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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der Vorstellungen.
größere Feinheit der modificirten Natur, welche nicht
ein Eigenthum eines jeden Wesens seyn darf. Jst nun
ein solcher Grad von Modifikabilität mit dem selbstthäti-
gen Aufnehmungsvermögen verbunden; können einzelne
Modifikationen einzeln unterhalten werden, und jedwede
nachbleibende Spur findet ihre eigene Stelle, ihre Seite,
ihren Punkt oder ihre Fiber, wo sie einzeln und abge-
sondert hinfallen und wiedererweckbar aufbewahret blei-
ben kann. Jst dieß die Natur des modificirten Wesens,
so besitzet es ein percipirendes Vermögen, ein Ver-
mögen, Vorstellungen aufzunehmen.

7.

Eine absolute Beschaffenheit in einem Wesen, die
gestärkt, vergrößert und erhöhet werden kann, ist ent-
weder unter seinen Grundbestimmungen in irgend einem
bestimmten Grade vorhanden, oder sie ist etwas Abge-
leitetes,
das zu den Folgebeschaffenheiten gehöret. Jn
dem letztern Falle entspringet sie aus einer Entwickelung
anderer absoluten Grundbeschaffenheiten. Wenn eine
Anlage oder Disposition zu einer absoluten Beschaffen-
heit vorhanden ist, so ist eine solche Anlage entweder
diese Beschaffenheit selbst, nur in einem unbemerkbaren
Grade; oder sie ist der Keim dazu, das ist, etwas
absolutes, bey dessen Erhöhung die Beschaffenheit her-
vorgehet. Man nehme es, wie man wolle, so ist in
der ersten Empfindung der menschlichen Seele, und in
der ersten Modifikation, die der durchs Auge ins Gehirn
hineinfallende Lichtstrahl hervorbringet, und noch weiter
zurück, in dem ersten Druck auf die Seele des lebenden
Embryons schon Anlage zur Perception. Die elasti-
sche Saite, die dem ersten Schlag, den sie empfänget,
ausweichet, weichet aus, und nimmt den Schlag auf,
der Natur eines elastischen Körpers gemäß, nicht so
wie ein weicher Körper es thut. Wenn der angestoßene

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der Vorſtellungen.
groͤßere Feinheit der modificirten Natur, welche nicht
ein Eigenthum eines jeden Weſens ſeyn darf. Jſt nun
ein ſolcher Grad von Modifikabilitaͤt mit dem ſelbſtthaͤti-
gen Aufnehmungsvermoͤgen verbunden; koͤnnen einzelne
Modifikationen einzeln unterhalten werden, und jedwede
nachbleibende Spur findet ihre eigene Stelle, ihre Seite,
ihren Punkt oder ihre Fiber, wo ſie einzeln und abge-
ſondert hinfallen und wiedererweckbar aufbewahret blei-
ben kann. Jſt dieß die Natur des modificirten Weſens,
ſo beſitzet es ein percipirendes Vermoͤgen, ein Ver-
moͤgen, Vorſtellungen aufzunehmen.

7.

Eine abſolute Beſchaffenheit in einem Weſen, die
geſtaͤrkt, vergroͤßert und erhoͤhet werden kann, iſt ent-
weder unter ſeinen Grundbeſtimmungen in irgend einem
beſtimmten Grade vorhanden, oder ſie iſt etwas Abge-
leitetes,
das zu den Folgebeſchaffenheiten gehoͤret. Jn
dem letztern Falle entſpringet ſie aus einer Entwickelung
anderer abſoluten Grundbeſchaffenheiten. Wenn eine
Anlage oder Dispoſition zu einer abſoluten Beſchaffen-
heit vorhanden iſt, ſo iſt eine ſolche Anlage entweder
dieſe Beſchaffenheit ſelbſt, nur in einem unbemerkbaren
Grade; oder ſie iſt der Keim dazu, das iſt, etwas
abſolutes, bey deſſen Erhoͤhung die Beſchaffenheit her-
vorgehet. Man nehme es, wie man wolle, ſo iſt in
der erſten Empfindung der menſchlichen Seele, und in
der erſten Modifikation, die der durchs Auge ins Gehirn
hineinfallende Lichtſtrahl hervorbringet, und noch weiter
zuruͤck, in dem erſten Druck auf die Seele des lebenden
Embryons ſchon Anlage zur Perception. Die elaſti-
ſche Saite, die dem erſten Schlag, den ſie empfaͤnget,
ausweichet, weichet aus, und nimmt den Schlag auf,
der Natur eines elaſtiſchen Koͤrpers gemaͤß, nicht ſo
wie ein weicher Koͤrper es thut. Wenn der angeſtoßene

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[163/0223] der Vorſtellungen. groͤßere Feinheit der modificirten Natur, welche nicht ein Eigenthum eines jeden Weſens ſeyn darf. Jſt nun ein ſolcher Grad von Modifikabilitaͤt mit dem ſelbſtthaͤti- gen Aufnehmungsvermoͤgen verbunden; koͤnnen einzelne Modifikationen einzeln unterhalten werden, und jedwede nachbleibende Spur findet ihre eigene Stelle, ihre Seite, ihren Punkt oder ihre Fiber, wo ſie einzeln und abge- ſondert hinfallen und wiedererweckbar aufbewahret blei- ben kann. Jſt dieß die Natur des modificirten Weſens, ſo beſitzet es ein percipirendes Vermoͤgen, ein Ver- moͤgen, Vorſtellungen aufzunehmen. 7. Eine abſolute Beſchaffenheit in einem Weſen, die geſtaͤrkt, vergroͤßert und erhoͤhet werden kann, iſt ent- weder unter ſeinen Grundbeſtimmungen in irgend einem beſtimmten Grade vorhanden, oder ſie iſt etwas Abge- leitetes, das zu den Folgebeſchaffenheiten gehoͤret. Jn dem letztern Falle entſpringet ſie aus einer Entwickelung anderer abſoluten Grundbeſchaffenheiten. Wenn eine Anlage oder Dispoſition zu einer abſoluten Beſchaffen- heit vorhanden iſt, ſo iſt eine ſolche Anlage entweder dieſe Beſchaffenheit ſelbſt, nur in einem unbemerkbaren Grade; oder ſie iſt der Keim dazu, das iſt, etwas abſolutes, bey deſſen Erhoͤhung die Beſchaffenheit her- vorgehet. Man nehme es, wie man wolle, ſo iſt in der erſten Empfindung der menſchlichen Seele, und in der erſten Modifikation, die der durchs Auge ins Gehirn hineinfallende Lichtſtrahl hervorbringet, und noch weiter zuruͤck, in dem erſten Druck auf die Seele des lebenden Embryons ſchon Anlage zur Perception. Die elaſti- ſche Saite, die dem erſten Schlag, den ſie empfaͤnget, ausweichet, weichet aus, und nimmt den Schlag auf, der Natur eines elaſtiſchen Koͤrpers gemaͤß, nicht ſo wie ein weicher Koͤrper es thut. Wenn der angeſtoßene Per- L 2

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/223>, abgerufen am 21.11.2024.