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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Die Arbeit im Allgemeinen.
man vermindert ihren Lohn. Der sinkende Arbeitspreis ist hier aber die Anzeige der
sinkenden Industrie und der nahe Vorbote des Verfalls derselben und der Verarmung;
folglich für den Landwirth keinesweges vortheilhaft.

Da sich indessen die Zahl der Arbeit suchenden bald ins Gleichgewicht zu setzen
pflegt mit der Nachfrage nach Arbeitern, indem sich bei Vermehrung der letztern und
und erhöhetem Lohne bald mehrere einfinden, bei zu sehr vermindertem Lohne aber
die arbeitenden Menschen sich wegziehen oder ganz verkümmern; so verändert sich der
Arbeitslohn nur während des Steigens und Fallens der Industrie. Bleibt sie auf
ihrem Punkte stehen, so werden sich gerade so viele Arbeiter eingefunden haben, als
man gebraucht, und es ist der Arbeitslohn -- besonders, wenn man nicht auf den
nominalen, sondern den realen Preis, oder auf sein Verhältniß mit dem Werthe der
Produkte sieht -- keinesweges in solchen Gegenden immer höher, wo große Indu-
strie herrscht, oder geringe, wo diese gänzlich fehlt. Der Verdienst hat in jeder Ge-
gend arbeitende Menschen genug erzeugt, wogegen der Mangel an Verdienst in dieser
die Menschen auswandern oder aussterben ließ. In letzteren fehlt es dann oft an den
nothwendigsten Arbeitern in solchen Jahreszeiten, wo man deren viele sucht, und weil
sie außer der Erntezeit keinen Verdienst finden, so lassen sie sich um so theurer bezah-
len, wenn sie nun gesucht werden.

So ist in England der landwirthschaftliche Arbeitspreis, im Verhältniß gegen
den Preis anderer Dinge, wirklich geringer wie bei uns, ja er ist in einigen Gegen-
den so geringe, daß die arbeitenden Menschen gar nicht würden bestehen können,
wenn sie nicht beständig fortdauernde Arbeiten fänden, und wenn sie nicht durch die
daselbst vorhandenen, auf der andern Seite freilich höchst lästigen, Armen-Einrich-
tungen unterstützt würden.

§. 149.

3te Ursach:
Durch Cala-
mitäten ent-
standener
Mangel an
Arbeitern.
3) Wirklicher, durch Calamitäten entstandener Mangel an
Arbeitern
. Es kann durch Seuchen, Hungersnoth und Krieg eine solche Entvöl-
kerung in einigen Gegenden entstehen, daß auch selbst bei dem damit verbundenen
Herabsinken der Industrie es dennoch zu den nothwendigsten Arbeiten an Menschen
fehlt, wo dann die wenigen übrig gebliebenen sehr hohen realen Arbeitslohn fordern
können. Dies ist die traurigste Ursach des gestiegenen Arbeitslohns, weil mit dieser
Steigerung der Werth der Produkte zugleich sinkt. Dies ist vielleicht der einzige Fall,

Die Arbeit im Allgemeinen.
man vermindert ihren Lohn. Der ſinkende Arbeitspreis iſt hier aber die Anzeige der
ſinkenden Induſtrie und der nahe Vorbote des Verfalls derſelben und der Verarmung;
folglich fuͤr den Landwirth keinesweges vortheilhaft.

Da ſich indeſſen die Zahl der Arbeit ſuchenden bald ins Gleichgewicht zu ſetzen
pflegt mit der Nachfrage nach Arbeitern, indem ſich bei Vermehrung der letztern und
und erhoͤhetem Lohne bald mehrere einfinden, bei zu ſehr vermindertem Lohne aber
die arbeitenden Menſchen ſich wegziehen oder ganz verkuͤmmern; ſo veraͤndert ſich der
Arbeitslohn nur waͤhrend des Steigens und Fallens der Induſtrie. Bleibt ſie auf
ihrem Punkte ſtehen, ſo werden ſich gerade ſo viele Arbeiter eingefunden haben, als
man gebraucht, und es iſt der Arbeitslohn — beſonders, wenn man nicht auf den
nominalen, ſondern den realen Preis, oder auf ſein Verhaͤltniß mit dem Werthe der
Produkte ſieht — keinesweges in ſolchen Gegenden immer hoͤher, wo große Indu-
ſtrie herrſcht, oder geringe, wo dieſe gaͤnzlich fehlt. Der Verdienſt hat in jeder Ge-
gend arbeitende Menſchen genug erzeugt, wogegen der Mangel an Verdienſt in dieſer
die Menſchen auswandern oder ausſterben ließ. In letzteren fehlt es dann oft an den
nothwendigſten Arbeitern in ſolchen Jahreszeiten, wo man deren viele ſucht, und weil
ſie außer der Erntezeit keinen Verdienſt finden, ſo laſſen ſie ſich um ſo theurer bezah-
len, wenn ſie nun geſucht werden.

