durch höheren Fruchtbau, doch, ohne diesen im Ertrage zu schmälern, durch stär- kere Viehnutzung zu einem noch höhern Ertrage zu bringen sey.
In Ländern, wo ein Ueberfluß von wildem aber reichem Weidelande und da- bei zureichender Acker, um dem Volke seinen Bedarf an Getreide zu geben, vor- handen, Ausfuhr aber schwierig und unbelohnend ist, wie z. B. in den meisten Ge- genden von Ungarn, ist vielleicht kein Wirthschaftssystem im Allgemeinen ange- messener, wie dieses. Je höher aber die Bodenkultur steigt, und je mehreres Land der wilden Natur entrissen und dem Pfluge unterworfen wird, je höher Be- völkerung, Bedarf und Absatz steigt, um desto weniger bleibt es, einzelne Lokali- täten ausgenommen, passend; weil es ihm entweder an dem nöthigen Weidelande schon mangelt, oder dieses doch vortheilhafter benutzt, und das Vieh besser und wohlfeiler ernährt werden kann.
§. 304.
Dieses Ackersystem hat das Uebele vor andern, daß es einmal im Sinken immer tiefer in seinen Verhältnissen herabsinkt, und das Gleichgewicht sich nicht durch Zulegen in die leichte Schaale, sondern nur durch Erleichtern der schweren Schaale herstellen läßt. Es hat in sich selbst keine Hülfsmittel. Da es seinen Dünger größtentheils aus dem Strohe zieht, die Gewinnung desselben unmittel- bar mit verminderter Düngung sich verringert, und weniger gewonnenes Stroh wieder wenigen Dünger giebt, so fällt es immer tiefer, wenn es einmal im Fallen ist. Es ist daher mit diesem Systeme in manchen und gerade in denjenigen Ge- genden, wo man den Getreidebau mit äußerster Anstrengung betrieb, der Acker so tief heruntergekommen, daß es in Jahren, wo die Ernte unter den mittelmäßigen ausfiel, sogleich an Getreide fehlte und auswärtige Zufuhr nöthig wärd.
§. 305.
Man hat es bei diesem Systeme längst als einen großen Fehler anerkannt,Die Brache. daß ein so großer, wie der dritte Theil des Ackers, fast gänzlich unbenutzt bleiben solle, und doch so vielen Aufwand von Arbeit erfordere, vorzüglich da, wo er sei- ner Natur nach am fruchtbarsten ist. Man hat daher schon lange gefragt, ob die Brache so ganz unentbehrlich sey, und ob man diese, wenn gleich mit einigem Ab- schlag in den andern Feldern, nicht dennoch vortheilhafter bestellen könne. Man herief sich auf den Gartenboden, der jährlich trägt, und auch auf die Wirthschaft
O o 2
Das Felderſyſtem.
durch hoͤheren Fruchtbau, doch, ohne dieſen im Ertrage zu ſchmaͤlern, durch ſtaͤr- kere Viehnutzung zu einem noch hoͤhern Ertrage zu bringen ſey.
In Laͤndern, wo ein Ueberfluß von wildem aber reichem Weidelande und da- bei zureichender Acker, um dem Volke ſeinen Bedarf an Getreide zu geben, vor- handen, Ausfuhr aber ſchwierig und unbelohnend iſt, wie z. B. in den meiſten Ge- genden von Ungarn, iſt vielleicht kein Wirthſchaftsſyſtem im Allgemeinen ange- meſſener, wie dieſes. Je hoͤher aber die Bodenkultur ſteigt, und je mehreres Land der wilden Natur entriſſen und dem Pfluge unterworfen wird, je hoͤher Be- voͤlkerung, Bedarf und Abſatz ſteigt, um deſto weniger bleibt es, einzelne Lokali- taͤten ausgenommen, paſſend; weil es ihm entweder an dem noͤthigen Weidelande ſchon mangelt, oder dieſes doch vortheilhafter benutzt, und das Vieh beſſer und wohlfeiler ernaͤhrt werden kann.
§. 304.
