men. Denn der Rocken verschließt während des Regens seine Spelzen, und wenn darauf warmer Sonnenschein folgt, treten die Staubbeutel mit Macht hervor und der Saamenstaub überzieht in einer dichten Wolke das Feld. Allein bei anhaltendem feuchten Wetter verdumpfen endlich die Staubbeutel in den Spel- zen und faulen; es geht keine Befruchtung vor, oder das Körnchen wird von der Fäulniß mit ergriffen. Hier erzeugt sich wahrscheinlich das Uebel des Mut- terkorns; dieser bekannte, auffallende, violet schwarze Auswuchs; welcher einzeln unbedeutend ist, aber in großer Menge, besonders frisch genossen, höchst gefährliche und tödtliche Krankheiten, hauptsächlich die Kribbelkrankheit, bei Menschen und Vieh hervorbringt.
Indessen widersteht kraftvolle Saat den Einwirkungen äußerer Schädlich- keiten, auch in der Blütezeit mehr wie schwache und schlecht bestellte.
Den mehr oder minder vollständigen Ansatz der Körner kann man nach vol- lendeter Blüte leicht erkennen, wenn man die Aehre gegen das Licht betrachtet, indem die befruchteten Spelzen durchsichtig erscheinen. Da jedoch der Rocken langsam abblühet, so muß man nicht früher darüber urtheilen. Später fühlt man die Fehlstellen, wenn man eine Aehre durch die Finger zieht.
§. 82.
Reife.Die Reife des Rockens erkennt man aus dem Verbleichen des Strohes, indem es seine gelbere Farbe in eine mehr weiße umwandelt und auch zunächst an den Knoten nichts grünes mehr zeigt. Die Körner sind hart, lösen sich leicht und fallen aus, wenn man stark daran schlägt. Man muß aber auch bei dem Rocken die Vorschrift des alten Cato befolgen: Oraculum esto, biduo citiu quam biduo serius metere -- lieber zwei Tage zu früh als zu spät zu mähen.
§. 83.
Ertrag. Werth.Der Durchschnittsertrag des Rockens ist auf gleichem, beiden Getreidearten zusagenden Boden im Volumen dem des Weizens wohl gleich. Indessen kenne ich kein Beispiel, daß Rocken über 22 Scheffel vom Morgen gegeben hätte; vom Weizen hat man unbezweifelt höheren Ertrag, aber auf Boden, der für Rocken durchaus zu stark gewesen seyn würde. Als ein guter Ertrag sind 12 Scheffel anzunehmen, und er fällt herunter bis auf 3 Scheffel. Weniger ist Mißwachs;
Der Rocken.
men. Denn der Rocken verſchließt waͤhrend des Regens ſeine Spelzen, und wenn darauf warmer Sonnenſchein folgt, treten die Staubbeutel mit Macht hervor und der Saamenſtaub uͤberzieht in einer dichten Wolke das Feld. Allein bei anhaltendem feuchten Wetter verdumpfen endlich die Staubbeutel in den Spel- zen und faulen; es geht keine Befruchtung vor, oder das Koͤrnchen wird von der Faͤulniß mit ergriffen. Hier erzeugt ſich wahrſcheinlich das Uebel des Mut- terkorns; dieſer bekannte, auffallende, violet ſchwarze Auswuchs; welcher einzeln unbedeutend iſt, aber in großer Menge, beſonders friſch genoſſen, hoͤchſt gefaͤhrliche und toͤdtliche Krankheiten, hauptſaͤchlich die Kribbelkrankheit, bei Menſchen und Vieh hervorbringt.
Indeſſen widerſteht kraftvolle Saat den Einwirkungen aͤußerer Schaͤdlich- keiten, auch in der Bluͤtezeit mehr wie ſchwache und ſchlecht beſtellte.
Den mehr oder minder vollſtaͤndigen Anſatz der Koͤrner kann man nach vol- lendeter Bluͤte leicht erkennen, wenn man die Aehre gegen das Licht betrachtet, indem die befruchteten Spelzen durchſichtig erſcheinen. Da jedoch der Rocken langſam abbluͤhet, ſo muß man nicht fruͤher daruͤber urtheilen. Spaͤter fuͤhlt man die Fehlſtellen, wenn man eine Aehre durch die Finger zieht.
§. 82.
