Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.Werthschätzung eines Landguts. Ausnahmen -- mehr oder minder eigen. Es giebt Gegenden, wo unter den Guts-besitzern und kultivirten Ständen gegenseitige nachbarliche Dienstgeflissenheit, Ach- tung, Zutrauen und Redlichkeit herrscht; andere, wo Schadenfreude, Mißtrauen, Neid, kleinlicher Egoismus und Pfiffigkeit auffallend hervorstechen. Der rechtliche liberale Mann vermeidet gern diese moralischen Disteln und Dornen. Und so verdient denn auch der sittliche und häusliche Zustand der dienenden und Die Sittlichkeit hängt ohne Zweifel viel von der Erziehung und der Bildung in Die Gewohnheiten und Gebräuche einer Gegend, die Observanzen, die zuwei- §. 115. Endlich sind die Rechtsverhältnisse oder diejenigen Berechtigungen und Servitu-Rechtsver- §. 116. Das Eigenthum ist entweder unbeschränkt, erblich und verkäuflich, heißt dann Werthſchaͤtzung eines Landguts. Ausnahmen — mehr oder minder eigen. Es giebt Gegenden, wo unter den Guts-beſitzern und kultivirten Staͤnden gegenſeitige nachbarliche Dienſtgefliſſenheit, Ach- tung, Zutrauen und Redlichkeit herrſcht; andere, wo Schadenfreude, Mißtrauen, Neid, kleinlicher Egoismus und Pfiffigkeit auffallend hervorſtechen. Der rechtliche liberale Mann vermeidet gern dieſe moraliſchen Diſteln und Dornen. Und ſo verdient denn auch der ſittliche und haͤusliche Zuſtand der dienenden und Die Sittlichkeit haͤngt ohne Zweifel viel von der Erziehung und der Bildung in Die Gewohnheiten und Gebraͤuche einer Gegend, die Obſervanzen, die zuwei- §. 115. Endlich ſind die Rechtsverhaͤltniſſe oder diejenigen Berechtigungen und Servitu-Rechtsver- §. 116. Das Eigenthum iſt entweder unbeſchraͤnkt, erblich und verkaͤuflich, heißt dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0107" n="77"/><fw place="top" type="header">Werthſchaͤtzung eines Landguts.</fw><lb/> Ausnahmen — mehr oder minder eigen. Es giebt Gegenden, wo unter den Guts-<lb/> beſitzern und kultivirten Staͤnden gegenſeitige nachbarliche Dienſtgefliſſenheit, Ach-<lb/> tung, Zutrauen und Redlichkeit herrſcht; andere, wo Schadenfreude, Mißtrauen,<lb/> Neid, kleinlicher Egoismus und Pfiffigkeit auffallend hervorſtechen. Der rechtliche<lb/> liberale Mann vermeidet gern dieſe moraliſchen Diſteln und Dornen.</p><lb/> <p>Und ſo verdient denn auch der ſittliche und haͤusliche Zuſtand der dienenden und<lb/> arbeitenden Klaſſe in Betracht gezogen zu werden. Die koͤrperliche Kraft und Ge-<lb/> wandheit der Eingebohrnen haͤngt nicht nur von ihren haͤuslichen Umſtaͤnden, von<lb/> ihrem relativen Wohlſtande oder Armſeligkeit ab, ſondern auch ihre Sittlichkeit und<lb/> Treue wird dadurch beſtimmt, und treue moraliſche Menſchen ſind dem Landwirthe<lb/> von ungemeinem Werthe. Selbſt die intellektuelle Bildung dieſer Klaſſe, wahre<lb/> oder falſche Religioſitaͤt, Toleranz oder Intoleranz gegen andere Religionsverwandte,<lb/> iſt fuͤr den Landwirth zuweilen ſehr bedeutend.</p><lb/> <p>Die Sittlichkeit haͤngt ohne Zweifel viel von der Erziehung und der Bildung in<lb/> der Jugend ab. Deshalb ſind Schulanſtalten, welche dieſe wahrhaft zweckmaͤßig<lb/> befoͤrdern, von großer Wichtigkeit. Der auch nur ſeinen Vortheil richtig berech-<lb/> nende Landwirth wird alſo gern ſeinen Beitrag zur Erhaltung und Einrichtung der-<lb/> ſelben zahlen.</p><lb/> <p>Die Gewohnheiten und Gebraͤuche einer Gegend, die Obſervanzen, die zuwei-<lb/> len mehr Kraft haben und ſtrenger befolgt werden, als poſitive Geſetze, muß man er-<lb/> forſchen und in Erwaͤgung ziehn, indem ſie auf die Organiſation der Wirthſchaft gro-<lb/> ßen Einfluß haben koͤnnen.