Gesetzgebung eindringen. Es ist ein tödtender Zirkelschluß, wenn man sagt: bei der jetzigen Einrichtung ist ein verbessertes Wirthschaftssystem nicht vortheilhaft, und weil das System nicht vortheilhaft ist, so verlohnt sich's nicht der Mühe, jene Einrichtung abzuändern! -- Dennoch hört man täglich Geschäftsmänner nach dieser Schluß- form raisonniren.
§. 318.
Zerstückelung des Land- eigenthums.Die Einrichtungen, welche die Veränderungen dieses Systemes erschweren und sie dem Einzelnen oft unmöglich machen, bestehen hauptsächlich in der Zerstückelung jedes Landeigenthums, die sich auf dieses System gründet, und das System so lange unabänderlich erhalten hat. Ein jedes Gut hat nicht nur eine mehrentheils gleiche Ackerfläche in jedem Drittheile, worin die ganze Flur eingetheilt ist, liegen, sondern es sind auch die zu jedem Gute gehörigen Aecker noch in demselben Theile der Feldflur, in größern oder kleinern Stücken, wunderbar getrennt und vermengt. Hieraus folgt die Nothwendigkeit für jeden, die einmal festgesetzte Ordnung in der Bestellung dieser Felder zu befolgen; theils weil nach jedem einzelnen Stücke keine Wege hingehn, und sie so auf- und durcheinander stoßen, daß durch die Pflugwendungen des andern Saat leiden würde, wenn jeder nach Gefallen sein Stück bestellen wollte; hauptsäch- lich aber, weil bis zur allgemeinen Bestellungszeit und unmittelbar nach vollbrachter Ernte, oft schon, wenn die Hocken noch auf dem Felde stehen, eine gemeinschaftliche Behütung des ganzen Theils der Feldflur durch allerlei Vieh der sämmtlichen Inter- essenten, (wozu häufig auch die einer benachbarten Gemeinde und andere, die gar kein Ackerland haben, gehören,) eintritt; das Brachfeld aber derselben das ganze Jahr hindurch unterworfen bleibt. Diese Einrichtung ist gleich alt mit dem Systeme selbst, und gründete sich darauf, daß jeder einzelne Eigenthümer die Weide seines Ackers einzeln nicht benutzen konnte, ohne dem andern Schaden zu thun. Diese Stoppel- und Brachweide ist bei der Vermehrung des Ackerlandes und Verminderung der übrigen Weide ein immer größeres Bedürfniß geworden, weil ohne selbige das Vieh den Sommer hindurch gar nicht erhalten werden kann. Deshalb wird über jede Verminderung oder Beeinträchtigung derselben von jedem Interessenten und den Vorstehern der Gemeinheiten eifersüchtig gewacht.
Also konnte diese, aus der niedrigen Stufe der Kultur sich herstammende und fast allgemein verbreitete Einrichtung, auch bei der entstandenen Erkenntniß einer
Das Felderſyſtem.
Geſetzgebung eindringen. Es iſt ein toͤdtender Zirkelſchluß, wenn man ſagt: bei der jetzigen Einrichtung iſt ein verbeſſertes Wirthſchaftsſyſtem nicht vortheilhaft, und weil das Syſtem nicht vortheilhaft iſt, ſo verlohnt ſich’s nicht der Muͤhe, jene Einrichtung abzuaͤndern! — Dennoch hoͤrt man taͤglich Geſchaͤftsmaͤnner nach dieſer Schluß- form raiſonniren.
§. 318.
Zerſtuͤckelung des Land- eigenthums.Die Einrichtungen, welche die Veraͤnderungen dieſes Syſtemes erſchweren und ſie dem Einzelnen oft unmoͤglich machen, beſtehen hauptſaͤchlich in der Zerſtuͤckelung jedes Landeigenthums, die ſich auf dieſes Syſtem gruͤndet, und das Syſtem ſo lange unabaͤnderlich erhalten hat. Ein jedes Gut hat nicht nur eine mehrentheils gleiche Ackerflaͤche in jedem Drittheile, worin die ganze Flur eingetheilt iſt, liegen, ſondern es ſind auch die zu jedem Gute gehoͤrigen Aecker noch in demſelben Theile der Feldflur, in groͤßern oder kleinern Stuͤcken, wunderbar getrennt und vermengt. Hieraus folgt die Nothwendigkeit fuͤr jeden, die einmal feſtgeſetzte Ordnung in der Beſtellung dieſer Felder zu befolgen; theils weil nach jedem einzelnen Stuͤcke keine Wege hingehn, und ſie ſo auf- und durcheinander ſtoßen, daß durch die Pflugwendungen des andern Saat leiden wuͤrde, wenn jeder nach Gefallen ſein Stuͤck beſtellen wollte; hauptſaͤch- lich aber, weil bis zur allgemeinen Beſtellungszeit und unmittelbar nach vollbrachter Ernte, oft ſchon, wenn die Hocken noch auf dem Felde ſtehen, eine gemeinſchaftliche Behuͤtung des ganzen Theils der Feldflur durch allerlei Vieh der ſaͤmmtlichen Inter- eſſenten, (wozu haͤufig auch die einer benachbarten Gemeinde und andere, die gar kein Ackerland haben, gehoͤren,) eintritt; das Brachfeld aber derſelben das ganze Jahr hindurch unterworfen bleibt. Dieſe Einrichtung iſt gleich alt mit dem Syſteme ſelbſt, und gruͤndete ſich darauf, daß jeder einzelne Eigenthuͤmer die Weide ſeines Ackers einzeln nicht benutzen konnte, ohne dem andern Schaden zu thun. Dieſe Stoppel- und Brachweide iſt bei der Vermehrung des Ackerlandes und Verminderung der uͤbrigen Weide ein immer groͤßeres Beduͤrfniß geworden, weil ohne ſelbige das Vieh den Sommer hindurch gar nicht erhalten werden kann. Deshalb wird uͤber jede Verminderung oder Beeintraͤchtigung derſelben von jedem Intereſſenten und den Vorſtehern der Gemeinheiten eiferſuͤchtig gewacht.
