Verhältniß der Düngung, der Futterung und des Viehstandes.
§. 248.
Der Dünger und der nach seiner Zersetzung zurückbleibende Moder ist der Haupt- bestandtheil der Nahrung aller von uns kultivirter Pflanzen, wodurch sie leben, wachsen, und zu ihrer Vollendung mittelst des Samentragens kommen. Durch die Masse und Kraft des Düngers wird also die Quantität und die Qualität der zu erzeugenden Produkte bedingt. Deshalb kommt nach der Arbeit und ihrer Leitung das erforderliche Verhältniß und die Mittel zu dessen Erzeugung zunächst in Betracht.
§. 249.
Man hat den Mangel an Düngung durch vermehrte Arbeit, und wiederum er-In wiefern sich Arbeit und Düngung einander er- setzen. sparte Arbeit durch vermehrte Düngung ersetzen wollen. Dies ist aber nur anschei- nend und auf kurze Zeit möglich gewesen. Jethro Tull glaubte bei seiner häufi- gen, den Boden in die feinsten Partikeln zermalmenden Beackerung, die er mit sei- ner Drillkultur verband, aller Düngung überhoben seyn zu können, und ihm sowohl wie seinen Nachfolgern glückte dies zu Anfange auf fruchtbarem und im reichen Dün- gerstande von älterer Zeit her befindlichen Boden. Denn durch die häufige Bearbei- tung und Luftaussetzung wurden alle darin befindlichen Nahrungstheile aufgeschlos- sen, zu nahrhaften Extraktivstoff bereitet, und den Wurzeln der Pflanzen zugeführt. Allein es dauerte da, wo man wirklich auf die völlige Entbehrung des Düngers be- stand, nur wenige Jahre, und die Fruchtbarkeit des Bodens ward so erschöpft, daß ihn nun wiederholte Düngungen kaum zu einer mäßigen Fruchtbarkeit wieder empor- bringen konnten. Andere wollten durch das Rajolen oder Umwenden des Bodens dasselbe bewirken, indem sie wähnten, die heruntergebrachte obere Lage der Erdkrume werde durch Ruhe ihre Kraft wieder erhalten, dann wieder heraufgebracht, neue Fruchtbarkeit zeigen, und so der Acker durch alljähriges Wechseln seiner tragenden Erdschicht zu immer gleicher Produktion, ohne ihm nahrhafte Stoffe zuzuführen, ge-
Erster Theil. G g
Verhaͤltniß der Duͤngung ꝛc.
Verhaͤltniß der Duͤngung, der Futterung und des Viehſtandes.
§. 248.
Der Duͤnger und der nach ſeiner Zerſetzung zuruͤckbleibende Moder iſt der Haupt- beſtandtheil der Nahrung aller von uns kultivirter Pflanzen, wodurch ſie leben, wachſen, und zu ihrer Vollendung mittelſt des Samentragens kommen. Durch die Maſſe und Kraft des Duͤngers wird alſo die Quantitaͤt und die Qualitaͤt der zu erzeugenden Produkte bedingt. Deshalb kommt nach der Arbeit und ihrer Leitung das erforderliche Verhaͤltniß und die Mittel zu deſſen Erzeugung zunaͤchſt in Betracht.
§. 249.
