II. Ob der Mensch bey dem natürlichen Gang der Reflexion vorher ein Egoist seyn müsse, ehe er es wissen könne, daß es Dinge außer ihm gebe?
Bey dieser Untersuchung muß beobachtet, und Beob- achtungen müssen verglichen werden, und so viel möglich mit Beyseitesetzung aller selbst gemachten Vor- stellungen der Dichtkraft. Wenn einige Philosophen in dem Raisonnement, wodurch der Mensch zur Erkennt- niß der Existenz der Dinge außer sich gelanget, die Denk- kraft einen solchen Gang haben nehmen lassen, der leich- ter, natürlicher, und zunächst auf den Jdealismus und Egoismus hinführet, als zu dem System des ge- meinen Verstandes, so hat man sich ein wenig diesem angenehmen Fehler überlassen. Die von Hr. Reid so- genannte Jdeenphilosophie oder der Grundsatz: alle Urtheile über die Objekte entstehen nur vermittelst der Eindrücke oder der Vorstellungen von ihnen; ein Grund- satz, den dieser Britte nach seiner sonstigen Einsicht in der Naturlehre nicht hätte leugnen sollen, ist gewiß hier- an ganz unschuldig.
Die Art, wie Hume, und nach ihm vor andern der Hr. Graf von Buffon, das Entstehen des Gedankens von der objektivischen Existenz der Dinge dargestellet hat, ist, besonders in dem Vortrag des letztern, schön und einnehmend, und dabey so scharfsichtig, daß es al- lein darum der Mühe werth ist, zu untersuchen, ob sie auch eben so wahr und richtig sey? Hr. Buffon läßt den Menschen im Anfang, da er seine Empfindungen mit einander vergleicht, nicht zwar völlig ein Egoist seyn, weil er ihn noch nicht läugnen lässet, was dieser läugnet, aber er läßt ihn doch auf gut Berkeleyisch und Humisch
eine
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
II. Ob der Menſch bey dem natuͤrlichen Gang der Reflexion vorher ein Egoiſt ſeyn muͤſſe, ehe er es wiſſen koͤnne, daß es Dinge außer ihm gebe?
Bey dieſer Unterſuchung muß beobachtet, und Beob- achtungen muͤſſen verglichen werden, und ſo viel moͤglich mit Beyſeiteſetzung aller ſelbſt gemachten Vor- ſtellungen der Dichtkraft. Wenn einige Philoſophen in dem Raiſonnement, wodurch der Menſch zur Erkennt- niß der Exiſtenz der Dinge außer ſich gelanget, die Denk- kraft einen ſolchen Gang haben nehmen laſſen, der leich- ter, natuͤrlicher, und zunaͤchſt auf den Jdealismus und Egoismus hinfuͤhret, als zu dem Syſtem des ge- meinen Verſtandes, ſo hat man ſich ein wenig dieſem angenehmen Fehler uͤberlaſſen. Die von Hr. Reid ſo- genannte Jdeenphiloſophie oder der Grundſatz: alle Urtheile uͤber die Objekte entſtehen nur vermittelſt der Eindruͤcke oder der Vorſtellungen von ihnen; ein Grund- ſatz, den dieſer Britte nach ſeiner ſonſtigen Einſicht in der Naturlehre nicht haͤtte leugnen ſollen, iſt gewiß hier- an ganz unſchuldig.
Die Art, wie Hume, und nach ihm vor andern der Hr. Graf von Buffon, das Entſtehen des Gedankens von der objektiviſchen Exiſtenz der Dinge dargeſtellet hat, iſt, beſonders in dem Vortrag des letztern, ſchoͤn und einnehmend, und dabey ſo ſcharfſichtig, daß es al- lein darum der Muͤhe werth iſt, zu unterſuchen, ob ſie auch eben ſo wahr und richtig ſey? Hr. Buffon laͤßt den Menſchen im Anfang, da er ſeine Empfindungen mit einander vergleicht, nicht zwar voͤllig ein Egoiſt ſeyn, weil er ihn noch nicht laͤugnen laͤſſet, was dieſer laͤugnet, aber er laͤßt ihn doch auf gut Berkeleyiſch und Humiſch
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
II.
Ob der Menſch bey dem natuͤrlichen Gang der
Reflexion vorher ein Egoiſt ſeyn muͤſſe, ehe
er es wiſſen koͤnne, daß es Dinge außer ihm
gebe?
Bey dieſer Unterſuchung muß beobachtet, und Beob-
achtungen muͤſſen verglichen werden, und ſo viel
moͤglich mit Beyſeiteſetzung aller ſelbſt gemachten Vor-
ſtellungen der Dichtkraft. Wenn einige Philoſophen in
dem Raiſonnement, wodurch der Menſch zur Erkennt-
niß der Exiſtenz der Dinge außer ſich gelanget, die Denk-
kraft einen ſolchen Gang haben nehmen laſſen, der leich-
ter, natuͤrlicher, und zunaͤchſt auf den Jdealismus
und Egoismus hinfuͤhret, als zu dem Syſtem des ge-
meinen Verſtandes, ſo hat man ſich ein wenig dieſem
angenehmen Fehler uͤberlaſſen. Die von Hr. Reid ſo-
genannte Jdeenphiloſophie oder der Grundſatz: alle
Urtheile uͤber die Objekte entſtehen nur vermittelſt der
Eindruͤcke oder der Vorſtellungen von ihnen; ein Grund-
ſatz, den dieſer Britte nach ſeiner ſonſtigen Einſicht in
der Naturlehre nicht haͤtte leugnen ſollen, iſt gewiß hier-
an ganz unſchuldig.
Die Art, wie Hume, und nach ihm vor andern der
Hr. Graf von Buffon, das Entſtehen des Gedankens
von der objektiviſchen Exiſtenz der Dinge dargeſtellet
hat, iſt, beſonders in dem Vortrag des letztern, ſchoͤn
und einnehmend, und dabey ſo ſcharfſichtig, daß es al-
lein darum der Muͤhe werth iſt, zu unterſuchen, ob ſie
auch eben ſo wahr und richtig ſey? Hr. Buffon laͤßt
den Menſchen im Anfang, da er ſeine Empfindungen
mit einander vergleicht, nicht zwar voͤllig ein Egoiſt ſeyn,
weil er ihn noch nicht laͤugnen laͤſſet, was dieſer laͤugnet,
aber er laͤßt ihn doch auf gut Berkeleyiſch und Humiſch
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/437>, abgerufen am 21.11.2024.
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