Reife.Die Reife des Rockens erkennt man aus dem Verbleichen des Strohes, indem es ſeine gelbere Farbe in eine mehr weiße umwandelt und auch zunaͤchſt an den Knoten nichts gruͤnes mehr zeigt. Die Koͤrner ſind hart, loͤſen ſich leicht und fallen aus, wenn man ſtark daran ſchlaͤgt. Man muß aber auch bei dem Rocken die Vorſchrift des alten Cato befolgen: Oraculum esto, biduo citiu quam biduo serius metere — lieber zwei Tage zu fruͤh als zu ſpaͤt zu maͤhen.
§. 83.
Ertrag. Werth.Der Durchſchnittsertrag des Rockens iſt auf gleichem, beiden Getreidearten zuſagenden Boden im Volumen dem des Weizens wohl gleich. Indeſſen kenne ich kein Beiſpiel, daß Rocken uͤber 22 Scheffel vom Morgen gegeben haͤtte; vom Weizen hat man unbezweifelt hoͤheren Ertrag, aber auf Boden, der fuͤr Rocken durchaus zu ſtark geweſen ſeyn wuͤrde. Als ein guter Ertrag ſind 12 Scheffel anzunehmen, und er faͤllt herunter bis auf 3 Scheffel. Weniger iſt Mißwachs;
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Der Rocken.
men. Denn der Rocken verſchließt waͤhrend des Regens ſeine Spelzen, und
wenn darauf warmer Sonnenſchein folgt, treten die Staubbeutel mit Macht
hervor und der Saamenſtaub uͤberzieht in einer dichten Wolke das Feld. Allein
bei anhaltendem feuchten Wetter verdumpfen endlich die Staubbeutel in den Spel-
zen und faulen; es geht keine Befruchtung vor, oder das Koͤrnchen wird von
der Faͤulniß mit ergriffen. Hier erzeugt ſich wahrſcheinlich das Uebel des Mut-
terkorns; dieſer bekannte, auffallende, violet ſchwarze Auswuchs; welcher
einzeln unbedeutend iſt, aber in großer Menge, beſonders friſch genoſſen, hoͤchſt
gefaͤhrliche und toͤdtliche Krankheiten, hauptſaͤchlich die Kribbelkrankheit, bei
Menſchen und Vieh hervorbringt.
Indeſſen widerſteht kraftvolle Saat den Einwirkungen aͤußerer Schaͤdlich-
keiten, auch in der Bluͤtezeit mehr wie ſchwache und ſchlecht beſtellte.
Den mehr oder minder vollſtaͤndigen Anſatz der Koͤrner kann man nach vol-
lendeter Bluͤte leicht erkennen, wenn man die Aehre gegen das Licht betrachtet,
indem die befruchteten Spelzen durchſichtig erſcheinen. Da jedoch der Rocken
langſam abbluͤhet, ſo muß man nicht fruͤher daruͤber urtheilen. Spaͤter fuͤhlt
man die Fehlſtellen, wenn man eine Aehre durch die Finger zieht.
§. 82.
Die Reife des Rockens erkennt man aus dem Verbleichen des Strohes,
indem es ſeine gelbere Farbe in eine mehr weiße umwandelt und auch zunaͤchſt
an den Knoten nichts gruͤnes mehr zeigt. Die Koͤrner ſind hart, loͤſen ſich leicht
und fallen aus, wenn man ſtark daran ſchlaͤgt. Man muß aber auch bei dem
Rocken die Vorſchrift des alten Cato befolgen: Oraculum esto, biduo citiu
quam biduo serius metere — lieber zwei Tage zu fruͤh als zu ſpaͤt zu maͤhen.
Reife.
§. 83.
Der Durchſchnittsertrag des Rockens iſt auf gleichem, beiden Getreidearten
zuſagenden Boden im Volumen dem des Weizens wohl gleich. Indeſſen kenne
ich kein Beiſpiel, daß Rocken uͤber 22 Scheffel vom Morgen gegeben haͤtte; vom
Weizen hat man unbezweifelt hoͤheren Ertrag, aber auf Boden, der fuͤr Rocken
durchaus zu ſtark geweſen ſeyn wuͤrde. Als ein guter Ertrag ſind 12 Scheffel
anzunehmen, und er faͤllt herunter bis auf 3 Scheffel. Weniger iſt Mißwachs;
Ertrag.
Werth.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/102>, abgerufen am 22.02.2025.
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