aber, daß dergleichen zurückhaltende Vorstellungen un- ter gewissen Umständen dennoch durch andere entgegen- gesetzte überwunden werden können, folget weiter nichts, als daß es Bewegungsgründe gebe, die noch| stärker, als jene sind. Jn Feuersgefähr springt wohl ein ver- nünftiger Mann im bloßen Hemde aus dem Fenster auf die Straße, und handelt denn eben so nothwendig, als es ihm bey gesunden Verstande nothwendig ist, es bleiben zu lassen.
4.
Dagegen ist es nicht allemal nothwendig, daß, um frey zu handeln, eine deutliche Vorstellung der Be- wegungsgrund zur Handlung seyn müsse. Der würde in Wahrheit nur eine schwache Gegenwart des Geistes besitzen, den jedwede Empfindung oder sinnliche Vor- stellung, der er nachgehet, sogleich unvermögend machte, zu widerstehen, und anders sich zu bestimmen. Das Gemüth wird oftmals im Gewühl der Geschäffte von verwirrten Bildern sehr lebhaft angegriffen, und man bestimmt sich nach diesen unentwickelten Vorstellungen, und behält demunerachtet die Herrschaft über sich, fühlt sein Vermögen anders zu handeln, und handelt mit Freyheit. Wenn die bewegende Vorstellung nur nicht die stärkste über alle andere ist, welche die Seele zu der Zeit in sich aufbieten kann. Sie kann eine noch stärkere in ihrer Rüstkammer im Vorrath haben, die sie jener entgegenzusetzen, und unter den Umständen, un- ter welchen sie handelt, zu erwecken und aufzubieten vermag; und man weiß, wenn auch keine andere da ist, wie stark allein die einzige Jdee sey: "ich muß nun ein- mal meinen eigenen Willen beweisen;" die uns zu Dien- sten stehet, und sich bey dem Eigensinnigen öfterer und stärker anbietet, als die Vernunft sie haben will. Aber es ist doch in allen Fällen, wenn das Vermögen so eine
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und Freyheit.
aber, daß dergleichen zuruͤckhaltende Vorſtellungen un- ter gewiſſen Umſtaͤnden dennoch durch andere entgegen- geſetzte uͤberwunden werden koͤnnen, folget weiter nichts, als daß es Bewegungsgruͤnde gebe, die noch| ſtaͤrker, als jene ſind. Jn Feuersgefaͤhr ſpringt wohl ein ver- nuͤnftiger Mann im bloßen Hemde aus dem Fenſter auf die Straße, und handelt denn eben ſo nothwendig, als es ihm bey geſunden Verſtande nothwendig iſt, es bleiben zu laſſen.
4.
Dagegen iſt es nicht allemal nothwendig, daß, um frey zu handeln, eine deutliche Vorſtellung der Be- wegungsgrund zur Handlung ſeyn muͤſſe. Der wuͤrde in Wahrheit nur eine ſchwache Gegenwart des Geiſtes beſitzen, den jedwede Empfindung oder ſinnliche Vor- ſtellung, der er nachgehet, ſogleich unvermoͤgend machte, zu widerſtehen, und anders ſich zu beſtimmen. Das Gemuͤth wird oftmals im Gewuͤhl der Geſchaͤffte von verwirrten Bildern ſehr lebhaft angegriffen, und man beſtimmt ſich nach dieſen unentwickelten Vorſtellungen, und behaͤlt demunerachtet die Herrſchaft uͤber ſich, fuͤhlt ſein Vermoͤgen anders zu handeln, und handelt mit Freyheit. Wenn die bewegende Vorſtellung nur nicht die ſtaͤrkſte uͤber alle andere iſt, welche die Seele zu der Zeit in ſich aufbieten kann. Sie kann eine noch ſtaͤrkere in ihrer Ruͤſtkammer im Vorrath haben, die ſie jener entgegenzuſetzen, und unter den Umſtaͤnden, un- ter welchen ſie handelt, zu erwecken und aufzubieten vermag; und man weiß, wenn auch keine andere da iſt, wie ſtark allein die einzige Jdee ſey: „ich muß nun ein- mal meinen eigenen Willen beweiſen;‟ die uns zu Dien- ſten ſtehet, und ſich bey dem Eigenſinnigen oͤfterer und ſtaͤrker anbietet, als die Vernunft ſie haben will. Aber es iſt doch in allen Faͤllen, wenn das Vermoͤgen ſo eine
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und Freyheit.
aber, daß dergleichen zuruͤckhaltende Vorſtellungen un-
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geſetzte uͤberwunden werden koͤnnen, folget weiter nichts,
als daß es Bewegungsgruͤnde gebe, die noch| ſtaͤrker,
als jene ſind. Jn Feuersgefaͤhr ſpringt wohl ein ver-
nuͤnftiger Mann im bloßen Hemde aus dem Fenſter
auf die Straße, und handelt denn eben ſo nothwendig,
als es ihm bey geſunden Verſtande nothwendig iſt, es
bleiben zu laſſen.
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Dagegen iſt es nicht allemal nothwendig, daß, um
frey zu handeln, eine deutliche Vorſtellung der Be-
wegungsgrund zur Handlung ſeyn muͤſſe. Der wuͤrde
in Wahrheit nur eine ſchwache Gegenwart des Geiſtes
beſitzen, den jedwede Empfindung oder ſinnliche Vor-
ſtellung, der er nachgehet, ſogleich unvermoͤgend machte,
zu widerſtehen, und anders ſich zu beſtimmen. Das
Gemuͤth wird oftmals im Gewuͤhl der Geſchaͤffte von
verwirrten Bildern ſehr lebhaft angegriffen, und man
beſtimmt ſich nach dieſen unentwickelten Vorſtellungen,
und behaͤlt demunerachtet die Herrſchaft uͤber ſich, fuͤhlt
ſein Vermoͤgen anders zu handeln, und handelt mit
Freyheit. Wenn die bewegende Vorſtellung nur
nicht die ſtaͤrkſte uͤber alle andere iſt, welche die Seele zu
der Zeit in ſich aufbieten kann. Sie kann eine noch
ſtaͤrkere in ihrer Ruͤſtkammer im Vorrath haben, die
ſie jener entgegenzuſetzen, und unter den Umſtaͤnden, un-
ter welchen ſie handelt, zu erwecken und aufzubieten
vermag; und man weiß, wenn auch keine andere da iſt,
wie ſtark allein die einzige Jdee ſey: „ich muß nun ein-
mal meinen eigenen Willen beweiſen;‟ die uns zu Dien-
ſten ſtehet, und ſich bey dem Eigenſinnigen oͤfterer und
ſtaͤrker anbietet, als die Vernunft ſie haben will. Aber
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/67>, abgerufen am 21.11.2024.
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