zen, wohlhergebrachte Gerechtsame und Servitute stehen damit in innigster Ver- bindung, und das System selbst könne nicht abgeändert werden, ohne diese sämmtlich zu vernichten.
§. 313.
Widerlegung der zur Ver- theidigung desselben an- geführten Gründe: Alterthum und Allge- meinheit des- selben.Diese Gründe verlieren aber ihren Anschein bei näherer Erwägung.
Ad 1. Das Alterthum und die allgemeine Verbreitung dieses Systems hat keinen Zweifel. Es stammt von den Römern her, und diese hatten es in ihren entlegenern Provinzen, besonders denen, woher sie den Getreidebedarf haupt- sächlich nahmen, eingeführt, ungeachtet in dem nähern Umkreise der großen Stadt und dem ganzen stark bevölkerten Theile Italiens nur ein gartenähnlicher Feld- bau mit zweckmäßiger Wechselung der Früchte herrschte. Die römische Geistlich- keit, welche hauptsächlich neben andern Künsten auch die des Ackerbaues unter den rohen Völkern verbreitete, lehrte sie solches als das zweckmäßigste System kennen. Bei ihnen war noch Ueberfluß des Ackers vorhanden, obwohl der vor- malige beliebige Ausbruch des ungetheilten wüsten Landes und das Umherziehen mit den Viehheerden nicht mehr statthaft war.
In Karl des GroßenCapitulare de villis et curtis imperatoris wird die Beobachtung der Dreifelder seinen Beamten bestimmt vorgeschrieben. Kein Wunder also, daß in Zeiten, wo Autorität alles galt, und der Verstand sich jeder positiven Vorschrift blindlings unterwarf, dieses System sich durch die christliche Welt so allgemein verbreitete, und daß die gesetzlichen Einrichtungen des Eigen- thums sowohl als der Feldpolizey sich ganz auf solches bezogen. Daß in nachmali- gen finstern und unruhigen Zeiten, wo der Ackerbau allein in den Händen des in Stupidität und Sclaverei versunkenen Bauers, unter der Aufsicht der niedern Klassen der Freigelassenen sich befand, nichts darin abgeändert wurde, ist natür- lich. Das Herkommen herrschte lange mit unwiderstehlicher Gewalt über Künste und Wissenschaften, und der leiseste Zweifel gegen seine Vernunftmäßigkeit ward als Ketzerei in jedem Fache betrachtet. Daher ist auch erst in den neuesten Zeiten die Frage über die allgemeine Vernunftmäßigkeit dieses Systems in Anregung ge- bracht worden, und es waren nur einige kleine Flecke des Erdbodens in den Nieder- landen, in Hollstein und einigen Grafschaften Englands, wo ein anderes System des Feldbaues sich auf andere Weise früher ausgebildet hatte. Genug um den
Das Felderſyſtem.
zen, wohlhergebrachte Gerechtſame und Servitute ſtehen damit in innigſter Ver- bindung, und das Syſtem ſelbſt koͤnne nicht abgeaͤndert werden, ohne dieſe ſaͤmmtlich zu vernichten.
§. 313.
Widerlegung der zur Ver- theidigung deſſelben an- gefuͤhrten Gruͤnde: Alterthum und Allge- meinheit deſ- ſelben.Dieſe Gruͤnde verlieren aber ihren Anſchein bei naͤherer Erwaͤgung.
Ad 1. Das Alterthum und die allgemeine Verbreitung dieſes Syſtems hat keinen Zweifel. Es ſtammt von den Roͤmern her, und dieſe hatten es in ihren entlegenern Provinzen, beſonders denen, woher ſie den Getreidebedarf haupt- ſaͤchlich nahmen, eingefuͤhrt, ungeachtet in dem naͤhern Umkreiſe der großen Stadt und dem ganzen ſtark bevoͤlkerten Theile Italiens nur ein gartenaͤhnlicher Feld- bau mit zweckmaͤßiger Wechſelung der Fruͤchte herrſchte. Die roͤmiſche Geiſtlich- keit, welche hauptſaͤchlich neben andern Kuͤnſten auch die des Ackerbaues unter den rohen Voͤlkern verbreitete, lehrte ſie ſolches als das zweckmaͤßigſte Syſtem kennen. Bei ihnen war noch Ueberfluß des Ackers vorhanden, obwohl der vor- malige beliebige Ausbruch des ungetheilten wuͤſten Landes und das Umherziehen mit den Viehheerden nicht mehr ſtatthaft war.