Alſo konnte dieſe, aus der niedrigen Stufe der Kultur ſich herſtammende und faſt allgemein verbreitete Einrichtung, auch bei der entſtandenen Erkenntniß einer
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Das Felderſyſtem.
Geſetzgebung eindringen. Es iſt ein toͤdtender Zirkelſchluß, wenn man ſagt: bei der
jetzigen Einrichtung iſt ein verbeſſertes Wirthſchaftsſyſtem nicht vortheilhaft, und weil
das Syſtem nicht vortheilhaft iſt, ſo verlohnt ſich’s nicht der Muͤhe, jene Einrichtung
abzuaͤndern! — Dennoch hoͤrt man taͤglich Geſchaͤftsmaͤnner nach dieſer Schluß-
form raiſonniren.
§. 318.
Die Einrichtungen, welche die Veraͤnderungen dieſes Syſtemes erſchweren und
ſie dem Einzelnen oft unmoͤglich machen, beſtehen hauptſaͤchlich in der Zerſtuͤckelung
jedes Landeigenthums, die ſich auf dieſes Syſtem gruͤndet, und das Syſtem ſo lange
unabaͤnderlich erhalten hat. Ein jedes Gut hat nicht nur eine mehrentheils gleiche
Ackerflaͤche in jedem Drittheile, worin die ganze Flur eingetheilt iſt, liegen, ſondern
es ſind auch die zu jedem Gute gehoͤrigen Aecker noch in demſelben Theile der Feldflur,
in groͤßern oder kleinern Stuͤcken, wunderbar getrennt und vermengt. Hieraus folgt
die Nothwendigkeit fuͤr jeden, die einmal feſtgeſetzte Ordnung in der Beſtellung dieſer
Felder zu befolgen; theils weil nach jedem einzelnen Stuͤcke keine Wege hingehn, und
ſie ſo auf- und durcheinander ſtoßen, daß durch die Pflugwendungen des andern
Saat leiden wuͤrde, wenn jeder nach Gefallen ſein Stuͤck beſtellen wollte; hauptſaͤch-
lich aber, weil bis zur allgemeinen Beſtellungszeit und unmittelbar nach vollbrachter
Ernte, oft ſchon, wenn die Hocken noch auf dem Felde ſtehen, eine gemeinſchaftliche
Behuͤtung des ganzen Theils der Feldflur durch allerlei Vieh der ſaͤmmtlichen Inter-
eſſenten, (wozu haͤufig auch die einer benachbarten Gemeinde und andere, die gar
kein Ackerland haben, gehoͤren,) eintritt; das Brachfeld aber derſelben das ganze
Jahr hindurch unterworfen bleibt. Dieſe Einrichtung iſt gleich alt mit dem Syſteme
ſelbſt, und gruͤndete ſich darauf, daß jeder einzelne Eigenthuͤmer die Weide ſeines
Ackers einzeln nicht benutzen konnte, ohne dem andern Schaden zu thun. Dieſe
Stoppel- und Brachweide iſt bei der Vermehrung des Ackerlandes und Verminderung
der uͤbrigen Weide ein immer groͤßeres Beduͤrfniß geworden, weil ohne ſelbige das
Vieh den Sommer hindurch gar nicht erhalten werden kann. Deshalb wird uͤber
jede Verminderung oder Beeintraͤchtigung derſelben von jedem Intereſſenten und den
Vorſtehern der Gemeinheiten eiferſuͤchtig gewacht.
Zerſtuͤckelung
des Land-
eigenthums.
Alſo konnte dieſe, aus der niedrigen Stufe der Kultur ſich herſtammende und
faſt allgemein verbreitete Einrichtung, auch bei der entſtandenen Erkenntniß einer
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/352>, abgerufen am 21.02.2025.
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