Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Feldersystem.
§. 307.

Durch jenes Schubartsche System ward nun der längst geführteStreit über
die Entbehr-
lichkeit der
reinen Brache.

Streit über die Nothwendigkeit und Entbehrlichkeit der Brache
aufs lebhafteste erneuert, und diese Frage schien einen langen Zeitraum hindurch
die wichtigste unter allen, so daß unzählige Ballen Papier verschwendet worden,
ohne daß jedoch die Sache zu irgend einem Resultate gekommen wäre.

Da diese Frage sich hauptsächlich auf dieses System bezieht, so wählen wir
diese Gelegenheit, um sie auseinander zu setzen.

§. 308.

Sie ist hauptsächlich dadurch verdunkelt worden, daß man keinen bestimmtenWas unter
Brache zu
verstehen sey?

Begriff mit dem Worte verband. Das Wort kommt ohne Zweifel von brechen
her, und Brache hieß derjenige Zustand des Landes, worin das Land einen
ganzen Sommer, oder noch besser ein ganzes Jahr hindurch, durch häufiges Um-
ackern gebrochen und zertrümmert wurde, um es zu den künftigen Saaten auf das
vollkommenste vorzubereiten: eine Operation, die schon von den römischen Schrift-
stellern über den Ackerbau ausführlich gelehrt, unter gewissen Bedingungen als
nothwendig empfohlen wurde, so daß sie auch für jede besondere Furche einen be-
sondern Ausdruck hatten; die erste fringero, die zweite vertere, die dritte infrin-
gere,
die vierte revertero, die fünfte refringere, und die sechste oder Saat-
furche lirare nannten, eben so wie wir solche auch mit verschiedenen Ausdrücken
bezeichnen. Man hat das Wort aber auch in einem ganz anderen Sinne genom-
men. Weil man nämlich den Acker fehlerhaft und gegen die Bestimmung des
Brachjahres aus Nachlässigkeit oder wegen Mangel an Weide bis in den Junius,
welcher daher Brachmonat heißt, oft aber noch fehlerhafter bis in den August
hinein ungerührt liegen ließ, und ihn dennoch Brachacker nannte, so hat man
allmählig auch einen falschen Sinn untergeschoben, und ruhendes zur Weide lie-
gendes Land Brache genannt; wodurch dann bei diesem Streite über die Brache
widersinniges Mißverständniß sich eingeschlichen hat.

Es muß das Wort also nothwendig in seinem wahren eigenthümlichen und
ursprünglichem Sinne genommen werden, und Brachen heißt, den Acker ohne
ihn im Brachjahre eine Ernte abzunehmen, durch wiederholtes Pflügen im Som-
mer zur künftigen Saat vorbereiten, und nur vom Umbruch der ersten Furche an

Das Felderſyſtem.
§. 307.

Durch jenes Schubartſche Syſtem ward nun der laͤngſt gefuͤhrteStreit uͤber
die Entbehr-
lichkeit der
reinen Brache.

Streit uͤber die Nothwendigkeit und Entbehrlichkeit der Brache
aufs lebhafteſte erneuert, und dieſe Frage ſchien einen langen Zeitraum hindurch
die wichtigſte unter allen, ſo daß unzaͤhlige Ballen Papier verſchwendet worden,
ohne daß jedoch die Sache zu irgend einem Reſultate gekommen waͤre.

Da dieſe Frage ſich hauptſaͤchlich auf dieſes Syſtem bezieht, ſo waͤhlen wir
dieſe Gelegenheit, um ſie auseinander zu ſetzen.

§. 308.

Sie iſt hauptſaͤchlich dadurch verdunkelt worden, daß man keinen beſtimmtenWas unter
Brache zu
verſtehen ſey?

Begriff mit dem Worte verband. Das Wort kommt ohne Zweifel von brechen
her, und Brache hieß derjenige Zuſtand des Landes, worin das Land einen
ganzen Sommer, oder noch beſſer ein ganzes Jahr hindurch, durch haͤufiges Um-
ackern gebrochen und zertruͤmmert wurde, um es zu den kuͤnftigen Saaten auf das
vollkommenſte vorzubereiten: eine Operation, die ſchon von den roͤmiſchen Schrift-
ſtellern uͤber den Ackerbau ausfuͤhrlich gelehrt, unter gewiſſen Bedingungen als
nothwendig empfohlen wurde, ſo daß ſie auch fuͤr jede beſondere Furche einen be-
ſondern Ausdruck hatten; die erſte fringero, die zweite vertere, die dritte infrin-
gere,
die vierte revertero, die fuͤnfte refringere, und die ſechſte oder Saat-
furche lirare nannten, eben ſo wie wir ſolche auch mit verſchiedenen Ausdruͤcken
bezeichnen. Man hat das Wort aber auch in einem ganz anderen Sinne genom-
men. Weil man naͤmlich den Acker fehlerhaft und gegen die Beſtimmung des
Brachjahres aus Nachlaͤſſigkeit oder wegen Mangel an Weide bis in den Junius,
welcher daher Brachmonat heißt, oft aber noch fehlerhafter bis in den Auguſt
hinein ungeruͤhrt liegen ließ, und ihn dennoch Brachacker nannte, ſo hat man
allmaͤhlig auch einen falſchen Sinn untergeſchoben, und ruhendes zur Weide lie-
gendes Land Brache genannt; wodurch dann bei dieſem Streite uͤber die Brache
widerſinniges Mißverſtaͤndniß ſich eingeſchlichen hat.

