Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite
und Freyheit.
IX.
Von der Selbstthätigkeit der menschlichen Seele.

1) Es ist Erfahrung, daß die Seele mit völli-
ger Selbstthätigkeit handelt, wenn sie
frey handelt.

2) Schwierigkeiten, sich von dem, was als-
denn in uns vorgehet, deutliche Begriffe zu
machen. Wie die Deterministen und Jn-
deterministen solche Empfindungen erklären.

3) Die Wirksamkeit der Seele, womit sie will-
kührlich sich selbst bestimmt, ist eine von dem
Einflusse äußerer Empfindungen erweckte
Selbstthätigkeit.

4) Weitere Fragen, und Veranlassungen zu
fernern Untersuchungen dieser Selbstthätig-
keit der Seele.

1.

Man muß sich in Acht nehmen, daß solche auseinan-
dergesetzten Gemeinbegriffe, wie die vorhergehenden
sind, die sich auf selbstthätige Aktionen beziehen, da sie
Augengläser vor dem Verstande sind, nicht auch, wie
so oft geschieht, zu gefärbten Gläsern werden, wenn das
Verschiedene in unsern wirklichen Empfindungen durch
sie beschauet wird. Nur leitende Jdeen sollen sie seyn,
die uns auf das Mannigfaltige in den Empfindungen
mehr aufmerksam machen, und die Unterscheidung und
Deutlichkeit befördern. Aber ob, wie weit und wenn
wir wirklich selbstthätig oder aus Eigenmacht handeln,
und ob, wie weit, und wann wir leidend von äus-
sern Ursachen getrieben werden, das muß allein die Be-
obachtung entscheiden.

Bey
und Freyheit.
IX.
Von der Selbſtthaͤtigkeit der menſchlichen Seele.

1) Es iſt Erfahrung, daß die Seele mit voͤlli-
ger Selbſtthaͤtigkeit handelt, wenn ſie
frey handelt.

2) Schwierigkeiten, ſich von dem, was als-
denn in uns vorgehet, deutliche Begriffe zu
machen. Wie die Determiniſten und Jn-
determiniſten ſolche Empfindungen erklaͤren.

3) Die Wirkſamkeit der Seele, womit ſie will-
kuͤhrlich ſich ſelbſt beſtimmt, iſt eine von dem
Einfluſſe aͤußerer Empfindungen erweckte
Selbſtthaͤtigkeit.

4) Weitere Fragen, und Veranlaſſungen zu
fernern Unterſuchungen dieſer Selbſtthaͤtig-
keit der Seele.

1.

Man muß ſich in Acht nehmen, daß ſolche auseinan-
dergeſetzten Gemeinbegriffe, wie die vorhergehenden
ſind, die ſich auf ſelbſtthaͤtige Aktionen beziehen, da ſie
Augenglaͤſer vor dem Verſtande ſind, nicht auch, wie
ſo oft geſchieht, zu gefaͤrbten Glaͤſern werden, wenn das
Verſchiedene in unſern wirklichen Empfindungen durch
ſie beſchauet wird. Nur leitende Jdeen ſollen ſie ſeyn,
die uns auf das Mannigfaltige in den Empfindungen
mehr aufmerkſam machen, und die Unterſcheidung und
Deutlichkeit befoͤrdern. Aber ob, wie weit und wenn
wir wirklich ſelbſtthaͤtig oder aus Eigenmacht handeln,
und ob, wie weit, und wann wir leidend von aͤuſ-
ſern Urſachen getrieben werden, das muß allein die Be-
obachtung entſcheiden.

Bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0089" n="59"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und Freyheit.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">IX.</hi><lb/>
Von der Selb&#x017F;ttha&#x0364;tigkeit der men&#x017F;chlichen Seele.</head><lb/>
          <argument>
            <p>
              <list>
                <item>1) <hi rendition="#fr">Es i&#x017F;t Erfahrung, daß die Seele mit vo&#x0364;lli-<lb/>
ger Selb&#x017F;ttha&#x0364;tigkeit handelt, wenn &#x017F;ie<lb/>
frey handelt.</hi></item><lb/>
                <item>2) <hi rendition="#fr">Schwierigkeiten, &#x017F;ich von dem, was als-<lb/>
denn in uns vorgehet, deutliche Begriffe zu<lb/>
machen. Wie die Determini&#x017F;ten und Jn-<lb/>
determini&#x017F;ten &#x017F;olche Empfindungen erkla&#x0364;ren.</hi></item><lb/>
                <item>3) <hi rendition="#fr">Die Wirk&#x017F;amkeit der Seele, womit &#x017F;ie will-<lb/>
ku&#x0364;hrlich &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;timmt, i&#x017F;t eine von dem<lb/>
Einflu&#x017F;&#x017F;e a&#x0364;ußerer Empfindungen erweckte<lb/>
Selb&#x017F;ttha&#x0364;tigkeit.</hi></item><lb/>
                <item>4) <hi rendition="#fr">Weitere Fragen, und Veranla&#x017F;&#x017F;ungen zu<lb/>
fernern Unter&#x017F;uchungen die&#x017F;er Selb&#x017F;ttha&#x0364;tig-<lb/>
keit der Seele.</hi></item>
              </list>
            </p>
          </argument><lb/>
          <div n="3">
            <head>1.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">M</hi>an muß &#x017F;ich in Acht nehmen, daß &#x017F;olche auseinan-<lb/>
derge&#x017F;etzten Gemeinbegriffe, wie die vorhergehenden<lb/>
&#x017F;ind, die &#x017F;ich auf &#x017F;elb&#x017F;ttha&#x0364;tige Aktionen beziehen, da &#x017F;ie<lb/>
Augengla&#x0364;&#x017F;er vor dem Ver&#x017F;tande &#x017F;ind, nicht auch, wie<lb/>
&#x017F;o oft ge&#x017F;chieht, zu gefa&#x0364;rbten Gla&#x0364;&#x017F;ern werden, wenn das<lb/>
Ver&#x017F;chiedene in un&#x017F;ern wirklichen Empfindungen durch<lb/>
&#x017F;ie be&#x017F;chauet wird. Nur <hi rendition="#fr">leitende</hi> Jdeen &#x017F;ollen &#x017F;ie &#x017F;eyn,<lb/>
die uns auf das Mannigfaltige in den Empfindungen<lb/>
mehr aufmerk&#x017F;am machen, und die Unter&#x017F;cheidung und<lb/>
Deutlichkeit befo&#x0364;rdern. Aber <hi rendition="#fr">ob, wie weit</hi> und <hi rendition="#fr">wenn</hi><lb/>
wir wirklich <hi rendition="#fr">&#x017F;elb&#x017F;ttha&#x0364;tig</hi> oder aus Eigenmacht handeln,<lb/>
und <hi rendition="#fr">ob, wie weit,</hi> und <hi rendition="#fr">wann</hi> wir <hi rendition="#fr">leidend</hi> von a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern Ur&#x017F;achen getrieben werden, das muß allein die Be-<lb/>
obachtung ent&#x017F;cheiden.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0089] und Freyheit. IX. Von der Selbſtthaͤtigkeit der menſchlichen Seele. 1) Es iſt Erfahrung, daß die Seele mit voͤlli- ger Selbſtthaͤtigkeit handelt, wenn ſie frey handelt. 2) Schwierigkeiten, ſich von dem, was als- denn in uns vorgehet, deutliche Begriffe zu machen. Wie die Determiniſten und Jn- determiniſten ſolche Empfindungen erklaͤren. 3) Die Wirkſamkeit der Seele, womit ſie will- kuͤhrlich ſich ſelbſt beſtimmt, iſt eine von dem Einfluſſe aͤußerer Empfindungen erweckte Selbſtthaͤtigkeit. 4) Weitere Fragen, und Veranlaſſungen zu fernern Unterſuchungen dieſer Selbſtthaͤtig- keit der Seele. 1. Man muß ſich in Acht nehmen, daß ſolche auseinan- dergeſetzten Gemeinbegriffe, wie die vorhergehenden ſind, die ſich auf ſelbſtthaͤtige Aktionen beziehen, da ſie Augenglaͤſer vor dem Verſtande ſind, nicht auch, wie ſo oft geſchieht, zu gefaͤrbten Glaͤſern werden, wenn das Verſchiedene in unſern wirklichen Empfindungen durch ſie beſchauet wird. Nur leitende Jdeen ſollen ſie ſeyn, die uns auf das Mannigfaltige in den Empfindungen mehr aufmerkſam machen, und die Unterſcheidung und Deutlichkeit befoͤrdern. Aber ob, wie weit und wenn wir wirklich ſelbſtthaͤtig oder aus Eigenmacht handeln, und ob, wie weit, und wann wir leidend von aͤuſ- ſern Urſachen getrieben werden, das muß allein die Be- obachtung entſcheiden. Bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/89
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/89>, abgerufen am 21.11.2024.