Dieſes Ackerſyſtem hat das Uebele vor andern, daß es einmal im Sinken immer tiefer in ſeinen Verhaͤltniſſen herabſinkt, und das Gleichgewicht ſich nicht durch Zulegen in die leichte Schaale, ſondern nur durch Erleichtern der ſchweren Schaale herſtellen laͤßt. Es hat in ſich ſelbſt keine Huͤlfsmittel. Da es ſeinen Duͤnger groͤßtentheils aus dem Strohe zieht, die Gewinnung deſſelben unmittel- bar mit verminderter Duͤngung ſich verringert, und weniger gewonnenes Stroh wieder wenigen Duͤnger giebt, ſo faͤllt es immer tiefer, wenn es einmal im Fallen iſt. Es iſt daher mit dieſem Syſteme in manchen und gerade in denjenigen Ge- genden, wo man den Getreidebau mit aͤußerſter Anſtrengung betrieb, der Acker ſo tief heruntergekommen, daß es in Jahren, wo die Ernte unter den mittelmaͤßigen ausfiel, ſogleich an Getreide fehlte und auswaͤrtige Zufuhr noͤthig waͤrd.
§. 305.
Man hat es bei dieſem Syſteme laͤngſt als einen großen Fehler anerkannt,Die Brache. daß ein ſo großer, wie der dritte Theil des Ackers, faſt gaͤnzlich unbenutzt bleiben ſolle, und doch ſo vielen Aufwand von Arbeit erfordere, vorzuͤglich da, wo er ſei- ner Natur nach am fruchtbarſten iſt. Man hat daher ſchon lange gefragt, ob die Brache ſo ganz unentbehrlich ſey, und ob man dieſe, wenn gleich mit einigem Ab- ſchlag in den andern Feldern, nicht dennoch vortheilhafter beſtellen koͤnne. Man herief ſich auf den Gartenboden, der jaͤhrlich traͤgt, und auch auf die Wirthſchaft
O o 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0337"n="291"/><fwplace="top"type="header">Das Felderſyſtem.</fw><lb/>
durch hoͤheren Fruchtbau, doch, ohne dieſen im Ertrage zu ſchmaͤlern, durch ſtaͤr-<lb/>
kere Viehnutzung zu einem noch hoͤhern Ertrage zu bringen ſey.</p><lb/><p>In Laͤndern, wo ein Ueberfluß von wildem aber reichem Weidelande und da-<lb/>
bei zureichender Acker, um dem Volke ſeinen Bedarf an Getreide zu geben, vor-<lb/>
handen, Ausfuhr aber ſchwierig und unbelohnend iſt, wie z. B. in den meiſten Ge-<lb/>
genden von <placeName>Ungarn</placeName>, iſt vielleicht kein Wirthſchaftsſyſtem im Allgemeinen ange-<lb/>
meſſener, wie dieſes. Je hoͤher aber die Bodenkultur ſteigt, und je mehreres<lb/>
Land der wilden Natur entriſſen und dem Pfluge unterworfen wird, je hoͤher Be-<lb/>
voͤlkerung, Bedarf und Abſatz ſteigt, um deſto weniger bleibt es, einzelne Lokali-<lb/>
taͤten ausgenommen, paſſend; weil es ihm entweder an dem noͤthigen Weidelande<lb/>ſchon mangelt, oder dieſes doch vortheilhafter benutzt, und das Vieh beſſer und<lb/>
wohlfeiler ernaͤhrt werden kann.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 304.</head><lb/><p>Dieſes Ackerſyſtem hat das Uebele vor andern, daß es einmal im Sinken<lb/>
immer tiefer in ſeinen Verhaͤltniſſen herabſinkt, und das Gleichgewicht ſich nicht<lb/>
durch Zulegen in die leichte Schaale, ſondern nur durch Erleichtern der ſchweren<lb/>
Schaale herſtellen laͤßt. Es hat in ſich ſelbſt keine Huͤlfsmittel. Da es ſeinen<lb/>
Duͤnger groͤßtentheils aus dem Strohe zieht, die Gewinnung deſſelben unmittel-<lb/>
bar mit verminderter Duͤngung ſich verringert, und weniger gewonnenes Stroh<lb/>
wieder wenigen Duͤnger giebt, ſo faͤllt es immer tiefer, wenn es einmal im Fallen<lb/>
iſt. Es iſt daher mit dieſem Syſteme in manchen und gerade in denjenigen Ge-<lb/>
genden, wo man den Getreidebau mit aͤußerſter Anſtrengung betrieb, der Acker ſo<lb/>
tief heruntergekommen, daß es in Jahren, wo die Ernte unter den mittelmaͤßigen<lb/>
ausfiel, ſogleich an Getreide fehlte und auswaͤrtige Zufuhr noͤthig waͤrd.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 305.</head><lb/><p>Man hat es bei dieſem Syſteme laͤngſt als einen großen Fehler anerkannt,<noteplace="right">Die Brache.</note><lb/>
daß ein ſo großer, wie der dritte Theil des Ackers, faſt gaͤnzlich unbenutzt bleiben<lb/>ſolle, und doch ſo vielen Aufwand von Arbeit erfordere, vorzuͤglich da, wo er ſei-<lb/>
ner Natur nach am fruchtbarſten iſt. Man hat daher ſchon lange gefragt, ob die<lb/>
Brache ſo ganz unentbehrlich ſey, und ob man dieſe, wenn gleich mit einigem Ab-<lb/>ſchlag in den andern Feldern, nicht dennoch vortheilhafter beſtellen koͤnne. Man<lb/>
herief ſich auf den Gartenboden, der jaͤhrlich traͤgt, und auch auf die Wirthſchaft<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O o 2</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[291/0337]
Das Felderſyſtem.