Es muß das Wort alſo nothwendig in ſeinem wahren eigenthuͤmlichen und
urſpruͤnglichem Sinne genommen werden, und Brachen heißt, den Acker ohne
ihn im Brachjahre eine Ernte abzunehmen, durch wiederholtes Pfluͤgen im Som-
mer zur kuͤnftigen Saat vorbereiten, und nur vom Umbruch der erſten Furche an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0341" n="295"/>
          <fw place="top" type="header">Das Felder&#x017F;y&#x017F;tem.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 307.</head><lb/>
            <p>Durch jenes <hi rendition="#g">Schubart&#x017F;che Sy&#x017F;tem</hi> ward nun der la&#x0364;ng&#x017F;t gefu&#x0364;hrte<note place="right">Streit u&#x0364;ber<lb/>
die Entbehr-<lb/>
lichkeit der<lb/>
reinen Brache.</note><lb/>
Streit u&#x0364;ber die <hi rendition="#g">Nothwendigkeit</hi> und <hi rendition="#g">Entbehrlichkeit der Brache</hi><lb/>
aufs lebhafte&#x017F;te erneuert, und die&#x017F;e Frage &#x017F;chien einen langen Zeitraum hindurch<lb/>
die wichtig&#x017F;te unter allen, &#x017F;o daß unza&#x0364;hlige Ballen Papier ver&#x017F;chwendet worden,<lb/>
ohne daß jedoch die Sache zu irgend einem Re&#x017F;ultate gekommen wa&#x0364;re.</p><lb/>
            <p>Da die&#x017F;e Frage &#x017F;ich haupt&#x017F;a&#x0364;chlich auf die&#x017F;es Sy&#x017F;tem bezieht, &#x017F;o wa&#x0364;hlen wir<lb/>
die&#x017F;e Gelegenheit, um &#x017F;ie auseinander zu &#x017F;etzen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 308.</head><lb/>
            <p>Sie i&#x017F;t haupt&#x017F;a&#x0364;chlich dadurch verdunkelt worden, daß man keinen be&#x017F;timmten<note place="right">Was unter<lb/>
Brache zu<lb/>
ver&#x017F;tehen &#x017F;ey?</note><lb/>
Begriff mit dem Worte verband. Das Wort kommt ohne Zweifel von <hi rendition="#g">brechen</hi><lb/>
her, und <hi rendition="#g">Brache</hi> hieß derjenige Zu&#x017F;tand des Landes, worin das Land einen<lb/>
ganzen Sommer, oder noch be&#x017F;&#x017F;er ein ganzes Jahr hindurch, durch ha&#x0364;ufiges Um-<lb/>
ackern gebrochen und zertru&#x0364;mmert wurde, um es zu den ku&#x0364;nftigen Saaten auf das<lb/>
vollkommen&#x017F;te vorzubereiten: eine Operation, die &#x017F;chon von den ro&#x0364;mi&#x017F;chen Schrift-<lb/>
&#x017F;tellern u&#x0364;ber den Ackerbau ausfu&#x0364;hrlich gelehrt, unter gewi&#x017F;&#x017F;en Bedingungen als<lb/>
nothwendig empfohlen wurde, &#x017F;o daß &#x017F;ie auch fu&#x0364;r jede be&#x017F;ondere Furche einen be-<lb/>
&#x017F;ondern Ausdruck hatten; die er&#x017F;te <hi rendition="#aq">fringero,</hi> die zweite <hi rendition="#aq">vertere,</hi> die dritte <hi rendition="#aq">infrin-<lb/>
gere,</hi> die vierte <hi rendition="#aq">revertero,</hi> die fu&#x0364;nfte <hi rendition="#aq">refringere,</hi> und die &#x017F;ech&#x017F;te oder Saat-<lb/>
furche <hi rendition="#aq">lirare</hi> nannten, eben &#x017F;o wie wir &#x017F;olche auch mit ver&#x017F;chiedenen Ausdru&#x0364;cken<lb/>
bezeichnen. Man hat das Wort aber auch in einem ganz anderen Sinne genom-<lb/>
men. Weil man na&#x0364;mlich den Acker <hi rendition="#g">fehlerhaft</hi> und gegen die Be&#x017F;timmung des<lb/>
Brachjahres aus Nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit oder wegen Mangel an Weide bis in den Junius,<lb/>
welcher daher <hi rendition="#g">Brachmonat</hi> heißt, oft aber noch fehlerhafter bis in den Augu&#x017F;t<lb/>
