V. Von der Verschiedenheit der Empfindungen, in so ferne sie mehr die eine, als die an- dere von den Grundvermögen der Seele zur Wirksamkeit reizen.
1) Der Grund, warum gewisse Empfin- dungen mehr die Empfindsamkeit erregen, andere mehr den Verstand zum Denken, und andere mehr den Willen zum Han- deln bestimmen, liegt zum Theil in einer gewissen Beschaffenheit der Empfin- dungen. 2) Es können überhaupt nur solche Sachen besondere Gegenstände des Gefühls seyn, von welchen die Eindrücke besonders und unvermischt mit den Eindrücken von an- dern der Seele zugeführet werden. 3) Vielbefassende, lebhafte, starke und un- auseinandergesetzte Empfindungen sind die eigentlichen Gefühle, welche rühren und bewegen. Allzustarke Eindrücke be- täuben. 4) Gleichgültige Empfindungen reizen das Empfindungsvermögen, als Sinn be- trachtet, aus demselbigen Grunde, aus dem sie auf die Vorstellungskraft wirken. 5) Gemäßigte und mehr auseinandergesetzte Empfindungen reizen die vorstellende Kraft. Noch mehr auseinandergesetzte die Denkkraft.
6) Die
der Vorſtellungskraft ⁊c.
V. Von der Verſchiedenheit der Empfindungen, in ſo ferne ſie mehr die eine, als die an- dere von den Grundvermoͤgen der Seele zur Wirkſamkeit reizen.
1) Der Grund, warum gewiſſe Empfin- dungen mehr die Empfindſamkeit erregen, andere mehr den Verſtand zum Denken, und andere mehr den Willen zum Han- deln beſtimmen, liegt zum Theil in einer gewiſſen Beſchaffenheit der Empfin- dungen. 2) Es koͤnnen uͤberhaupt nur ſolche Sachen beſondere Gegenſtaͤnde des Gefuͤhls ſeyn, von welchen die Eindruͤcke beſonders und unvermiſcht mit den Eindruͤcken von an- dern der Seele zugefuͤhret werden. 3) Vielbefaſſende, lebhafte, ſtarke und un- auseinandergeſetzte Empfindungen ſind die eigentlichen Gefuͤhle, welche ruͤhren und bewegen. Allzuſtarke Eindruͤcke be- taͤuben. 4) Gleichguͤltige Empfindungen reizen das Empfindungsvermoͤgen, als Sinn be- trachtet, aus demſelbigen Grunde, aus dem ſie auf die Vorſtellungskraft wirken. 5) Gemaͤßigte und mehr auseinandergeſetzte Empfindungen reizen die vorſtellende Kraft. Noch mehr auseinandergeſetzte die Denkkraft.
6) Die
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der Vorſtellungskraft ⁊c.
V.
Von der Verſchiedenheit der Empfindungen,
in ſo ferne ſie mehr die eine, als die an-
dere von den Grundvermoͤgen der Seele
zur Wirkſamkeit reizen.
1) Der Grund, warum gewiſſe Empfin-
dungen mehr die Empfindſamkeit erregen,
andere mehr den Verſtand zum Denken,
und andere mehr den Willen zum Han-
deln beſtimmen, liegt zum Theil in einer
gewiſſen Beſchaffenheit der Empfin-
dungen.
2) Es koͤnnen uͤberhaupt nur ſolche Sachen
beſondere Gegenſtaͤnde des Gefuͤhls ſeyn,
von welchen die Eindruͤcke beſonders und
unvermiſcht mit den Eindruͤcken von an-
dern der Seele zugefuͤhret werden.
3) Vielbefaſſende, lebhafte, ſtarke und un-
auseinandergeſetzte Empfindungen ſind
die eigentlichen Gefuͤhle, welche ruͤhren
und bewegen. Allzuſtarke Eindruͤcke be-
taͤuben.
4) Gleichguͤltige Empfindungen reizen das
Empfindungsvermoͤgen, als Sinn be-
trachtet, aus demſelbigen Grunde, aus
dem ſie auf die Vorſtellungskraft wirken.
5) Gemaͤßigte und mehr auseinandergeſetzte
Empfindungen reizen die vorſtellende
Kraft. Noch mehr auseinandergeſetzte
die Denkkraft.
6) Die
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/763>, abgerufen am 21.11.2024.
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