So iſt in England der landwirthſchaftliche Arbeitspreis, im Verhaͤltniß gegen
den Preis anderer Dinge, wirklich geringer wie bei uns, ja er iſt in einigen Gegen-
den ſo geringe, daß die arbeitenden Menſchen gar nicht wuͤrden beſtehen koͤnnen,
wenn ſie nicht beſtaͤndig fortdauernde Arbeiten faͤnden, und wenn ſie nicht durch die
daſelbſt vorhandenen, auf der andern Seite freilich hoͤchſt laͤſtigen, Armen-Einrich-
tungen unterſtuͤtzt wuͤrden.

§. 149.

3te Urſach:
Durch Cala-
mitaͤten ent-
ſtandener
Mangel an
Arbeitern.
3) Wirklicher, durch Calamitaͤten entſtandener Mangel an
Arbeitern
. Es kann durch Seuchen, Hungersnoth und Krieg eine ſolche Entvoͤl-
kerung in einigen Gegenden entſtehen, daß auch ſelbſt bei dem damit verbundenen
Herabſinken der Induſtrie es dennoch zu den nothwendigſten Arbeiten an Menſchen
fehlt, wo dann die wenigen uͤbrig gebliebenen ſehr hohen realen Arbeitslohn fordern
koͤnnen. Dies iſt die traurigſte Urſach des geſtiegenen Arbeitslohns, weil mit dieſer
Steigerung der Werth der Produkte zugleich ſinkt. Dies iſt vielleicht der einzige Fall,

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[106/0136] Die Arbeit im Allgemeinen. man vermindert ihren Lohn. Der ſinkende Arbeitspreis iſt hier aber die Anzeige der ſinkenden Induſtrie und der nahe Vorbote des Verfalls derſelben und der Verarmung; folglich fuͤr den Landwirth keinesweges vortheilhaft. Da ſich indeſſen die Zahl der Arbeit ſuchenden bald ins Gleichgewicht zu ſetzen pflegt mit der Nachfrage nach Arbeitern, indem ſich bei Vermehrung der letztern und und erhoͤhetem Lohne bald mehrere einfinden, bei zu ſehr vermindertem Lohne aber die arbeitenden Menſchen ſich wegziehen oder ganz verkuͤmmern; ſo veraͤndert ſich der Arbeitslohn nur waͤhrend des Steigens und Fallens der Induſtrie. Bleibt ſie auf ihrem Punkte ſtehen, ſo werden ſich gerade ſo viele Arbeiter eingefunden haben, als man gebraucht, und es iſt der Arbeitslohn — beſonders, wenn man nicht auf den nominalen, ſondern den realen Preis, oder auf ſein Verhaͤltniß mit dem Werthe der Produkte ſieht — keinesweges in ſolchen Gegenden immer hoͤher, wo große Indu- ſtrie herrſcht, oder geringe, wo dieſe gaͤnzlich fehlt. Der Verdienſt hat in jeder Ge- gend arbeitende Menſchen genug erzeugt, wogegen der Mangel an Verdienſt in dieſer die Menſchen auswandern oder ausſterben ließ. In letzteren fehlt es dann oft an den nothwendigſten Arbeitern in ſolchen Jahreszeiten, wo man deren viele ſucht, und weil ſie außer der Erntezeit keinen Verdienſt finden, ſo laſſen ſie ſich um ſo theurer bezah- len, wenn ſie nun geſucht werden. So iſt in England der landwirthſchaftliche Arbeitspreis, im Verhaͤltniß gegen den Preis anderer Dinge, wirklich geringer wie bei uns, ja er iſt in einigen Gegen- den ſo geringe, daß die arbeitenden Menſchen gar nicht wuͤrden beſtehen koͤnnen, wenn ſie nicht beſtaͤndig fortdauernde Arbeiten faͤnden, und wenn ſie nicht durch die daſelbſt vorhandenen, auf der andern Seite freilich hoͤchſt laͤſtigen, Armen-Einrich- tungen unterſtuͤtzt wuͤrden. §. 149. 3) Wirklicher, durch Calamitaͤten entſtandener Mangel an Arbeitern. Es kann durch Seuchen, Hungersnoth und Krieg eine ſolche Entvoͤl- kerung in einigen Gegenden entſtehen, daß auch ſelbſt bei dem damit verbundenen Herabſinken der Induſtrie es dennoch zu den nothwendigſten Arbeiten an Menſchen fehlt, wo dann die wenigen uͤbrig gebliebenen ſehr hohen realen Arbeitslohn fordern koͤnnen. Dies iſt die traurigſte Urſach des geſtiegenen Arbeitslohns, weil mit dieſer Steigerung der Werth der Produkte zugleich ſinkt. Dies iſt vielleicht der einzige Fall, 3te Urſach: Durch Cala- mitaͤten ent- ſtandener Mangel an Arbeitern.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/136>, abgerufen am 03.12.2024.