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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Die Pachtung.
vortheilhaftesten; der Pächter zieht dagegen heraus, was er kann, um es anderwei-
tig anzulegen, und Zinsen davon zu erhalten. Die Verbesserung des Guts macht
die Freude des Eigenthümers, die Anfüllung des Geldkastens die des Pächters aus.
Das Gut ist die geliebte Gattinn des Eigenthümers, die Maitresse des Pächters,
von der er sich wieder scheiden will.

Je länger indessen die Pachtzeit ist, um so mehr nähert sich der Pächter dem
Eigenthümer, je kürzer, um destomehr müssen die Maximen beider von einander
abweichen. Bei einer Pachtung auf 24 Jahre wird ein Pächter schon in den er-
sten 2/3 seiner Pachtzeit verständiger Weise als Eigenthümer zu verfahren haben.
Es kommt indessen immer die Zeit, wo er nach ganz entgegensetzten Prinzipien han-
deln, und um so mehr herauszuziehen trachten wird, je mehr er anfangs hineinge-
steckt oder aufbewahret hatte.

Dazu kommt dann, daß ein Pächter, seinen Vermögensumständen nach, in
der Regel nicht so viel für das Gut thun könnte, wie der Eigenthümer, wenn er
es auch wollte. Der Pächter muß jährlich die Pacht bezahlen; der Eigenthümer,
der sein Gewerbe mit Eifer betreibt, wird von der reinen Rente etwas erübrigen
können, um es in dem Gute anzulegen. Jener verhält sich zu diesem wie ein Kauf-
mann, der mit angeliehenem Kapital handelt, zu dem, der sein Gewerbe mit eige-
nem Vermögen betreibt. Jener muß vor allem darauf sehen, daß er seine Zin-
sen bezahlen könne, dieser kann gleich auf die Erweiterung seines Gewerbes und auf
neue Spekulationen denken.

Es ist also von einem Pächter nicht zu erwarten, und kann nach den Ge-
werbsgrundsätzen nicht von ihm verlangt werden, daß er bei der Bewirthschaftung
eines Guts wie ein Eigenthümer verfahre, und einer selbst großen Verbesserung
des Guts nur einen kleinen Theil seines Profits aufopfere.

§. 121.

Man hat es deshalb für nöthig erkannt, den Pächter durch besondere Bedin-Schwierigkeit
der Pachtkon-
trakte.

gungen in seiner Willkühr einzuschränken, und ihm ein dem Gute vortheilhaftes
Verfahren zur Pflicht zu machen. Allein solche Pachtkontrakte sind äußerst schwie-
rig, und man hat vielleicht mit Recht gesagt, daß, wenn auch ein Kollegium der
geschicktesten Rechtsgelehrten und der besten Oekonomen im Lande zusammenträte,
und sich vier Wochen mit einem einzeln Pachtkontrakte beschäftigte, es dennoch
keinen zu Stande bringen würde, der das Gut gegen Deteriorationen bei einem

Erster Theil. L

Die Pachtung.
vortheilhafteſten; der Paͤchter zieht dagegen heraus, was er kann, um es anderwei-
tig anzulegen, und Zinſen davon zu erhalten. Die Verbeſſerung des Guts macht
die Freude des Eigenthuͤmers, die Anfuͤllung des Geldkaſtens die des Paͤchters aus.
Das Gut iſt die geliebte Gattinn des Eigenthuͤmers, die Maitreſſe des Paͤchters,
von der er ſich wieder ſcheiden will.

Je laͤnger indeſſen die Pachtzeit iſt, um ſo mehr naͤhert ſich der Paͤchter dem
Eigenthuͤmer, je kuͤrzer, um deſtomehr muͤſſen die Maximen beider von einander
abweichen. Bei einer Pachtung auf 24 Jahre wird ein Paͤchter ſchon in den er-
ſten ⅔ ſeiner Pachtzeit verſtaͤndiger Weiſe als Eigenthuͤmer zu verfahren haben.
Es kommt indeſſen immer die Zeit, wo er nach ganz entgegenſetzten Prinzipien han-
deln, und um ſo mehr herauszuziehen trachten wird, je mehr er anfangs hineinge-
ſteckt oder aufbewahret hatte.

Dazu kommt dann, daß ein Paͤchter, ſeinen Vermoͤgensumſtaͤnden nach, in
der Regel nicht ſo viel fuͤr das Gut thun koͤnnte, wie der Eigenthuͤmer, wenn er
es auch wollte. Der Paͤchter muß jaͤhrlich die Pacht bezahlen; der Eigenthuͤmer,
der ſein Gewerbe mit Eifer betreibt, wird von der reinen Rente etwas eruͤbrigen
koͤnnen, um es in dem Gute anzulegen. Jener verhaͤlt ſich zu dieſem wie ein Kauf-
mann, der mit angeliehenem Kapital handelt, zu dem, der ſein Gewerbe mit eige-
nem Vermoͤgen betreibt. Jener muß vor allem darauf ſehen, daß er ſeine Zin-
ſen bezahlen koͤnne, dieſer kann gleich auf die Erweiterung ſeines Gewerbes und auf
neue Spekulationen denken.

