Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.18. Das heidnische Edelweib zu Cammin. Nachdem Bischof Otto in Pyritz also getauft hatte, zog er zuerst auf das Schloß in Stargard zu dem Herzog Wartislav, von da aber weiter nach Cammin, wo er wieder predigte und das Volk taufen wollte. Allein sein Werk wollte hier keinen rechten Fortgang haben, und es waren anfangs nur Wenige, die sich taufen ließen, bis dieses auf einmal durch ein sichtbarliches Wunder anders wurde. Es war nämlich auf dem Lande nicht weit von Cammin ein Edelweib, sehr gewaltig und reich, so daß ihr Mann wohl mit dreißig Pferden zu reiten pflegte. Dasselbige Weib war sehr gottlos und schimpfte gegen das neue Christenthum und sagte, daß sie ihres Vaters Glauben in keine Wege übergeben wolle. Und weil es gerade in der Ernte war, zwang sie ihre Leute, die schon großentheils getauft waren, auf einen Sonntag zu mähen und zu erndten, und wollte sie nicht zur Kirchen nach Cammin gehen lassen, sprechend: Was liegt mir an dem neuen Gotte, den der Bischof von Bamberg herbringet; sehet Ihr nicht, welche schöne und große Früchte uns unsere Götter gegeben haben? die laßt uns werben und verzehren! Wie das Gesinde nun aber noch zögerte, da ließ sie einen Wagen zurichten und fuhr mit aufs Feld; und wie sie nach der Art der Pommern ein stark Weib war, nahm sie eine Sense, und begann selbst zu mähen, und sagte: Laßt sehen, was mir der Christen Gott darum wird thun können! Sie schalt auch die Anderen, daß sie nicht ihre Sensen nehmen und mähen wollten. Und als sie so schalt und tobte, da verstarrte sie plötzlich von Stund an, und blieb gebückt stehen, konnte sich auch weder aufrichten, noch Sense oder Halm aus den Händen los werden, konnte auch nicht reden, sondern stand also stumm, und sah gräulich aus, wie ein hölzern Bild. 18. Das heidnische Edelweib zu Cammin. Nachdem Bischof Otto in Pyritz also getauft hatte, zog er zuerst auf das Schloß in Stargard zu dem Herzog Wartislav, von da aber weiter nach Cammin, wo er wieder predigte und das Volk taufen wollte. Allein sein Werk wollte hier keinen rechten Fortgang haben, und es waren anfangs nur Wenige, die sich taufen ließen, bis dieses auf einmal durch ein sichtbarliches Wunder anders wurde. Es war nämlich auf dem Lande nicht weit von Cammin ein Edelweib, sehr gewaltig und reich, so daß ihr Mann wohl mit dreißig Pferden zu reiten pflegte. Dasselbige Weib war sehr gottlos und schimpfte gegen das neue Christenthum und sagte, daß sie ihres Vaters Glauben in keine Wege übergeben wolle. Und weil es gerade in der Ernte war, zwang sie ihre Leute, die schon großentheils getauft waren, auf einen Sonntag zu mähen und zu erndten, und wollte sie nicht zur Kirchen nach Cammin gehen lassen, sprechend: Was liegt mir an dem neuen Gotte, den der Bischof von Bamberg herbringet; sehet Ihr nicht, welche schöne und große Früchte uns unsere Götter gegeben haben? die laßt uns werben und verzehren! Wie das Gesinde nun aber noch zögerte, da ließ sie einen Wagen zurichten und fuhr mit aufs Feld; und wie sie nach der Art der Pommern ein stark Weib war, nahm sie eine Sense, und begann selbst zu mähen, und sagte: Laßt sehen, was mir der Christen Gott darum wird thun können! Sie schalt auch die Anderen, daß sie nicht ihre Sensen nehmen und mähen wollten. Und als sie so schalt und tobte, da verstarrte sie plötzlich von Stund an, und blieb gebückt stehen, konnte sich auch weder aufrichten, noch Sense oder Halm aus den Händen los werden, konnte auch nicht reden, sondern stand also stumm, und sah gräulich aus, wie ein hölzern Bild. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0067" n="35"/> <div n="2"> <head>18. Das heidnische Edelweib zu Cammin.