Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Begründung der Lehre.
propter hoc.) Auch fehlt es leider! an einem bestimmten allgemeinen Merkmale,
eine bloße Folge in der Zeit von einer Folge aus der Kraft zu unterscheiden.

§. 17.

Das häufige und wiederholte Beieinanderseyn berechtigt uns erst, die
Verbindung zweier Erscheinungen, als Ursach und Wirkung, nur zu vermuthen.
Je öfterer es sich wiederholt, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit dieser Verbin-
dung, und wird endlich zur moralischen Gewißheit für uns, welche jedoch aufhört
es zu seyn, wenn nur ein einziges Mal das eine ohne das andere erscheint. Dann
dürfen wir wenigstens das eine nicht für die alleinige Ursach oder Wirkung des
anderen halten.

§. 18.

Die meisten Erscheinungen aber, so wie wir sie in ihrem ganzen Complexus
wahrnehmen, sind nicht die Wirkung einer, sondern oft mannigfaltig zusammenge-
setzter und sich vereinigender Ursachen. Wenn deren neun beisammen sind, und die
zehnte fehlt, so erfolgt auch die Wirkung nicht, oft die ganz entgegengesetzte.

Um eine vollständige Kornähre hervorzubringen, wird erfordert:

1) ein gesundes Samenkorn mit unbeschädigtem Keime;
2) Erde, die gelockert und wohl vorbereitet ist;
3) Feuchtigkeit im gehörigen Maaße, weder zu viel noch zu wenig;
4) Wärme im gehörigen Grade.

Dies wußte jeder, aber nun weiß man, daß auch erfordert werde:

5) Luft, denn im luftleeren Raume entwickelt sich kein Keim;
6) Sauerstoff in gehörigen Verhältnissen, denn in einer Luft, wo dieser fehlt,
entwickelt sich ebenfalls der Keim nicht;
7) Kohlenstoff, denn ohne diesen kommt die Pflanze nur zur Blüthe, nicht
zur Samenbildung;
8) Licht, denn ohne solches erkrankt die Pflanze, und stirbt ab vor der Reife.

Es ist also das Hinzutreten aller dieser Stoffe und Potenzen, und vielleicht vie-
ler anderen nöthig, um jene Wirkung oder Aehre, und ihr gerechtes Verhältniß,
um eine vollkommne hervorzubringen. Ihr Mißrathen kann an dem Mangel
des einen oder des anderen liegen.


§. 19.

Begruͤndung der Lehre.
propter hoc.) Auch fehlt es leider! an einem beſtimmten allgemeinen Merkmale,
eine bloße Folge in der Zeit von einer Folge aus der Kraft zu unterſcheiden.

§. 17.

Das haͤufige und wiederholte Beieinanderſeyn berechtigt uns erſt, die
Verbindung zweier Erſcheinungen, als Urſach und Wirkung, nur zu vermuthen.
Je oͤfterer es ſich wiederholt, deſto mehr ſteigt die Wahrſcheinlichkeit dieſer Verbin-
dung, und wird endlich zur moraliſchen Gewißheit fuͤr uns, welche jedoch aufhoͤrt
es zu ſeyn, wenn nur ein einziges Mal das eine ohne das andere erſcheint. Dann
duͤrfen wir wenigſtens das eine nicht fuͤr die alleinige Urſach oder Wirkung des
anderen halten.

§. 18.

Die meiſten Erſcheinungen aber, ſo wie wir ſie in ihrem ganzen Complexus
wahrnehmen, ſind nicht die Wirkung einer, ſondern oft mannigfaltig zuſammenge-
ſetzter und ſich vereinigender Urſachen. Wenn deren neun beiſammen ſind, und die
zehnte fehlt, ſo erfolgt auch die Wirkung nicht, oft die ganz entgegengeſetzte.

Um eine vollſtaͤndige Kornaͤhre hervorzubringen, wird erfordert:

1) ein geſundes Samenkorn mit unbeſchaͤdigtem Keime;
2) Erde, die gelockert und wohl vorbereitet iſt;
3) Feuchtigkeit im gehoͤrigen Maaße, weder zu viel noch zu wenig;
4) Waͤrme im gehoͤrigen Grade.

