Wir haben hier einen allgemeinen Charakter der zufälligen Urtheile, die es nemlich in so ferne sind, daß sie durch Erfahrungen und durch Ueberlegung um- geändert werden können, wenn gleich die auf einander bezogene Vorstellungen und Jdeen, oder die Materie des Urtheils, wie die Vernunftlehrer sagen, in aller Hin- sicht, auch an Klarheit und Deutlichkeit dieselbigen blei- ben. "Wo das Urtheil eine gewisse Verknüpfung von "Vorstellungen erfodert, die blos von der Koexistenz in "der Empfindung, oder von einer nachher entstandenen "bloßen Association in der Phantasie, und nicht von "noch andern Beziehungen und Verhältnissen der Jdeen "abhängt, und wo wir nur allein vermittelst einer sol- "chen Association urtheilen, da ist die Form des Ur- "theils zufällig." Wenn eine solche Association einen Einfluß in das Verhältniß hat, das wir den Sachen oder Jdeen zuschreiben, so ist es an sich möglich, daß jene Association gehoben, und alsdenn verneinet werden kann, was vorher bejahet worden ist. Das vorige Bey- spiel erläutert auch dieses. Es können Objekte, die wir für gleich große erkannt haben, für ungleich erkannt wer- den, obgleich dieselbigen Vorstellungen von ihnen noch vorhanden sind, die wir vorher hatten, und ob wir gleich in ihnen noch dasselbige gewahrnehmen, und sie auf die- selbige Art mit einander vergleichen.
3.
Dagegen, wenn solch eine vorläufige Association kei- nen Einfluß in den Aktus des Denkens hat, so erfolget dieser seiner Form nach, nothwendig so, wie er erfol- get, daferne die Vorstellungen und Jdeen, als die Ge- genstände der Denkkraft, unverändert bleiben.
Dahin
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
2.
Wir haben hier einen allgemeinen Charakter der zufaͤlligen Urtheile, die es nemlich in ſo ferne ſind, daß ſie durch Erfahrungen und durch Ueberlegung um- geaͤndert werden koͤnnen, wenn gleich die auf einander bezogene Vorſtellungen und Jdeen, oder die Materie des Urtheils, wie die Vernunftlehrer ſagen, in aller Hin- ſicht, auch an Klarheit und Deutlichkeit dieſelbigen blei- ben. „Wo das Urtheil eine gewiſſe Verknuͤpfung von „Vorſtellungen erfodert, die blos von der Koexiſtenz in „der Empfindung, oder von einer nachher entſtandenen „bloßen Aſſociation in der Phantaſie, und nicht von „noch andern Beziehungen und Verhaͤltniſſen der Jdeen „abhaͤngt, und wo wir nur allein vermittelſt einer ſol- „chen Aſſociation urtheilen, da iſt die Form des Ur- „theils zufaͤllig.‟ Wenn eine ſolche Aſſociation einen Einfluß in das Verhaͤltniß hat, das wir den Sachen oder Jdeen zuſchreiben, ſo iſt es an ſich moͤglich, daß jene Aſſociation gehoben, und alsdenn verneinet werden kann, was vorher bejahet worden iſt. Das vorige Bey- ſpiel erlaͤutert auch dieſes. Es koͤnnen Objekte, die wir fuͤr gleich große erkannt haben, fuͤr ungleich erkannt wer- den, obgleich dieſelbigen Vorſtellungen von ihnen noch vorhanden ſind, die wir vorher hatten, und ob wir gleich in ihnen noch daſſelbige gewahrnehmen, und ſie auf die- ſelbige Art mit einander vergleichen.
3.
Dagegen, wenn ſolch eine vorlaͤufige Aſſociation kei- nen Einfluß in den Aktus des Denkens hat, ſo erfolget dieſer ſeiner Form nach, nothwendig ſo, wie er erfol- get, daferne die Vorſtellungen und Jdeen, als die Ge- genſtaͤnde der Denkkraft, unveraͤndert bleiben.
Dahin
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
2.
Wir haben hier einen allgemeinen Charakter der
zufaͤlligen Urtheile, die es nemlich in ſo ferne ſind,
daß ſie durch Erfahrungen und durch Ueberlegung um-
geaͤndert werden koͤnnen, wenn gleich die auf einander
bezogene Vorſtellungen und Jdeen, oder die Materie
des Urtheils, wie die Vernunftlehrer ſagen, in aller Hin-
ſicht, auch an Klarheit und Deutlichkeit dieſelbigen blei-
ben. „Wo das Urtheil eine gewiſſe Verknuͤpfung von
„Vorſtellungen erfodert, die blos von der Koexiſtenz in
„der Empfindung, oder von einer nachher entſtandenen
„bloßen Aſſociation in der Phantaſie, und nicht von
„noch andern Beziehungen und Verhaͤltniſſen der Jdeen
„abhaͤngt, und wo wir nur allein vermittelſt einer ſol-
„chen Aſſociation urtheilen, da iſt die Form des Ur-
„theils zufaͤllig.‟ Wenn eine ſolche Aſſociation einen
Einfluß in das Verhaͤltniß hat, das wir den Sachen
oder Jdeen zuſchreiben, ſo iſt es an ſich moͤglich, daß
jene Aſſociation gehoben, und alsdenn verneinet werden
kann, was vorher bejahet worden iſt. Das vorige Bey-
ſpiel erlaͤutert auch dieſes. Es koͤnnen Objekte, die wir
fuͤr gleich große erkannt haben, fuͤr ungleich erkannt wer-
den, obgleich dieſelbigen Vorſtellungen von ihnen noch
vorhanden ſind, die wir vorher hatten, und ob wir gleich
in ihnen noch daſſelbige gewahrnehmen, und ſie auf die-
ſelbige Art mit einander vergleichen.
3.
Dagegen, wenn ſolch eine vorlaͤufige Aſſociation kei-
nen Einfluß in den Aktus des Denkens hat, ſo erfolget
dieſer ſeiner Form nach, nothwendig ſo, wie er erfol-
get, daferne die Vorſtellungen und Jdeen, als die Ge-
genſtaͤnde der Denkkraft, unveraͤndert bleiben.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/546>, abgerufen am 21.11.2024.
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