Die vorhergehenden Bemerkungen bringen uns end- lich zu der dunkeln Stelle hin, wo wir Licht und Helle zu haben wünschen. Wir handeln frey, und be- stimmen uns selbst aus Eigenmacht. Dieß fühlen wir. Aber wir werden auch so oft nur leidentlich bestimmet. Da die Umstände, unter welchen das letztere geschieht, aufgesuchet worden sind, und überhaupt schon der Un- terschied zwischen wahren Selbstbestimmungen und zwi- schen den passive angenommenen Richtungen unserer Kraft bemerket ist, so fehlet es nur noch daran, daß wir auf eine ähnliche Art die Erfodernisse von jenen wahren freyen Selbstbestimmungen aufsuchen, und daraus in die innere Beschaffenheit derselben einige Blicke wagen. Es sollen aber auch hier wiederum Er- fahrungen zum Grunde geleget werden.
Die erste ist diese: "Wo ich mich selbstthätig zu "etwas bestimme, etwas will, da muß sich die innere "Kraft der Seele, mit der ich will, und mich zu der "Aktion bestimme, in einem Zustande der regen Wirk- "samkeit befinden."
Jch bestimme mich mit Ueberlegung, zur rechten Hand zu gehen, oder zur Linken. Da empfinde ich, daß meine Willenskraft, oder mein Vermögen mich entschließen zu können, in einem Zustand der Wirksam- keit ist. Es ist zum wenigsten ein Trieb da, heraus zu wollen. Man bestimmt sich selbst, wenn man mit Besinnung, und mit Gegenwart des Geistes handelt. Nach meinem Gefühl ist es wenigstens so; und auf sol- che Fälle, wo man nach Ueberlegung oder wenigstens mit Besinnung handelt, muß man allein zurücksehen, wenn man das aufsuchen will, was in unsern Selbst- bestimmungen enthalten ist. Denn diese Kraftäuße- rungen, und nur diese sind zuverläßig diejenigen, die
wir
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und Freyheit.
1.
Die vorhergehenden Bemerkungen bringen uns end- lich zu der dunkeln Stelle hin, wo wir Licht und Helle zu haben wuͤnſchen. Wir handeln frey, und be- ſtimmen uns ſelbſt aus Eigenmacht. Dieß fuͤhlen wir. Aber wir werden auch ſo oft nur leidentlich beſtimmet. Da die Umſtaͤnde, unter welchen das letztere geſchieht, aufgeſuchet worden ſind, und uͤberhaupt ſchon der Un- terſchied zwiſchen wahren Selbſtbeſtimmungen und zwi- ſchen den paſſive angenommenen Richtungen unſerer Kraft bemerket iſt, ſo fehlet es nur noch daran, daß wir auf eine aͤhnliche Art die Erfoderniſſe von jenen wahren freyen Selbſtbeſtimmungen aufſuchen, und daraus in die innere Beſchaffenheit derſelben einige Blicke wagen. Es ſollen aber auch hier wiederum Er- fahrungen zum Grunde geleget werden.
Die erſte iſt dieſe: „Wo ich mich ſelbſtthaͤtig zu „etwas beſtimme, etwas will, da muß ſich die innere „Kraft der Seele, mit der ich will, und mich zu der „Aktion beſtimme, in einem Zuſtande der regen Wirk- „ſamkeit befinden.‟
Jch beſtimme mich mit Ueberlegung, zur rechten Hand zu gehen, oder zur Linken. Da empfinde ich, daß meine Willenskraft, oder mein Vermoͤgen mich entſchließen zu koͤnnen, in einem Zuſtand der Wirkſam- keit iſt. Es iſt zum wenigſten ein Trieb da, heraus zu wollen. Man beſtimmt ſich ſelbſt, wenn man mit Beſinnung, und mit Gegenwart des Geiſtes handelt. Nach meinem Gefuͤhl iſt es wenigſtens ſo; und auf ſol- che Faͤlle, wo man nach Ueberlegung oder wenigſtens mit Beſinnung handelt, muß man allein zuruͤckſehen, wenn man das aufſuchen will, was in unſern Selbſt- beſtimmungen enthalten iſt. Denn dieſe Kraftaͤuße- rungen, und nur dieſe ſind zuverlaͤßig diejenigen, die
wir
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und Freyheit.
1.
Die vorhergehenden Bemerkungen bringen uns end-
lich zu der dunkeln Stelle hin, wo wir Licht und
Helle zu haben wuͤnſchen. Wir handeln frey, und be-
ſtimmen uns ſelbſt aus Eigenmacht. Dieß fuͤhlen wir.
Aber wir werden auch ſo oft nur leidentlich beſtimmet.
Da die Umſtaͤnde, unter welchen das letztere geſchieht,
aufgeſuchet worden ſind, und uͤberhaupt ſchon der Un-
terſchied zwiſchen wahren Selbſtbeſtimmungen und zwi-
ſchen den paſſive angenommenen Richtungen unſerer
Kraft bemerket iſt, ſo fehlet es nur noch daran, daß
wir auf eine aͤhnliche Art die Erfoderniſſe von jenen
wahren freyen Selbſtbeſtimmungen aufſuchen, und
daraus in die innere Beſchaffenheit derſelben einige
Blicke wagen. Es ſollen aber auch hier wiederum Er-
fahrungen zum Grunde geleget werden.
Die erſte iſt dieſe: „Wo ich mich ſelbſtthaͤtig zu
„etwas beſtimme, etwas will, da muß ſich die innere
„Kraft der Seele, mit der ich will, und mich zu der
„Aktion beſtimme, in einem Zuſtande der regen Wirk-
„ſamkeit befinden.‟
Jch beſtimme mich mit Ueberlegung, zur rechten
Hand zu gehen, oder zur Linken. Da empfinde ich,
daß meine Willenskraft, oder mein Vermoͤgen mich
entſchließen zu koͤnnen, in einem Zuſtand der Wirkſam-
keit iſt. Es iſt zum wenigſten ein Trieb da, heraus
zu wollen. Man beſtimmt ſich ſelbſt, wenn man mit
Beſinnung, und mit Gegenwart des Geiſtes handelt.
Nach meinem Gefuͤhl iſt es wenigſtens ſo; und auf ſol-
che Faͤlle, wo man nach Ueberlegung oder wenigſtens
mit Beſinnung handelt, muß man allein zuruͤckſehen,
wenn man das aufſuchen will, was in unſern Selbſt-
beſtimmungen enthalten iſt. Denn dieſe Kraftaͤuße-
rungen, und nur dieſe ſind zuverlaͤßig diejenigen, die
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/115>, abgerufen am 21.11.2024.
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