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 115.</head><lb/> <p>Endlich ſind die Rechtsverhaͤltniſſe oder diejenigen Berechtigungen und Servitu-<note place="right">Rechtsver-<lb/> haͤltniſſe.</note><lb/> ten, welche mit dem Beſitze des Grund und Bodens verbunden ſind, wohl zu erfor-<lb/> ſchen und genau zu bemerken, um ſie bei der Werthſchaͤtzung eines Guts vor Augen<lb/> zu haben. Sie koͤnnen hier nur oberflaͤchlich beruͤhrt werden, und erfordern ein be-<lb/> ſonderes Studium in jedem Lande, wo man ſich niederlaſſen will.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 116.</head><lb/> <p>Das Eigenthum iſt entweder unbeſchraͤnkt, erblich und verkaͤuflich, heißt dann<lb/><hi rendition="#g">Erbgut, Allodium,</hi> oder es iſt beſchraͤnkt, wie das <hi rendition="#g">Lehngut</hi>, das <hi rendition="#g">Erbzins-</hi><lb/> oder <hi rendition="#g">Erbpachtgut,</hi> und das <hi rendition="#g">Bauergut</hi> auf mannigfaltige Weiſe zu ſeyn pflegt.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0107]
Werthſchaͤtzung eines Landguts.
Ausnahmen — mehr oder minder eigen. Es giebt Gegenden, wo unter den Guts-
beſitzern und kultivirten Staͤnden gegenſeitige nachbarliche Dienſtgefliſſenheit, Ach-
tung, Zutrauen und Redlichkeit herrſcht; andere, wo Schadenfreude, Mißtrauen,
Neid, kleinlicher Egoismus und Pfiffigkeit auffallend hervorſtechen. Der rechtliche
liberale Mann vermeidet gern dieſe moraliſchen Diſteln und Dornen.
Und ſo verdient denn auch der ſittliche und haͤusliche Zuſtand der dienenden und
arbeitenden Klaſſe in Betracht gezogen zu werden. Die koͤrperliche Kraft und Ge-
wandheit der Eingebohrnen haͤngt nicht nur von ihren haͤuslichen Umſtaͤnden, von
ihrem relativen Wohlſtande oder Armſeligkeit ab, ſondern auch ihre Sittlichkeit und
Treue wird dadurch beſtimmt, und treue moraliſche Menſchen ſind dem Landwirthe
von ungemeinem Werthe. Selbſt die intellektuelle Bildung dieſer Klaſſe, wahre
oder falſche Religioſitaͤt, Toleranz oder Intoleranz gegen andere Religionsverwandte,
iſt fuͤr den Landwirth zuweilen ſehr bedeutend.
Die Sittlichkeit haͤngt ohne Zweifel viel von der Erziehung und der Bildung in
der Jugend ab. Deshalb ſind Schulanſtalten, welche dieſe wahrhaft zweckmaͤßig
befoͤrdern, von großer Wichtigkeit. Der auch nur ſeinen Vortheil richtig berech-
nende Landwirth wird alſo gern ſeinen Beitrag zur Erhaltung und Einrichtung der-
ſelben zahlen.
Die Gewohnheiten und Gebraͤuche einer Gegend, die Obſervanzen, die zuwei-
len mehr Kraft haben und ſtrenger befolgt werden, als poſitive Geſetze, muß man er-
forſchen und in Erwaͤgung ziehn, indem ſie auf die Organiſation der Wirthſchaft gro-
ßen Einfluß haben koͤnnen.
§. 115.
Endlich ſind die Rechtsverhaͤltniſſe oder diejenigen Berechtigungen und Servitu-
ten, welche mit dem Beſitze des Grund und Bodens verbunden ſind, wohl zu erfor-
ſchen und genau zu bemerken, um ſie bei der Werthſchaͤtzung eines Guts vor Augen
zu haben. Sie koͤnnen hier nur oberflaͤchlich beruͤhrt werden, und erfordern ein be-
ſonderes Studium in jedem Lande, wo man ſich niederlaſſen will.
Rechtsver-
haͤltniſſe.
§. 116.
Das Eigenthum iſt entweder unbeſchraͤnkt, erblich und verkaͤuflich, heißt dann
Erbgut, Allodium, oder es iſt beſchraͤnkt, wie das Lehngut, das Erbzins-
oder Erbpachtgut, und das Bauergut auf mannigfaltige Weiſe zu ſeyn pflegt.
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