Es iſt alſo von einem Paͤchter nicht zu erwarten, und kann nach den Ge-
werbsgrundſaͤtzen nicht von ihm verlangt werden, daß er bei der Bewirthſchaftung
eines Guts wie ein Eigenthuͤmer verfahre, und einer ſelbſt großen Verbeſſerung
des Guts nur einen kleinen Theil ſeines Profits aufopfere.

§. 121.

Man hat es deshalb fuͤr noͤthig erkannt, den Paͤchter durch beſondere Bedin-Schwierigkeit
der Pachtkon-
trakte.

gungen in ſeiner Willkuͤhr einzuſchraͤnken, und ihm ein dem Gute vortheilhaftes
Verfahren zur Pflicht zu machen. Allein ſolche Pachtkontrakte ſind aͤußerſt ſchwie-
rig, und man hat vielleicht mit Recht geſagt, daß, wenn auch ein Kollegium der
geſchickteſten Rechtsgelehrten und der beſten Oekonomen im Lande zuſammentraͤte,
und ſich vier Wochen mit einem einzeln Pachtkontrakte beſchaͤftigte, es dennoch
keinen zu Stande bringen wuͤrde, der das Gut gegen Deteriorationen bei einem

Erſter Theil. L
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[81/0111] Die Pachtung. vortheilhafteſten; der Paͤchter zieht dagegen heraus, was er kann, um es anderwei- tig anzulegen, und Zinſen davon zu erhalten. Die Verbeſſerung des Guts macht die Freude des Eigenthuͤmers, die Anfuͤllung des Geldkaſtens die des Paͤchters aus. Das Gut iſt die geliebte Gattinn des Eigenthuͤmers, die Maitreſſe des Paͤchters, von der er ſich wieder ſcheiden will. Je laͤnger indeſſen die Pachtzeit iſt, um ſo mehr naͤhert ſich der Paͤchter dem Eigenthuͤmer, je kuͤrzer, um deſtomehr muͤſſen die Maximen beider von einander abweichen. Bei einer Pachtung auf 24 Jahre wird ein Paͤchter ſchon in den er- ſten ⅔ ſeiner Pachtzeit verſtaͤndiger Weiſe als Eigenthuͤmer zu verfahren haben. Es kommt indeſſen immer die Zeit, wo er nach ganz entgegenſetzten Prinzipien han- deln, und um ſo mehr herauszuziehen trachten wird, je mehr er anfangs hineinge- ſteckt oder aufbewahret hatte. Dazu kommt dann, daß ein Paͤchter, ſeinen Vermoͤgensumſtaͤnden nach, in der Regel nicht ſo viel fuͤr das Gut thun koͤnnte, wie der Eigenthuͤmer, wenn er es auch wollte. Der Paͤchter muß jaͤhrlich die Pacht bezahlen; der Eigenthuͤmer, der ſein Gewerbe mit Eifer betreibt, wird von der reinen Rente etwas eruͤbrigen koͤnnen, um es in dem Gute anzulegen. Jener verhaͤlt ſich zu dieſem wie ein Kauf- mann, der mit angeliehenem Kapital handelt, zu dem, der ſein Gewerbe mit eige- nem Vermoͤgen betreibt. Jener muß vor allem darauf ſehen, daß er ſeine Zin- ſen bezahlen koͤnne, dieſer kann gleich auf die Erweiterung ſeines Gewerbes und auf neue Spekulationen denken. Es iſt alſo von einem Paͤchter nicht zu erwarten, und kann nach den Ge- werbsgrundſaͤtzen nicht von ihm verlangt werden, daß er bei der Bewirthſchaftung eines Guts wie ein Eigenthuͤmer verfahre, und einer ſelbſt großen Verbeſſerung des Guts nur einen kleinen Theil ſeines Profits aufopfere. §. 121. Man hat es deshalb fuͤr noͤthig erkannt, den Paͤchter durch beſondere Bedin- gungen in ſeiner Willkuͤhr einzuſchraͤnken, und ihm ein dem Gute vortheilhaftes Verfahren zur Pflicht zu machen. Allein ſolche Pachtkontrakte ſind aͤußerſt ſchwie- rig, und man hat vielleicht mit Recht geſagt, daß, wenn auch ein Kollegium der geſchickteſten Rechtsgelehrten und der beſten Oekonomen im Lande zuſammentraͤte, und ſich vier Wochen mit einem einzeln Pachtkontrakte beſchaͤftigte, es dennoch keinen zu Stande bringen wuͤrde, der das Gut gegen Deteriorationen bei einem Schwierigkeit der Pachtkon- trakte. Erſter Theil. L

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/111>, abgerufen am 21.11.2024.