Dies wußte jeder, aber nun weiß man, daß auch erfordert werde:

5) Luft, denn im luftleeren Raume entwickelt ſich kein Keim;
6) Sauerſtoff in gehoͤrigen Verhaͤltniſſen, denn in einer Luft, wo dieſer fehlt,
entwickelt ſich ebenfalls der Keim nicht;
7) Kohlenſtoff, denn ohne dieſen kommt die Pflanze nur zur Bluͤthe, nicht
zur Samenbildung;
8) Licht, denn ohne ſolches erkrankt die Pflanze, und ſtirbt ab vor der Reife.

Es iſt alſo das Hinzutreten aller dieſer Stoffe und Potenzen, und vielleicht vie-
ler anderen noͤthig, um jene Wirkung oder Aehre, und ihr gerechtes Verhaͤltniß,
um eine vollkommne hervorzubringen. Ihr Mißrathen kann an dem Mangel
des einen oder des anderen liegen.


§. 19.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0038" n="8"/><fw place="top" type="header">Begru&#x0364;ndung der Lehre.</fw><lb/><hi rendition="#aq">propter hoc.</hi>) Auch fehlt es leider! an einem be&#x017F;timmten allgemeinen Merkmale,<lb/>
eine bloße Folge in der Zeit von einer Folge aus der Kraft zu unter&#x017F;cheiden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 17.</head><lb/>
            <p>Das <hi rendition="#g">ha&#x0364;ufige</hi> und <hi rendition="#g">wiederholte</hi> Beieinander&#x017F;eyn berechtigt uns er&#x017F;t, die<lb/>
Verbindung zweier Er&#x017F;cheinungen, als Ur&#x017F;ach und Wirkung, nur zu vermuthen.<lb/>
Je o&#x0364;fterer es &#x017F;ich wiederholt, de&#x017F;to mehr &#x017F;teigt die Wahr&#x017F;cheinlichkeit die&#x017F;er Verbin-<lb/>
dung, und wird endlich zur morali&#x017F;chen Gewißheit fu&#x0364;r uns, welche jedoch aufho&#x0364;rt<lb/>
es zu &#x017F;eyn, wenn nur ein einziges Mal das eine ohne das andere er&#x017F;cheint. Dann<lb/>
du&#x0364;rfen wir wenig&#x017F;tens das eine nicht fu&#x0364;r die <hi rendition="#g">alleinige</hi> Ur&#x017F;ach oder Wirkung des<lb/>
anderen halten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 18.</head><lb/>
            <p>Die mei&#x017F;ten Er&#x017F;cheinungen aber, &#x017F;o wie wir &#x017F;ie in ihrem ganzen Complexus<lb/>
wahrnehmen, &#x017F;ind nicht die Wirkung einer, &#x017F;ondern oft mannigfaltig zu&#x017F;ammenge-<lb/>
&#x017F;etzter und &#x017F;ich vereinigender Ur&#x017F;achen. Wenn deren neun bei&#x017F;ammen &#x017F;ind, und die<lb/>
zehnte fehlt, &#x017F;o erfolgt auch die Wirkung nicht, oft die ganz entgegenge&#x017F;etzte.</p><lb/>
            <p>Um eine voll&#x017F;ta&#x0364;ndige Korna&#x0364;hre hervorzubringen, wird erfordert:</p><lb/>
            <list>
              <item>1) ein ge&#x017F;undes Samenkorn mit unbe&#x017F;cha&#x0364;digtem Keime;</item><lb/>
              <item>2) Erde, die gelockert und wohl vorbereitet i&#x017F;t;</item><lb/>
              <item>3) Feuchtigkeit im geho&#x0364;rigen Maaße, weder zu viel noch zu wenig;</item><lb/>
              <item>4) Wa&#x0364;rme im geho&#x0364;rigen Grade.</item>
            </list><lb/>
            <p>Dies wußte jeder, aber nun weiß man, daß auch erfordert werde:</p><lb/>
            <list>
              <item>5) Luft, denn im luftleeren Raume entwickelt &#x017F;ich kein Keim;</item><lb/>
