III. Welche Entwickelung der Gedanken erfodert wer- de, um zur Unterscheidung der subjektivischen und objektivischen Existenz der Dinge zu ge- langen.
Bey dieser Entwickelung der Denkkraft lassen sich fol- gende Schritte unterscheiden.
Da anfangs der ganze Jnbegrif von Empfindungen und Empfindungsvorstellungen, mit welchen sich eigent- lich der Aktus der Denkkraft verbindet, so wohl der in- nern als äußern Empfindungen, derer die aus unserm eigenen Körper und derer die von fremden entstehen, unabgesondert und unauseinandergesetzt; fast wie Eine ganze Empfindung vorhanden war, so mußte die erste Wirkung der Seele auf sie darinn bestehen, daß sie ver- theilet und in verschiedene Haufen gesondert wurden. Dieß geschah, und zwar so, daß die Jnnern Empfin- dungen zu Einer Klasse; die Aeußern aus unserm Kör- per zu Einer andern, und die von fremden Objekten zu Einer dritten gebracht, und dann als unterschiedene Arten gewahrgenommen wurden. Von hier an gieng die Denkkraft weiter. Sie machte sich eine Jdee von Jhrem Selbst und Jhrem Jnnern; sie erhielt eine andere von Jhrem Körper, und eine dritte von ei- nem äußern Objekt; und da sie nun die einzelnen Em- pfindungen auf diese Begriffe von Sich, von Jhrem Körper und dem äußern Objekt bezog, so entstanden die Urtheile über die subjektivische und objektivische Existenz der empfundenen Objekte.
Um diese Schritte deutlich zu begreifen, wird erfo- dert,
1) Daß man einsehe, durch welche Vermögen und nach welchen Wirkungsgesetzen die Absonderung und
Ver-
V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
III. Welche Entwickelung der Gedanken erfodert wer- de, um zur Unterſcheidung der ſubjektiviſchen und objektiviſchen Exiſtenz der Dinge zu ge- langen.
Bey dieſer Entwickelung der Denkkraft laſſen ſich fol- gende Schritte unterſcheiden.
Da anfangs der ganze Jnbegrif von Empfindungen und Empfindungsvorſtellungen, mit welchen ſich eigent- lich der Aktus der Denkkraft verbindet, ſo wohl der in- nern als aͤußern Empfindungen, derer die aus unſerm eigenen Koͤrper und derer die von fremden entſtehen, unabgeſondert und unauseinandergeſetzt; faſt wie Eine ganze Empfindung vorhanden war, ſo mußte die erſte Wirkung der Seele auf ſie darinn beſtehen, daß ſie ver- theilet und in verſchiedene Haufen geſondert wurden. Dieß geſchah, und zwar ſo, daß die Jnnern Empfin- dungen zu Einer Klaſſe; die Aeußern aus unſerm Koͤr- per zu Einer andern, und die von fremden Objekten zu Einer dritten gebracht, und dann als unterſchiedene Arten gewahrgenommen wurden. Von hier an gieng die Denkkraft weiter. Sie machte ſich eine Jdee von Jhrem Selbſt und Jhrem Jnnern; ſie erhielt eine andere von Jhrem Koͤrper, und eine dritte von ei- nem aͤußern Objekt; und da ſie nun die einzelnen Em- pfindungen auf dieſe Begriffe von Sich, von Jhrem Koͤrper und dem aͤußern Objekt bezog, ſo entſtanden die Urtheile uͤber die ſubjektiviſche und objektiviſche Exiſtenz der empfundenen Objekte.
Um dieſe Schritte deutlich zu begreifen, wird erfo- dert,
1) Daß man einſehe, durch welche Vermoͤgen und nach welchen Wirkungsgeſetzen die Abſonderung und
Ver-
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V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
III.
Welche Entwickelung der Gedanken erfodert wer-
de, um zur Unterſcheidung der ſubjektiviſchen
und objektiviſchen Exiſtenz der Dinge zu ge-
langen.
Bey dieſer Entwickelung der Denkkraft laſſen ſich fol-
gende Schritte unterſcheiden.
Da anfangs der ganze Jnbegrif von Empfindungen
und Empfindungsvorſtellungen, mit welchen ſich eigent-
lich der Aktus der Denkkraft verbindet, ſo wohl der in-
nern als aͤußern Empfindungen, derer die aus unſerm
eigenen Koͤrper und derer die von fremden entſtehen,
unabgeſondert und unauseinandergeſetzt; faſt wie Eine
ganze Empfindung vorhanden war, ſo mußte die erſte
Wirkung der Seele auf ſie darinn beſtehen, daß ſie ver-
theilet und in verſchiedene Haufen geſondert wurden.
Dieß geſchah, und zwar ſo, daß die Jnnern Empfin-
dungen zu Einer Klaſſe; die Aeußern aus unſerm Koͤr-
per zu Einer andern, und die von fremden Objekten
zu Einer dritten gebracht, und dann als unterſchiedene
Arten gewahrgenommen wurden. Von hier an gieng
die Denkkraft weiter. Sie machte ſich eine Jdee von
Jhrem Selbſt und Jhrem Jnnern; ſie erhielt eine
andere von Jhrem Koͤrper, und eine dritte von ei-
nem aͤußern Objekt; und da ſie nun die einzelnen Em-
pfindungen auf dieſe Begriffe von Sich, von Jhrem
Koͤrper und dem aͤußern Objekt bezog, ſo entſtanden die
Urtheile uͤber die ſubjektiviſche und objektiviſche Exiſtenz
der empfundenen Objekte.
Um dieſe Schritte deutlich zu begreifen, wird erfo-
dert,
1) Daß man einſehe, durch welche Vermoͤgen und
nach welchen Wirkungsgeſetzen die Abſonderung und
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/440>, abgerufen am 21.11.2024.
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