durch hoͤheren Fruchtbau, doch, ohne dieſen im Ertrage zu ſchmaͤlern, durch ſtaͤr-
kere Viehnutzung zu einem noch hoͤhern Ertrage zu bringen ſey.
In Laͤndern, wo ein Ueberfluß von wildem aber reichem Weidelande und da-
bei zureichender Acker, um dem Volke ſeinen Bedarf an Getreide zu geben, vor-
handen, Ausfuhr aber ſchwierig und unbelohnend iſt, wie z. B. in den meiſten Ge-
genden von Ungarn, iſt vielleicht kein Wirthſchaftsſyſtem im Allgemeinen ange-
meſſener, wie dieſes. Je hoͤher aber die Bodenkultur ſteigt, und je mehreres
Land der wilden Natur entriſſen und dem Pfluge unterworfen wird, je hoͤher Be-
voͤlkerung, Bedarf und Abſatz ſteigt, um deſto weniger bleibt es, einzelne Lokali-
taͤten ausgenommen, paſſend; weil es ihm entweder an dem noͤthigen Weidelande
ſchon mangelt, oder dieſes doch vortheilhafter benutzt, und das Vieh beſſer und
wohlfeiler ernaͤhrt werden kann.
§. 304.
Dieſes Ackerſyſtem hat das Uebele vor andern, daß es einmal im Sinken
immer tiefer in ſeinen Verhaͤltniſſen herabſinkt, und das Gleichgewicht ſich nicht
durch Zulegen in die leichte Schaale, ſondern nur durch Erleichtern der ſchweren
Schaale herſtellen laͤßt. Es hat in ſich ſelbſt keine Huͤlfsmittel. Da es ſeinen
Duͤnger groͤßtentheils aus dem Strohe zieht, die Gewinnung deſſelben unmittel-
bar mit verminderter Duͤngung ſich verringert, und weniger gewonnenes Stroh
wieder wenigen Duͤnger giebt, ſo faͤllt es immer tiefer, wenn es einmal im Fallen
iſt. Es iſt daher mit dieſem Syſteme in manchen und gerade in denjenigen Ge-
genden, wo man den Getreidebau mit aͤußerſter Anſtrengung betrieb, der Acker ſo
tief heruntergekommen, daß es in Jahren, wo die Ernte unter den mittelmaͤßigen
ausfiel, ſogleich an Getreide fehlte und auswaͤrtige Zufuhr noͤthig waͤrd.
§. 305.
Man hat es bei dieſem Syſteme laͤngſt als einen großen Fehler anerkannt,
daß ein ſo großer, wie der dritte Theil des Ackers, faſt gaͤnzlich unbenutzt bleiben
ſolle, und doch ſo vielen Aufwand von Arbeit erfordere, vorzuͤglich da, wo er ſei-
ner Natur nach am fruchtbarſten iſt. Man hat daher ſchon lange gefragt, ob die
Brache ſo ganz unentbehrlich ſey, und ob man dieſe, wenn gleich mit einigem Ab-
ſchlag in den andern Feldern, nicht dennoch vortheilhafter beſtellen koͤnne. Man
herief ſich auf den Gartenboden, der jaͤhrlich traͤgt, und auch auf die Wirthſchaft
Die Brache.
O o 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/337>, abgerufen am 21.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.