in so weit als einen Zug in dem Grundcharakter ansehen müsse, als eine gewisse vortheilhafte Beziehung auf die innre Selbstthätigkeit davon eine Folge ist.
III. Von der innern Selbstthätigkeit der menschli- chen Seele.
1) Worinn diese Selbstthätigkeit zu setzen ist. 2) Ein höherer Grad von ihr gehört zu den Eigenheiten des Menschen. 3) Wie ferne darinn der Grundcharakter der menschlichen Seele liege. 4) Ob dieser Grundcharakter bestimmt sey?
1.
Das vernünftige Denken entspringet aus einem hö- hern Grade der innern Modifikabilität und der Selbstthätigkeit. Ein Vorzug von Selbstthä- tigkeit muß also wohl unter die Grundvorzüge der Mensch- heit gehören. Aber worinn bestehet sie, und wieviel enthält sie von dem ganzen Grundcharakter?
Man gehet einen Berg langsam hinauf, und ge- schwinder herunter. Jn dem letztern Fall ist in dem Körper eine stärkere Bewegung vorhanden, und also wirket auf ihn eine größere Kraft; aber es ist mehr Selbstthätigkeit in ihm beym Hinaufsteigen. Die Vor- stellung des Phantasirenden, der im Fieber irre redet, die Jdeen eines Menschen in einer heftigen Leidenschaft, in der Vernunftlosigkeit, sind vielleicht in größerer An- zahl, lebhafter und stärker gegenwärtig, als die sanftern Wallungen der Phantasie bey dem, der mit kaltem Blut einen Plan überdenket; aber arbeitet deswegen unser Jch, die sich selbstfühlende Seele in den erstern Fällen bey den
stärkern
XI. Verſuch. Ueber die Grundkraft
in ſo weit als einen Zug in dem Grundcharakter anſehen muͤſſe, als eine gewiſſe vortheilhafte Beziehung auf die innre Selbſtthaͤtigkeit davon eine Folge iſt.
III. Von der innern Selbſtthaͤtigkeit der menſchli- chen Seele.
1) Worinn dieſe Selbſtthaͤtigkeit zu ſetzen iſt. 2) Ein hoͤherer Grad von ihr gehoͤrt zu den Eigenheiten des Menſchen. 3) Wie ferne darinn der Grundcharakter der menſchlichen Seele liege. 4) Ob dieſer Grundcharakter beſtimmt ſey?
1.
Das vernuͤnftige Denken entſpringet aus einem hoͤ- hern Grade der innern Modifikabilitaͤt und der Selbſtthaͤtigkeit. Ein Vorzug von Selbſtthaͤ- tigkeit muß alſo wohl unter die Grundvorzuͤge der Menſch- heit gehoͤren. Aber worinn beſtehet ſie, und wieviel enthaͤlt ſie von dem ganzen Grundcharakter?
Man gehet einen Berg langſam hinauf, und ge- ſchwinder herunter. Jn dem letztern Fall iſt in dem Koͤrper eine ſtaͤrkere Bewegung vorhanden, und alſo wirket auf ihn eine groͤßere Kraft; aber es iſt mehr Selbſtthaͤtigkeit in ihm beym Hinaufſteigen. Die Vor- ſtellung des Phantaſirenden, der im Fieber irre redet, die Jdeen eines Menſchen in einer heftigen Leidenſchaft, in der Vernunftloſigkeit, ſind vielleicht in groͤßerer An- zahl, lebhafter und ſtaͤrker gegenwaͤrtig, als die ſanftern Wallungen der Phantaſie bey dem, der mit kaltem Blut einen Plan uͤberdenket; aber arbeitet deswegen unſer Jch, die ſich ſelbſtfuͤhlende Seele in den erſtern Faͤllen bey den
ſtaͤrkern
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XI. Verſuch. Ueber die Grundkraft
in ſo weit als einen Zug in dem Grundcharakter anſehen
muͤſſe, als eine gewiſſe vortheilhafte Beziehung auf die
innre Selbſtthaͤtigkeit davon eine Folge iſt.
III.
Von der innern Selbſtthaͤtigkeit der menſchli-
chen Seele.
1) Worinn dieſe Selbſtthaͤtigkeit zu ſetzen iſt.
2) Ein hoͤherer Grad von ihr gehoͤrt zu den
Eigenheiten des Menſchen.
3) Wie ferne darinn der Grundcharakter
der menſchlichen Seele liege.
4) Ob dieſer Grundcharakter beſtimmt ſey?
1.
Das vernuͤnftige Denken entſpringet aus einem hoͤ-
hern Grade der innern Modifikabilitaͤt und
der Selbſtthaͤtigkeit. Ein Vorzug von Selbſtthaͤ-
tigkeit muß alſo wohl unter die Grundvorzuͤge der Menſch-
heit gehoͤren. Aber worinn beſtehet ſie, und wieviel
enthaͤlt ſie von dem ganzen Grundcharakter?
Man gehet einen Berg langſam hinauf, und ge-
ſchwinder herunter. Jn dem letztern Fall iſt in dem
Koͤrper eine ſtaͤrkere Bewegung vorhanden, und alſo
wirket auf ihn eine groͤßere Kraft; aber es iſt mehr
Selbſtthaͤtigkeit in ihm beym Hinaufſteigen. Die Vor-
ſtellung des Phantaſirenden, der im Fieber irre redet,
die Jdeen eines Menſchen in einer heftigen Leidenſchaft,
in der Vernunftloſigkeit, ſind vielleicht in groͤßerer An-
zahl, lebhafter und ſtaͤrker gegenwaͤrtig, als die ſanftern
Wallungen der Phantaſie bey dem, der mit kaltem Blut
einen Plan uͤberdenket; aber arbeitet deswegen unſer Jch,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/812>, abgerufen am 03.12.2024.
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