber 22 Scheffel vom Morgen gegeben haͤtte; vom<lb/> Weizen hat man unbezweifelt hoͤheren Ertrag, aber auf Boden, der fuͤr Rocken<lb/> durchaus zu ſtark geweſen ſeyn wuͤrde. Als ein guter Ertrag ſind 12 Scheffel<lb/> anzunehmen, und er faͤllt herunter bis auf 3 Scheffel. Weniger iſt Mißwachs;<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0102]
Der Rocken.
men. Denn der Rocken verſchließt waͤhrend des Regens ſeine Spelzen, und
wenn darauf warmer Sonnenſchein folgt, treten die Staubbeutel mit Macht
hervor und der Saamenſtaub uͤberzieht in einer dichten Wolke das Feld. Allein
bei anhaltendem feuchten Wetter verdumpfen endlich die Staubbeutel in den Spel-
zen und faulen; es geht keine Befruchtung vor, oder das Koͤrnchen wird von
der Faͤulniß mit ergriffen. Hier erzeugt ſich wahrſcheinlich das Uebel des Mut-
terkorns; dieſer bekannte, auffallende, violet ſchwarze Auswuchs; welcher
einzeln unbedeutend iſt, aber in großer Menge, beſonders friſch genoſſen, hoͤchſt
gefaͤhrliche und toͤdtliche Krankheiten, hauptſaͤchlich die Kribbelkrankheit, bei
Menſchen und Vieh hervorbringt.
Indeſſen widerſteht kraftvolle Saat den Einwirkungen aͤußerer Schaͤdlich-
keiten, auch in der Bluͤtezeit mehr wie ſchwache und ſchlecht beſtellte.
Den mehr oder minder vollſtaͤndigen Anſatz der Koͤrner kann man nach vol-
lendeter Bluͤte leicht erkennen, wenn man die Aehre gegen das Licht betrachtet,
indem die befruchteten Spelzen durchſichtig erſcheinen. Da jedoch der Rocken
langſam abbluͤhet, ſo muß man nicht fruͤher daruͤber urtheilen. Spaͤter fuͤhlt
man die Fehlſtellen, wenn man eine Aehre durch die Finger zieht.
§. 82.
Die Reife des Rockens erkennt man aus dem Verbleichen des Strohes,
indem es ſeine gelbere Farbe in eine mehr weiße umwandelt und auch zunaͤchſt
an den Knoten nichts gruͤnes mehr zeigt. Die Koͤrner ſind hart, loͤſen ſich leicht
und fallen aus, wenn man ſtark daran ſchlaͤgt. Man muß aber auch bei dem
Rocken die Vorſchrift des alten Cato befolgen: Oraculum esto, biduo citiu
quam biduo serius metere — lieber zwei Tage zu fruͤh als zu ſpaͤt zu maͤhen.
Reife.
§. 83.
Der Durchſchnittsertrag des Rockens iſt auf gleichem, beiden Getreidearten
zuſagenden Boden im Volumen dem des Weizens wohl gleich. Indeſſen kenne
ich kein Beiſpiel, daß Rocken uͤber 22 Scheffel vom Morgen gegeben haͤtte; vom
Weizen hat man unbezweifelt hoͤheren Ertrag, aber auf Boden, der fuͤr Rocken
durchaus zu ſtark geweſen ſeyn wuͤrde. Als ein guter Ertrag ſind 12 Scheffel
anzunehmen, und er faͤllt herunter bis auf 3 Scheffel. Weniger iſt Mißwachs;
Ertrag.
Werth.
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