              <item>6) Sauer&#x017F;toff in geho&#x0364;rigen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en, denn in einer Luft, wo die&#x017F;er fehlt,<lb/>
entwickelt &#x017F;ich ebenfalls der Keim nicht;</item><lb/>
              <item>7) Kohlen&#x017F;toff, denn ohne die&#x017F;en kommt die Pflanze nur zur Blu&#x0364;the, nicht<lb/>
zur Samenbildung;</item><lb/>
              <item>8) Licht, denn ohne &#x017F;olches erkrankt die Pflanze, und &#x017F;tirbt ab vor der Reife.</item>
            </list><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t al&#x017F;o das Hinzutreten aller die&#x017F;er Stoffe und Potenzen, und vielleicht vie-<lb/>
ler anderen no&#x0364;thig, um jene Wirkung oder Aehre, und ihr gerechtes Verha&#x0364;ltniß,<lb/>
um eine <hi rendition="#g">vollkommne</hi> hervorzubringen. Ihr Mißrathen kann an dem Mangel<lb/>
des einen oder des anderen liegen.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 19.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0038] Begruͤndung der Lehre. propter hoc.) Auch fehlt es leider! an einem beſtimmten allgemeinen Merkmale, eine bloße Folge in der Zeit von einer Folge aus der Kraft zu unterſcheiden. §. 17. Das haͤufige und wiederholte Beieinanderſeyn berechtigt uns erſt, die Verbindung zweier Erſcheinungen, als Urſach und Wirkung, nur zu vermuthen. Je oͤfterer es ſich wiederholt, deſto mehr ſteigt die Wahrſcheinlichkeit dieſer Verbin- dung, und wird endlich zur moraliſchen Gewißheit fuͤr uns, welche jedoch aufhoͤrt es zu ſeyn, wenn nur ein einziges Mal das eine ohne das andere erſcheint. Dann duͤrfen wir wenigſtens das eine nicht fuͤr die alleinige Urſach oder Wirkung des anderen halten. §. 18. Die meiſten Erſcheinungen aber, ſo wie wir ſie in ihrem ganzen Complexus wahrnehmen, ſind nicht die Wirkung einer, ſondern oft mannigfaltig zuſammenge- ſetzter und ſich vereinigender Urſachen. Wenn deren neun beiſammen ſind, und die zehnte fehlt, ſo erfolgt auch die Wirkung nicht, oft die ganz entgegengeſetzte. Um eine vollſtaͤndige Kornaͤhre hervorzubringen, wird erfordert: 1) ein geſundes Samenkorn mit unbeſchaͤdigtem Keime; 2) Erde, die gelockert und wohl vorbereitet iſt; 3) Feuchtigkeit im gehoͤrigen Maaße, weder zu viel noch zu wenig; 4) Waͤrme im gehoͤrigen Grade. Dies wußte jeder, aber nun weiß man, daß auch erfordert werde: 5) Luft, denn im luftleeren Raume entwickelt ſich kein Keim; 6) Sauerſtoff in gehoͤrigen Verhaͤltniſſen, denn in einer Luft, wo dieſer fehlt, entwickelt ſich ebenfalls der Keim nicht; 7) Kohlenſtoff, denn ohne dieſen kommt die Pflanze nur zur Bluͤthe, nicht zur Samenbildung; 8) Licht, denn ohne ſolches erkrankt die Pflanze, und ſtirbt ab vor der Reife. Es iſt alſo das Hinzutreten aller dieſer Stoffe und Potenzen, und vielleicht vie- ler anderen noͤthig, um jene Wirkung oder Aehre, und ihr gerechtes Verhaͤltniß, um eine vollkommne hervorzubringen. Ihr Mißrathen kann an dem Mangel des einen oder des anderen liegen. §. 19.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/38
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/38>, abgerufen am 21.11.2024.