Man hat den Mangel an Duͤngung durch vermehrte Arbeit, und wiederum er-In wiefern ſich Arbeit und Duͤngung einander er- ſetzen. ſparte Arbeit durch vermehrte Duͤngung erſetzen wollen. Dies iſt aber nur anſchei- nend und auf kurze Zeit moͤglich geweſen. Jethro Tull glaubte bei ſeiner haͤufi- gen, den Boden in die feinſten Partikeln zermalmenden Beackerung, die er mit ſei- ner Drillkultur verband, aller Duͤngung uͤberhoben ſeyn zu koͤnnen, und ihm ſowohl wie ſeinen Nachfolgern gluͤckte dies zu Anfange auf fruchtbarem und im reichen Duͤn- gerſtande von aͤlterer Zeit her befindlichen Boden. Denn durch die haͤufige Bearbei- tung und Luftausſetzung wurden alle darin befindlichen Nahrungstheile aufgeſchloſ- ſen, zu nahrhaften Extraktivſtoff bereitet, und den Wurzeln der Pflanzen zugefuͤhrt. Allein es dauerte da, wo man wirklich auf die voͤllige Entbehrung des Duͤngers be- ſtand, nur wenige Jahre, und die Fruchtbarkeit des Bodens ward ſo erſchoͤpft, daß ihn nun wiederholte Duͤngungen kaum zu einer maͤßigen Fruchtbarkeit wieder empor- bringen konnten. Andere wollten durch das Rajolen oder Umwenden des Bodens daſſelbe bewirken, indem ſie waͤhnten, die heruntergebrachte obere Lage der Erdkrume werde durch Ruhe ihre Kraft wieder erhalten, dann wieder heraufgebracht, neue Fruchtbarkeit zeigen, und ſo der Acker durch alljaͤhriges Wechſeln ſeiner tragenden Erdſchicht zu immer gleicher Produktion, ohne ihm nahrhafte Stoffe zuzufuͤhren, ge-
Erſter Theil. G g
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Verhaͤltniß der Duͤngung ꝛc.
Verhaͤltniß der Duͤngung, der Futterung
und des Viehſtandes.
§. 248.
Der Duͤnger und der nach ſeiner Zerſetzung zuruͤckbleibende Moder iſt der Haupt-
beſtandtheil der Nahrung aller von uns kultivirter Pflanzen, wodurch ſie leben,
wachſen, und zu ihrer Vollendung mittelſt des Samentragens kommen. Durch
die Maſſe und Kraft des Duͤngers wird alſo die Quantitaͤt und die Qualitaͤt der zu
erzeugenden Produkte bedingt. Deshalb kommt nach der Arbeit und ihrer Leitung
das erforderliche Verhaͤltniß und die Mittel zu deſſen Erzeugung zunaͤchſt in
Betracht.
§. 249.
Man hat den Mangel an Duͤngung durch vermehrte Arbeit, und wiederum er-
ſparte Arbeit durch vermehrte Duͤngung erſetzen wollen. Dies iſt aber nur anſchei-
nend und auf kurze Zeit moͤglich geweſen. Jethro Tull glaubte bei ſeiner haͤufi-
gen, den Boden in die feinſten Partikeln zermalmenden Beackerung, die er mit ſei-
ner Drillkultur verband, aller Duͤngung uͤberhoben ſeyn zu koͤnnen, und ihm ſowohl
wie ſeinen Nachfolgern gluͤckte dies zu Anfange auf fruchtbarem und im reichen Duͤn-
gerſtande von aͤlterer Zeit her befindlichen Boden. Denn durch die haͤufige Bearbei-
tung und Luftausſetzung wurden alle darin befindlichen Nahrungstheile aufgeſchloſ-
ſen, zu nahrhaften Extraktivſtoff bereitet, und den Wurzeln der Pflanzen zugefuͤhrt.
Allein es dauerte da, wo man wirklich auf die voͤllige Entbehrung des Duͤngers be-
ſtand, nur wenige Jahre, und die Fruchtbarkeit des Bodens ward ſo erſchoͤpft, daß
ihn nun wiederholte Duͤngungen kaum zu einer maͤßigen Fruchtbarkeit wieder empor-
bringen konnten. Andere wollten durch das Rajolen oder Umwenden des Bodens
daſſelbe bewirken, indem ſie waͤhnten, die heruntergebrachte obere Lage der Erdkrume
werde durch Ruhe ihre Kraft wieder erhalten, dann wieder heraufgebracht, neue
Fruchtbarkeit zeigen, und ſo der Acker durch alljaͤhriges Wechſeln ſeiner tragenden
Erdſchicht zu immer gleicher Produktion, ohne ihm nahrhafte Stoffe zuzufuͤhren, ge-
In wiefern
ſich Arbeit
und Duͤngung
einander er-
ſetzen.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/277>, abgerufen am 21.11.2024.
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