hinein ungeru&#x0364;hrt liegen ließ, und ihn dennoch <hi rendition="#g">Brachacker</hi> nannte, &#x017F;o hat man<lb/>
allma&#x0364;hlig auch einen fal&#x017F;chen Sinn unterge&#x017F;choben, und ruhendes zur Weide lie-<lb/>
gendes Land Brache genannt; wodurch dann bei die&#x017F;em Streite u&#x0364;ber die Brache<lb/>
wider&#x017F;inniges Mißver&#x017F;ta&#x0364;ndniß &#x017F;ich einge&#x017F;chlichen hat.</p><lb/>
            <p>Es muß das Wort al&#x017F;o nothwendig in &#x017F;einem wahren eigenthu&#x0364;mlichen und<lb/>
ur&#x017F;pru&#x0364;nglichem Sinne genommen werden, und <hi rendition="#g">Brachen</hi> heißt, den Acker ohne<lb/>
ihn im Brachjahre eine Ernte abzunehmen, durch wiederholtes Pflu&#x0364;gen im Som-<lb/>
mer zur ku&#x0364;nftigen Saat vorbereiten, und nur vom Umbruch der er&#x017F;ten Furche an<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0341] Das Felderſyſtem. §. 307. Durch jenes Schubartſche Syſtem ward nun der laͤngſt gefuͤhrte Streit uͤber die Nothwendigkeit und Entbehrlichkeit der Brache aufs lebhafteſte erneuert, und dieſe Frage ſchien einen langen Zeitraum hindurch die wichtigſte unter allen, ſo daß unzaͤhlige Ballen Papier verſchwendet worden, ohne daß jedoch die Sache zu irgend einem Reſultate gekommen waͤre. Streit uͤber die Entbehr- lichkeit der reinen Brache. Da dieſe Frage ſich hauptſaͤchlich auf dieſes Syſtem bezieht, ſo waͤhlen wir dieſe Gelegenheit, um ſie auseinander zu ſetzen. §. 308. Sie iſt hauptſaͤchlich dadurch verdunkelt worden, daß man keinen beſtimmten Begriff mit dem Worte verband. Das Wort kommt ohne Zweifel von brechen her, und Brache hieß derjenige Zuſtand des Landes, worin das Land einen ganzen Sommer, oder noch beſſer ein ganzes Jahr hindurch, durch haͤufiges Um- ackern gebrochen und zertruͤmmert wurde, um es zu den kuͤnftigen Saaten auf das vollkommenſte vorzubereiten: eine Operation, die ſchon von den roͤmiſchen Schrift- ſtellern uͤber den Ackerbau ausfuͤhrlich gelehrt, unter gewiſſen Bedingungen als nothwendig empfohlen wurde, ſo daß ſie auch fuͤr jede beſondere Furche einen be- ſondern Ausdruck hatten; die erſte fringero, die zweite vertere, die dritte infrin- gere, die vierte revertero, die fuͤnfte refringere, und die ſechſte oder Saat- furche lirare nannten, eben ſo wie wir ſolche auch mit verſchiedenen Ausdruͤcken bezeichnen. Man hat das Wort aber auch in einem ganz anderen Sinne genom- men. Weil man naͤmlich den Acker fehlerhaft und gegen die Beſtimmung des Brachjahres aus Nachlaͤſſigkeit oder wegen Mangel an Weide bis in den Junius, welcher daher Brachmonat heißt, oft aber noch fehlerhafter bis in den Auguſt hinein ungeruͤhrt liegen ließ, und ihn dennoch Brachacker nannte, ſo hat man allmaͤhlig auch einen falſchen Sinn untergeſchoben, und ruhendes zur Weide lie- gendes Land Brache genannt; wodurch dann bei dieſem Streite uͤber die Brache widerſinniges Mißverſtaͤndniß ſich eingeſchlichen hat. Was unter Brache zu verſtehen ſey? Es muß das Wort alſo nothwendig in ſeinem wahren eigenthuͤmlichen und urſpruͤnglichem Sinne genommen werden, und Brachen heißt, den Acker ohne ihn im Brachjahre eine Ernte abzunehmen, durch wiederholtes Pfluͤgen im Som- mer zur kuͤnftigen Saat vorbereiten, und nur vom Umbruch der erſten Furche an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/341
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/341>, abgerufen am 22.12.2024.