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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Abwässerung.
Abwässerung.
§. 233.

Die Ableitung der überflüssigen und schädlichen Feuchtigkeit gehört unter die
wichtigsten Gegenstände und Rücksichten bei der Agrikultur. Sie muß auf Boden,
der ihrer bedarf, jeder höheren Kultur vorhergehen, indem diese ohne jene durchaus
fruchtlos ist. Die richtige Beschaffung derselben schützt auf kultivirten Feldern die
Saaten gegen die häufigsten Unfälle, und viele bisher unbrauchbare Flächen können
dadurch urbar gemacht und zu den allerfruchtbarsten Fluren umgeschaffen werden.
Die Kunst der Abwässerung aber ist auch eine der schwierigsten und am meisten ver-
wickelten in dem ganzen Umfange der Agrikultur. Die Fälle sind in Ansehung der
Ursachen sowohl, als der anzuwendenden Mittel von unendlicher Mannigfaltigkeit,
und sie einzeln beschreiben und charakterisiren wollen, wäre eine vergebliche Mühe, da
jeder etwas eigenes hat. Es kommt aber nur darauf an, daß man sich, nach den
Gesetzen, welche das Wasser in seiner Bewegung und in seinem Verhalten gegen feste
Körper befolgt, von dem verschiedenen Ursprunge der Nässe einen klaren Begriff
mache, und dann in jedem vorkommenden Falle die Ursachen derselben richtig unter-
scheide und treffe. Dann werden sich die Mittel von selbst ergeben, welche man am
zweckmäßigsten anzuwenden hat, und mit Rücksicht auf die Lokalität jedes concreten
Falles ausführen muß.

Bei größeren Wasserleitungen muß die Lehre von der Hydraulik, Hydrodynamik
und Hydrostatik mit allen mathematischen Gründen, worauf sie beruhen, vorausge-
setzt werden. Da ich hier aber nur diejenigen Kenntnisse voraussetzen darf, die man
von jedem denkenden Landwirthe fordern kann, so beschränke ich mich auf dasjenige,
was ohne jene gründlichen Kenntnisse auch ihm verständlich seyn muß, und was in
seinem Wirkungskreise liegt. Hierzu gehören aber die Entwässerungen und Ein-
deichungen ausgedehnter Distrikte und die Ziehung erheblicher Kanäle nicht. Diese
müssen ausgebildeten und erfahrnen Wasserbauverständigen, welche ihr ganzes Stu-
dium darauf verwandt haben, überlassen werden, und es ist nur zu bedauern, daß
auch bei ihnen die Wissenschaft noch nicht auf die Stufe gebracht worden ist, welche
uns gegen mannigfaltige Fehler und Mißgriffe der erfahrensten unter ihnen sicherte.


§. 234.
Abwaͤſſerung.
Abwaͤſſerung.
§. 233.

Die Ableitung der uͤberfluͤſſigen und ſchaͤdlichen Feuchtigkeit gehoͤrt unter die
wichtigſten Gegenſtaͤnde und Ruͤckſichten bei der Agrikultur. Sie muß auf Boden,
der ihrer bedarf, jeder hoͤheren Kultur vorhergehen, indem dieſe ohne jene durchaus
fruchtlos iſt. Die richtige Beſchaffung derſelben ſchuͤtzt auf kultivirten Feldern die
Saaten gegen die haͤufigſten Unfaͤlle, und viele bisher unbrauchbare Flaͤchen koͤnnen
dadurch urbar gemacht und zu den allerfruchtbarſten Fluren umgeſchaffen werden.
Die Kunſt der Abwaͤſſerung aber iſt auch eine der ſchwierigſten und am meiſten ver-
wickelten in dem ganzen Umfange der Agrikultur. Die Faͤlle ſind in Anſehung der
Urſachen ſowohl, als der anzuwendenden Mittel von unendlicher Mannigfaltigkeit,
und ſie einzeln beſchreiben und charakteriſiren wollen, waͤre eine vergebliche Muͤhe, da
jeder etwas eigenes hat. Es kommt aber nur darauf an, daß man ſich, nach den
Geſetzen, welche das Waſſer in ſeiner Bewegung und in ſeinem Verhalten gegen feſte
Koͤrper befolgt, von dem verſchiedenen Urſprunge der Naͤſſe einen klaren Begriff
mache, und dann in jedem vorkommenden Falle die Urſachen derſelben richtig unter-
ſcheide und treffe. Dann werden ſich die Mittel von ſelbſt ergeben, welche man am
zweckmaͤßigſten anzuwenden hat, und mit Ruͤckſicht auf die Lokalitaͤt jedes concreten
Falles ausfuͤhren muß.

Bei groͤßeren Waſſerleitungen muß die Lehre von der Hydraulik, Hydrodynamik
und Hydroſtatik mit allen mathematiſchen Gruͤnden, worauf ſie beruhen, vorausge-
ſetzt werden. Da ich hier aber nur diejenigen Kenntniſſe vorausſetzen darf, die man
von jedem denkenden Landwirthe fordern kann, ſo beſchraͤnke ich mich auf dasjenige,
was ohne jene gruͤndlichen Kenntniſſe auch ihm verſtaͤndlich ſeyn muß, und was in
ſeinem Wirkungskreiſe liegt. Hierzu gehoͤren aber die Entwaͤſſerungen und Ein-
deichungen ausgedehnter Diſtrikte und die Ziehung erheblicher Kanaͤle nicht. Dieſe
muͤſſen ausgebildeten und erfahrnen Waſſerbauverſtaͤndigen, welche ihr ganzes Stu-
dium darauf verwandt haben, uͤberlaſſen werden, und es iſt nur zu bedauern, daß
auch bei ihnen die Wiſſenſchaft noch nicht auf die Stufe gebracht worden iſt, welche
uns gegen mannigfaltige Fehler und Mißgriffe der erfahrenſten unter ihnen ſicherte.


§. 234.
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[144/0166] Abwaͤſſerung. Abwaͤſſerung. §. 233. Die Ableitung der uͤberfluͤſſigen und ſchaͤdlichen Feuchtigkeit gehoͤrt unter die wichtigſten Gegenſtaͤnde und Ruͤckſichten bei der Agrikultur. Sie muß auf Boden, der ihrer bedarf, jeder hoͤheren Kultur vorhergehen, indem dieſe ohne jene durchaus fruchtlos iſt. Die richtige Beſchaffung derſelben ſchuͤtzt auf kultivirten Feldern die Saaten gegen die haͤufigſten Unfaͤlle, und viele bisher unbrauchbare Flaͤchen koͤnnen dadurch urbar gemacht und zu den allerfruchtbarſten Fluren umgeſchaffen werden. Die Kunſt der Abwaͤſſerung aber iſt auch eine der ſchwierigſten und am meiſten ver- wickelten in dem ganzen Umfange der Agrikultur. Die Faͤlle ſind in Anſehung der Urſachen ſowohl, als der anzuwendenden Mittel von unendlicher Mannigfaltigkeit, und ſie einzeln beſchreiben und charakteriſiren wollen, waͤre eine vergebliche Muͤhe, da jeder etwas eigenes hat. Es kommt aber nur darauf an, daß man ſich, nach den Geſetzen, welche das Waſſer in ſeiner Bewegung und in ſeinem Verhalten gegen feſte Koͤrper befolgt, von dem verſchiedenen Urſprunge der Naͤſſe einen klaren Begriff mache, und dann in jedem vorkommenden Falle die Urſachen derſelben richtig unter- ſcheide und treffe. Dann werden ſich die Mittel von ſelbſt ergeben, welche man am zweckmaͤßigſten anzuwenden hat, und mit Ruͤckſicht auf die Lokalitaͤt jedes concreten Falles ausfuͤhren muß. Bei groͤßeren Waſſerleitungen muß die Lehre von der Hydraulik, Hydrodynamik und Hydroſtatik mit allen mathematiſchen Gruͤnden, worauf ſie beruhen, vorausge- ſetzt werden. Da ich hier aber nur diejenigen Kenntniſſe vorausſetzen darf, die man von jedem denkenden Landwirthe fordern kann, ſo beſchraͤnke ich mich auf dasjenige, was ohne jene gruͤndlichen Kenntniſſe auch ihm verſtaͤndlich ſeyn muß, und was in ſeinem Wirkungskreiſe liegt. Hierzu gehoͤren aber die Entwaͤſſerungen und Ein- deichungen ausgedehnter Diſtrikte und die Ziehung erheblicher Kanaͤle nicht. Dieſe muͤſſen ausgebildeten und erfahrnen Waſſerbauverſtaͤndigen, welche ihr ganzes Stu- dium darauf verwandt haben, uͤberlaſſen werden, und es iſt nur zu bedauern, daß auch bei ihnen die Wiſſenſchaft noch nicht auf die Stufe gebracht worden iſt, welche uns gegen mannigfaltige Fehler und Mißgriffe der erfahrenſten unter ihnen ſicherte. §. 234.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/166>, abgerufen am 21.11.2024.