In Karl des GroßenCapitulare de villis et curtis imperatoris wird die Beobachtung der Dreifelder ſeinen Beamten beſtimmt vorgeſchrieben. Kein Wunder alſo, daß in Zeiten, wo Autoritaͤt alles galt, und der Verſtand ſich jeder poſitiven Vorſchrift blindlings unterwarf, dieſes Syſtem ſich durch die chriſtliche Welt ſo allgemein verbreitete, und daß die geſetzlichen Einrichtungen des Eigen- thums ſowohl als der Feldpolizey ſich ganz auf ſolches bezogen. Daß in nachmali- gen finſtern und unruhigen Zeiten, wo der Ackerbau allein in den Haͤnden des in Stupiditaͤt und Sclaverei verſunkenen Bauers, unter der Aufſicht der niedern Klaſſen der Freigelaſſenen ſich befand, nichts darin abgeaͤndert wurde, iſt natuͤr- lich. Das Herkommen herrſchte lange mit unwiderſtehlicher Gewalt uͤber Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, und der leiſeſte Zweifel gegen ſeine Vernunftmaͤßigkeit ward als Ketzerei in jedem Fache betrachtet. Daher iſt auch erſt in den neueſten Zeiten die Frage uͤber die allgemeine Vernunftmaͤßigkeit dieſes Syſtems in Anregung ge- bracht worden, und es waren nur einige kleine Flecke des Erdbodens in den Nieder- landen, in Hollſtein und einigen Grafſchaften Englands, wo ein anderes Syſtem des Feldbaues ſich auf andere Weiſe fruͤher ausgebildet hatte. Genug um den
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Das Felderſyſtem.
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bindung, und das Syſtem ſelbſt koͤnne nicht abgeaͤndert werden, ohne dieſe
ſaͤmmtlich zu vernichten.
§. 313.
Dieſe Gruͤnde verlieren aber ihren Anſchein bei naͤherer Erwaͤgung.
Widerlegung
der zur Ver-
theidigung
deſſelben an-
gefuͤhrten
Gruͤnde:
Alterthum
und Allge-
meinheit deſ-
ſelben.
Ad 1. Das Alterthum und die allgemeine Verbreitung dieſes Syſtems hat
keinen Zweifel. Es ſtammt von den Roͤmern her, und dieſe hatten es in ihren
entlegenern Provinzen, beſonders denen, woher ſie den Getreidebedarf haupt-
ſaͤchlich nahmen, eingefuͤhrt, ungeachtet in dem naͤhern Umkreiſe der großen Stadt
und dem ganzen ſtark bevoͤlkerten Theile Italiens nur ein gartenaͤhnlicher Feld-
bau mit zweckmaͤßiger Wechſelung der Fruͤchte herrſchte. Die roͤmiſche Geiſtlich-
keit, welche hauptſaͤchlich neben andern Kuͤnſten auch die des Ackerbaues unter den
rohen Voͤlkern verbreitete, lehrte ſie ſolches als das zweckmaͤßigſte Syſtem
kennen. Bei ihnen war noch Ueberfluß des Ackers vorhanden, obwohl der vor-
malige beliebige Ausbruch des ungetheilten wuͤſten Landes und das Umherziehen
mit den Viehheerden nicht mehr ſtatthaft war.
In Karl des Großen Capitulare de villis et curtis imperatoris wird die
Beobachtung der Dreifelder ſeinen Beamten beſtimmt vorgeſchrieben. Kein
Wunder alſo, daß in Zeiten, wo Autoritaͤt alles galt, und der Verſtand ſich jeder
poſitiven Vorſchrift blindlings unterwarf, dieſes Syſtem ſich durch die chriſtliche
Welt ſo allgemein verbreitete, und daß die geſetzlichen Einrichtungen des Eigen-
thums ſowohl als der Feldpolizey ſich ganz auf ſolches bezogen. Daß in nachmali-
gen finſtern und unruhigen Zeiten, wo der Ackerbau allein in den Haͤnden des in
Stupiditaͤt und Sclaverei verſunkenen Bauers, unter der Aufſicht der niedern
Klaſſen der Freigelaſſenen ſich befand, nichts darin abgeaͤndert wurde, iſt natuͤr-
lich. Das Herkommen herrſchte lange mit unwiderſtehlicher Gewalt uͤber Kuͤnſte
und Wiſſenſchaften, und der leiſeſte Zweifel gegen ſeine Vernunftmaͤßigkeit ward
als Ketzerei in jedem Fache betrachtet. Daher iſt auch erſt in den neueſten Zeiten
die Frage uͤber die allgemeine Vernunftmaͤßigkeit dieſes Syſtems in Anregung ge-
bracht worden, und es waren nur einige kleine Flecke des Erdbodens in den Nieder-
landen, in Hollſtein und einigen Grafſchaften Englands, wo ein anderes Syſtem
des Feldbaues ſich auf andere Weiſe fruͤher ausgebildet hatte. Genug um den
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/348>, abgerufen am 21.02.2025.
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