</head><lb/> <p>Nachdem Bischof Otto in Pyritz also getauft hatte, zog er zuerst auf das Schloß in Stargard zu dem Herzog Wartislav, von da aber weiter nach Cammin, wo er wieder predigte und das Volk taufen wollte. Allein sein Werk wollte hier keinen rechten Fortgang haben, und es waren anfangs nur Wenige, die sich taufen ließen, bis dieses auf einmal durch ein sichtbarliches Wunder anders wurde. Es war nämlich auf dem Lande nicht weit von Cammin ein Edelweib, sehr gewaltig und reich, so daß ihr Mann wohl mit dreißig Pferden zu reiten pflegte. Dasselbige Weib war sehr gottlos und schimpfte gegen das neue Christenthum und sagte, daß sie ihres Vaters Glauben in keine Wege übergeben wolle. Und weil es gerade in der Ernte war, zwang sie ihre Leute, die schon großentheils getauft waren, auf einen Sonntag zu mähen und zu erndten, und wollte sie nicht zur Kirchen nach Cammin gehen lassen, sprechend: Was liegt mir an dem neuen Gotte, den der Bischof von Bamberg herbringet; sehet Ihr nicht, welche schöne und große Früchte uns unsere Götter gegeben haben? die laßt uns werben und verzehren! Wie das Gesinde nun aber noch zögerte, da ließ sie einen Wagen zurichten und fuhr mit aufs Feld; und wie sie nach der Art der Pommern ein stark Weib war, nahm sie eine Sense, und begann selbst zu mähen, und sagte: Laßt sehen, was mir der Christen Gott darum wird thun können! Sie schalt auch die Anderen, daß sie nicht ihre Sensen nehmen und mähen wollten.</p> <p>Und als sie so schalt und tobte, da verstarrte sie plötzlich von Stund an, und blieb gebückt stehen, konnte sich auch weder aufrichten, noch Sense oder Halm aus den Händen los werden, konnte auch nicht reden, sondern stand also stumm, und sah gräulich aus, wie ein hölzern Bild. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0067]
18. Das heidnische Edelweib zu Cammin.
Nachdem Bischof Otto in Pyritz also getauft hatte, zog er zuerst auf das Schloß in Stargard zu dem Herzog Wartislav, von da aber weiter nach Cammin, wo er wieder predigte und das Volk taufen wollte. Allein sein Werk wollte hier keinen rechten Fortgang haben, und es waren anfangs nur Wenige, die sich taufen ließen, bis dieses auf einmal durch ein sichtbarliches Wunder anders wurde. Es war nämlich auf dem Lande nicht weit von Cammin ein Edelweib, sehr gewaltig und reich, so daß ihr Mann wohl mit dreißig Pferden zu reiten pflegte. Dasselbige Weib war sehr gottlos und schimpfte gegen das neue Christenthum und sagte, daß sie ihres Vaters Glauben in keine Wege übergeben wolle. Und weil es gerade in der Ernte war, zwang sie ihre Leute, die schon großentheils getauft waren, auf einen Sonntag zu mähen und zu erndten, und wollte sie nicht zur Kirchen nach Cammin gehen lassen, sprechend: Was liegt mir an dem neuen Gotte, den der Bischof von Bamberg herbringet; sehet Ihr nicht, welche schöne und große Früchte uns unsere Götter gegeben haben? die laßt uns werben und verzehren! Wie das Gesinde nun aber noch zögerte, da ließ sie einen Wagen zurichten und fuhr mit aufs Feld; und wie sie nach der Art der Pommern ein stark Weib war, nahm sie eine Sense, und begann selbst zu mähen, und sagte: Laßt sehen, was mir der Christen Gott darum wird thun können! Sie schalt auch die Anderen, daß sie nicht ihre Sensen nehmen und mähen wollten.
Und als sie so schalt und tobte, da verstarrte sie plötzlich von Stund an, und blieb gebückt stehen, konnte sich auch weder aufrichten, noch Sense oder Halm aus den Händen los werden, konnte auch nicht reden, sondern stand also stumm, und sah gräulich aus, wie ein hölzern Bild.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |