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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Werthschätzung eines Landguts.
weilen haben die letzten Inhaber viel hineingesteckt und die Kraft des Bodens wirk-
lich dadurch vermehrt, aber nicht Ausdauer und Nachsatz genug gehabt, um die
Früchte daraus zu ziehen, und es giebt der Beispiele viele, wo auf die Weise reelle
Meliorationen nur zum Nutzen des Nachfolgers gemacht worden sind. Auf der an-
dern Seite können die letzten Inhaber es verstanden haben, einen hohen temporellen
Geldertrag aber mit Erschöpfung des Ackers herauszuziehen, und dadurch ihr Ver-
mögen zu verbessern, das Gut aber um so viel zu verschlechtern. Hierdurch kann
ein Gut bei Kurzsichtigen in einen üblen oder guten Ruf kommen, wo sich dann in
letzterm Falle, wenn es zum Verkauf kömmt, eine große Konkurrenz von Käufern,
im erstern aber keine einfinden, und sonach über oder unter dem Werthe losgeschla-
gen werden wird. Jedoch darf man dieses auch nicht als allgemein annehmen,
denn manchmal kann ein unwissender und nachläßiger Wirth sehr geringen Ertrag
aus einem Gute gehabt und es dennoch so verschlechtert haben, daß ein beträchtli-
ches Kapital zu dessen Wiederherstellung erforderlich ist.

Oftmals haben Güter große Hülfsquellen, die von unwissenden und unthätigen
Wirthen übersehen und nicht gebraucht wurden, und diese lassen sich immer eher auf
einem Gute erwarten, was in schlechten Händen, als in guten gewesen ist.

§. 83.

Güter-An-
schläge.
Bei jeder Kaufsverhandlung wird in der Regel vom Verkäufer über das Gut
ein Anschlag gemacht und dem Käufer vorgelegt, der ihn dann mit seinen Erinne-
rungen oder mit einem Gegenanschlage beantwortet, damit diejenigen Punkte, bei
deren Schätzung sie von einander abweichen, genauer erörtert werden können.

Ein solcher Anschlag ist entweder ein Grund- oder ein Ertragsanschlag.
Ersterer, wozu die Data in der Lehre von der Agronomie werden angegeben werden,
würde weit sicherer seyn, wenn die zu einem solchen bestimmten Anschlage erforder-
lichen Kenntnisse mehr verbreitet wären. Da dieses aber bis jetzt nicht der Fall ist,
so behilft man sich mit Ertragsanschlägen, deren nothwendige Mangelhaftigkeit schon
daraus erhellet, daß der Ertrag, der aus Grund und Boden, Kenntniß und Ueber-
legung, Betriebskapital und Arbeit hervorgeht, und bei dem obendrein das Risiko
nicht berechnet werden kann, dem Grundwerthe allein beigemessen wird. Weil man
dieses, obwohl dunkel, fühlte, so hat man die Ertragssätze möglichst geringe ange-
nommen, besonders aber, da sie sich in der Regel auf Dreifelderwirthschaft gründen,
die Benutzung der Brache gar nicht gerechnet, sondern solche als den billigen Vor-
theil des Wirthschaftbetriebes angesehen.


Werthſchaͤtzung eines Landguts.
weilen haben die letzten Inhaber viel hineingeſteckt und die Kraft des Bodens wirk-
lich dadurch vermehrt, aber nicht Ausdauer und Nachſatz genug gehabt, um die
Fruͤchte daraus zu ziehen, und es giebt der Beiſpiele viele, wo auf die Weiſe reelle
Meliorationen nur zum Nutzen des Nachfolgers gemacht worden ſind. Auf der an-
dern Seite koͤnnen die letzten Inhaber es verſtanden haben, einen hohen temporellen
Geldertrag aber mit Erſchoͤpfung des Ackers herauszuziehen, und dadurch ihr Ver-
moͤgen zu verbeſſern, das Gut aber um ſo viel zu verſchlechtern. Hierdurch kann
ein Gut bei Kurzſichtigen in einen uͤblen oder guten Ruf kommen, wo ſich dann in
letzterm Falle, wenn es zum Verkauf koͤmmt, eine große Konkurrenz von Kaͤufern,
im erſtern aber keine einfinden, und ſonach uͤber oder unter dem Werthe losgeſchla-
gen werden wird. Jedoch darf man dieſes auch nicht als allgemein annehmen,
denn manchmal kann ein unwiſſender und nachlaͤßiger Wirth ſehr geringen Ertrag
aus einem Gute gehabt und es dennoch ſo verſchlechtert haben, daß ein betraͤchtli-
ches Kapital zu deſſen Wiederherſtellung erforderlich iſt.

Oftmals haben Guͤter große Huͤlfsquellen, die von unwiſſenden und unthaͤtigen
Wirthen uͤberſehen und nicht gebraucht wurden, und dieſe laſſen ſich immer eher auf
einem Gute erwarten, was in ſchlechten Haͤnden, als in guten geweſen iſt.

§. 83.

