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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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Fünfter Versuch.
Ueber den Ursprung unserer Kenntnisse von
der objektivischen Existenz der Dinge.
I.
Ob die Kenntnisse von dem Daseyn der äußern
Gegenstände als instinktartige Urtheile der
Denkkraft angesehen werden können?

Wer über die Wirkungen des menschlichen Verstan-
des nachgedacht hat, wird es eingestehen, daß
in der ganzen Lehre von dem Ursprung unserer Kenntnisse
keine dunklere Stelle vorkomme, als bey der Frage:
wie, auf welche Art, durch welche Mittel, nach welchen
Gesetzen der Verstand von den Vorstellungen auf die
Gegenstände, von dem Jdeellen in uns, auf das Ob-
jektivische
außer uns übergehe, und zu den Gedanken
gelange, daß es äußere Dinge gebe, die wir in uns durch
unsere Vorstellungen erkennen? Die Vorstellungen
sind für sich zwar Zeichen anderer Dinge, auf welche sie
sich beziehen, aber fie sind es nun auch für uns. Wir
stellen uns Sachen durch sie vor. Sie sind eine
Schrift, bey der wir nicht nur die Buchstaben und
Wörter unterscheiden, und sie lesen, sondern die wir auch
verstehen, und der wir einen Sinn unterlegen, indem
wir sie nicht blos als Veränderungen von uns selbst, son-
dern als Dinge und Beschaffenheiten ansehen, die ein
objektivisches Daseyn haben. Einige Jdeen stellen uns
selbst und unsere Veränderungen vor; andere sind Vor-
stellungen von unserm Körper, und dessen Veränderun-
gen; andere zeigen uns Objekte außer uns, und Be-

schaffen-
A a 3


Fuͤnfter Verſuch.
Ueber den Urſprung unſerer Kenntniſſe von
der objektiviſchen Exiſtenz der Dinge.
I.
Ob die Kenntniſſe von dem Daſeyn der aͤußern
Gegenſtaͤnde als inſtinktartige Urtheile der
Denkkraft angeſehen werden koͤnnen?

Wer uͤber die Wirkungen des menſchlichen Verſtan-
des nachgedacht hat, wird es eingeſtehen, daß
in der ganzen Lehre von dem Urſprung unſerer Kenntniſſe
keine dunklere Stelle vorkomme, als bey der Frage:
wie, auf welche Art, durch welche Mittel, nach welchen
Geſetzen der Verſtand von den Vorſtellungen auf die
Gegenſtaͤnde, von dem Jdeellen in uns, auf das Ob-
jektiviſche
außer uns uͤbergehe, und zu den Gedanken
gelange, daß es aͤußere Dinge gebe, die wir in uns durch
unſere Vorſtellungen erkennen? Die Vorſtellungen
ſind fuͤr ſich zwar Zeichen anderer Dinge, auf welche ſie
ſich beziehen, aber fie ſind es nun auch fuͤr uns. Wir
ſtellen uns Sachen durch ſie vor. Sie ſind eine
Schrift, bey der wir nicht nur die Buchſtaben und
Woͤrter unterſcheiden, und ſie leſen, ſondern die wir auch
verſtehen, und der wir einen Sinn unterlegen, indem
wir ſie nicht blos als Veraͤnderungen von uns ſelbſt, ſon-
dern als Dinge und Beſchaffenheiten anſehen, die ein
objektiviſches Daſeyn haben. Einige Jdeen ſtellen uns
ſelbſt und unſere Veraͤnderungen vor; andere ſind Vor-
ſtellungen von unſerm Koͤrper, und deſſen Veraͤnderun-
gen; andere zeigen uns Objekte außer uns, und Be-

ſchaffen-
A a 3
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[373/0433] Fuͤnfter Verſuch. Ueber den Urſprung unſerer Kenntniſſe von der objektiviſchen Exiſtenz der Dinge. I. Ob die Kenntniſſe von dem Daſeyn der aͤußern Gegenſtaͤnde als inſtinktartige Urtheile der Denkkraft angeſehen werden koͤnnen? Wer uͤber die Wirkungen des menſchlichen Verſtan- des nachgedacht hat, wird es eingeſtehen, daß in der ganzen Lehre von dem Urſprung unſerer Kenntniſſe keine dunklere Stelle vorkomme, als bey der Frage: wie, auf welche Art, durch welche Mittel, nach welchen Geſetzen der Verſtand von den Vorſtellungen auf die Gegenſtaͤnde, von dem Jdeellen in uns, auf das Ob- jektiviſche außer uns uͤbergehe, und zu den Gedanken gelange, daß es aͤußere Dinge gebe, die wir in uns durch unſere Vorſtellungen erkennen? Die Vorſtellungen ſind fuͤr ſich zwar Zeichen anderer Dinge, auf welche ſie ſich beziehen, aber fie ſind es nun auch fuͤr uns. Wir ſtellen uns Sachen durch ſie vor. Sie ſind eine Schrift, bey der wir nicht nur die Buchſtaben und Woͤrter unterſcheiden, und ſie leſen, ſondern die wir auch verſtehen, und der wir einen Sinn unterlegen, indem wir ſie nicht blos als Veraͤnderungen von uns ſelbſt, ſon- dern als Dinge und Beſchaffenheiten anſehen, die ein objektiviſches Daſeyn haben. Einige Jdeen ſtellen uns ſelbſt und unſere Veraͤnderungen vor; andere ſind Vor- ſtellungen von unſerm Koͤrper, und deſſen Veraͤnderun- gen; andere zeigen uns Objekte außer uns, und Be- ſchaffen- A a 3

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/433>, abgerufen am 21.11.2024.