wir als solche empfinden, zu denen wir uns selbst be- stimmen, nicht aber zu ihnen gezogen, gestoßen, oder leidentlich bestimmet werden.
Jch bestimme mich zum Aufstehen, da ich sitze. Das nächste was erfolget, ist das, was wir in uns das Wollen nennen. Es gehört noch mehr dazu, um das Gewollte auszurichten; aber indem ich mich mit Ueber- legung zum Wollen bestimme, so finde ich meine Kraft schon in Wirksamkeit, noch ehe ich will, schon während des Besinnens und des Ueberlegens.
Vielleicht schläft mir der Fuß oder ist paralytisch geworden, ohne daß ichs weiß. Alsdenn werde ich nicht aufstehen können. Diese letztere Aktion des Kör- pers wollen wir noch bey Seite setzen. Aber ich kann es doch nichts destoweniger wollen, und will es. Jn dem Zustande, da ich mich besinne und will, finde ich die innere sich zum Wollen bestimmende Kraft erreget und thätig, und bereit zum Nichtwollen, wenn mir dieß gefällt.
2.
Die zwote Erfahrung ist diese. "Man kann nichts "wollen, sich zu nichts selbstthätig bestimmen, wenn "nicht eine Vorstellung in uns vorhanden ist, nicht al- "lein von dem Objekt, worauf das Wollen gehet, son- "dern auch von derjenigen Kraftäußerung, welche er- "folget, indem man will, das ist, von der Bestim- "mung, welche der Kraft im Wollen gegeben wird."
Da dieß unmittelbare Erfahrung ist, so kann ich nichts zu ihrer Bestätigung sagen, als daß man nur in solchen Fällen, wo man sich zu etwas entschließt, auf sich acht haben dürfe, um es so in sich selbst ge- wahrzunehmen. Jch bin munter zur Arbeit, komme auf mein Zimmer, besinne mich, welches Geschäffte ich vorzunehmen habe. Es sind Vorstellungen von den
Thä-
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
wir als ſolche empfinden, zu denen wir uns ſelbſt be- ſtimmen, nicht aber zu ihnen gezogen, geſtoßen, oder leidentlich beſtimmet werden.
Jch beſtimme mich zum Aufſtehen, da ich ſitze. Das naͤchſte was erfolget, iſt das, was wir in uns das Wollen nennen. Es gehoͤrt noch mehr dazu, um das Gewollte auszurichten; aber indem ich mich mit Ueber- legung zum Wollen beſtimme, ſo finde ich meine Kraft ſchon in Wirkſamkeit, noch ehe ich will, ſchon waͤhrend des Beſinnens und des Ueberlegens.
Vielleicht ſchlaͤft mir der Fuß oder iſt paralytiſch geworden, ohne daß ichs weiß. Alsdenn werde ich nicht aufſtehen koͤnnen. Dieſe letztere Aktion des Koͤr- pers wollen wir noch bey Seite ſetzen. Aber ich kann es doch nichts deſtoweniger wollen, und will es. Jn dem Zuſtande, da ich mich beſinne und will, finde ich die innere ſich zum Wollen beſtimmende Kraft erreget und thaͤtig, und bereit zum Nichtwollen, wenn mir dieß gefaͤllt.
2.
Die zwote Erfahrung iſt dieſe. „Man kann nichts „wollen, ſich zu nichts ſelbſtthaͤtig beſtimmen, wenn „nicht eine Vorſtellung in uns vorhanden iſt, nicht al- „lein von dem Objekt, worauf das Wollen gehet, ſon- „dern auch von derjenigen Kraftaͤußerung, welche er- „folget, indem man will, das iſt, von der Beſtim- „mung, welche der Kraft im Wollen gegeben wird.‟
Da dieß unmittelbare Erfahrung iſt, ſo kann ich nichts zu ihrer Beſtaͤtigung ſagen, als daß man nur in ſolchen Faͤllen, wo man ſich zu etwas entſchließt, auf ſich acht haben duͤrfe, um es ſo in ſich ſelbſt ge- wahrzunehmen. Jch bin munter zur Arbeit, komme auf mein Zimmer, beſinne mich, welches Geſchaͤffte ich vorzunehmen habe. Es ſind Vorſtellungen von den
Thaͤ-
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XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
wir als ſolche empfinden, zu denen wir uns ſelbſt be-
ſtimmen, nicht aber zu ihnen gezogen, geſtoßen, oder
leidentlich beſtimmet werden.
Jch beſtimme mich zum Aufſtehen, da ich ſitze.
Das naͤchſte was erfolget, iſt das, was wir in uns das
Wollen nennen. Es gehoͤrt noch mehr dazu, um das
Gewollte auszurichten; aber indem ich mich mit Ueber-
legung zum Wollen beſtimme, ſo finde ich meine
Kraft ſchon in Wirkſamkeit, noch ehe ich will, ſchon
waͤhrend des Beſinnens und des Ueberlegens.
Vielleicht ſchlaͤft mir der Fuß oder iſt paralytiſch
geworden, ohne daß ichs weiß. Alsdenn werde ich
nicht aufſtehen koͤnnen. Dieſe letztere Aktion des Koͤr-
pers wollen wir noch bey Seite ſetzen. Aber ich kann
es doch nichts deſtoweniger wollen, und will es. Jn
dem Zuſtande, da ich mich beſinne und will, finde ich
die innere ſich zum Wollen beſtimmende Kraft erreget
und thaͤtig, und bereit zum Nichtwollen, wenn mir
dieß gefaͤllt.
2.
Die zwote Erfahrung iſt dieſe. „Man kann nichts
„wollen, ſich zu nichts ſelbſtthaͤtig beſtimmen, wenn
„nicht eine Vorſtellung in uns vorhanden iſt, nicht al-
„lein von dem Objekt, worauf das Wollen gehet, ſon-
„dern auch von derjenigen Kraftaͤußerung, welche er-
„folget, indem man will, das iſt, von der Beſtim-
„mung, welche der Kraft im Wollen gegeben wird.‟
Da dieß unmittelbare Erfahrung iſt, ſo kann ich
nichts zu ihrer Beſtaͤtigung ſagen, als daß man nur
in ſolchen Faͤllen, wo man ſich zu etwas entſchließt,
auf ſich acht haben duͤrfe, um es ſo in ſich ſelbſt ge-
wahrzunehmen. Jch bin munter zur Arbeit, komme
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/116>, abgerufen am 23.11.2024.
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