Guͤter-An-
ſchlaͤge.
Bei jeder Kaufsverhandlung wird in der Regel vom Verkaͤufer uͤber das Gut
ein Anſchlag gemacht und dem Kaͤufer vorgelegt, der ihn dann mit ſeinen Erinne-
rungen oder mit einem Gegenanſchlage beantwortet, damit diejenigen Punkte, bei
deren Schaͤtzung ſie von einander abweichen, genauer eroͤrtert werden koͤnnen.

Ein ſolcher Anſchlag iſt entweder ein Grund- oder ein Ertragsanſchlag.
Erſterer, wozu die Data in der Lehre von der Agronomie werden angegeben werden,
wuͤrde weit ſicherer ſeyn, wenn die zu einem ſolchen beſtimmten Anſchlage erforder-
lichen Kenntniſſe mehr verbreitet waͤren. Da dieſes aber bis jetzt nicht der Fall iſt,
ſo behilft man ſich mit Ertragsanſchlaͤgen, deren nothwendige Mangelhaftigkeit ſchon
daraus erhellet, daß der Ertrag, der aus Grund und Boden, Kenntniß und Ueber-
legung, Betriebskapital und Arbeit hervorgeht, und bei dem obendrein das Riſiko
nicht berechnet werden kann, dem Grundwerthe allein beigemeſſen wird. Weil man
dieſes, obwohl dunkel, fuͤhlte, ſo hat man die Ertragsſaͤtze moͤglichſt geringe ange-
nommen, beſonders aber, da ſie ſich in der Regel auf Dreifelderwirthſchaft gruͤnden,
die Benutzung der Brache gar nicht gerechnet, ſondern ſolche als den billigen Vor-
theil des Wirthſchaftbetriebes angeſehen.


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[50/0080] Werthſchaͤtzung eines Landguts. weilen haben die letzten Inhaber viel hineingeſteckt und die Kraft des Bodens wirk- lich dadurch vermehrt, aber nicht Ausdauer und Nachſatz genug gehabt, um die Fruͤchte daraus zu ziehen, und es giebt der Beiſpiele viele, wo auf die Weiſe reelle Meliorationen nur zum Nutzen des Nachfolgers gemacht worden ſind. Auf der an- dern Seite koͤnnen die letzten Inhaber es verſtanden haben, einen hohen temporellen Geldertrag aber mit Erſchoͤpfung des Ackers herauszuziehen, und dadurch ihr Ver- moͤgen zu verbeſſern, das Gut aber um ſo viel zu verſchlechtern. Hierdurch kann ein Gut bei Kurzſichtigen in einen uͤblen oder guten Ruf kommen, wo ſich dann in letzterm Falle, wenn es zum Verkauf koͤmmt, eine große Konkurrenz von Kaͤufern, im erſtern aber keine einfinden, und ſonach uͤber oder unter dem Werthe losgeſchla- gen werden wird. Jedoch darf man dieſes auch nicht als allgemein annehmen, denn manchmal kann ein unwiſſender und nachlaͤßiger Wirth ſehr geringen Ertrag aus einem Gute gehabt und es dennoch ſo verſchlechtert haben, daß ein betraͤchtli- ches Kapital zu deſſen Wiederherſtellung erforderlich iſt. Oftmals haben Guͤter große Huͤlfsquellen, die von unwiſſenden und unthaͤtigen Wirthen uͤberſehen und nicht gebraucht wurden, und dieſe laſſen ſich immer eher auf einem Gute erwarten, was in ſchlechten Haͤnden, als in guten geweſen iſt. §. 83. Bei jeder Kaufsverhandlung wird in der Regel vom Verkaͤufer uͤber das Gut ein Anſchlag gemacht und dem Kaͤufer vorgelegt, der ihn dann mit ſeinen Erinne- rungen oder mit einem Gegenanſchlage beantwortet, damit diejenigen Punkte, bei deren Schaͤtzung ſie von einander abweichen, genauer eroͤrtert werden koͤnnen. Guͤter-An- ſchlaͤge. Ein ſolcher Anſchlag iſt entweder ein Grund- oder ein Ertragsanſchlag. Erſterer, wozu die Data in der Lehre von der Agronomie werden angegeben werden, wuͤrde weit ſicherer ſeyn, wenn die zu einem ſolchen beſtimmten Anſchlage erforder- lichen Kenntniſſe mehr verbreitet waͤren. Da dieſes aber bis jetzt nicht der Fall iſt, ſo behilft man ſich mit Ertragsanſchlaͤgen, deren nothwendige Mangelhaftigkeit ſchon daraus erhellet, daß der Ertrag, der aus Grund und Boden, Kenntniß und Ueber- legung, Betriebskapital und Arbeit hervorgeht, und bei dem obendrein das Riſiko nicht berechnet werden kann, dem Grundwerthe allein beigemeſſen wird. Weil man dieſes, obwohl dunkel, fuͤhlte, ſo hat man die Ertragsſaͤtze moͤglichſt geringe ange- nommen, beſonders aber, da ſie ſich in der Regel auf Dreifelderwirthſchaft gruͤnden, die Benutzung der Brache gar nicht gerechnet, ſondern ſolche als den billigen Vor- theil des Wirthſchaftbetriebes angeſehen.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/80>, abgerufen am 22.12.2024.