Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.die Beine und fiel damit in Polen ein, um mit Gewalt um sie zu werben. Wenda das Fräulein zog ihm entgegen, gleichfalls mit großer Heeresmacht, und in ihrem Herzen gelobend, wenn sie den Feind besiegen sollte, Zeitlebens den Göttern ihre Jungfrauschaft zum Opfer zu bringen. Als nun aber die beiden Heere gegen einander hielten, da dünkte es den Pommern schimpflich, daß sie wider ein Weib das Schwert ziehen sollten, und sie hielten bei ihrem Fürsten an, daß er sich eines Besseren bedenken möge. Darüber entbrannte der edle Rütiger dermaßen vor Zorn und Liebe, daß er sein eignes Schwert ergriff und sich dasselbe durch das Herz stieß. Also zogen die Pommern und Polen wieder von einander, nachdem sie einen neuen Bund unter sich gemacht hatten. Wenda aber, das Fürstenfräulein, hatte von der Stunde an großes Herzeleid; und als sie wieder in ihr Schloß kam, wollte sie nicht länger leben, nachdem sich ihrenthalben ein so tapferer Held ums Leben gebracht hatte. Sie sprang deshalb von der Brücke ihres Schlosses in die Weichsel, wo sie ihren Tod fand. Solches ist geschehen bald nach dem Jahre des Herrn 700. Nach Wendas Tode kamen die zwölf Woiwoden in Polen wieder an das Regiment. Micrälius, altes Pommerland. I. S. 407. 8. König Schweno von Dänemark und die Wolliner. Vor Zeiten lebte in Dänemark ein König Namens Harald. Der hatte einen bösen, ungerathenen Sohn, Schweno. Dieser Schweno warf das Christentum ab, setzte sich gegen seinen Vater, und vertrieb ihn aus dem Reiche. Harald flüchtete nach der Insel Wollin in Pommern, und die Wolliner nahmen sich freundlich seiner an, unangesehen daß er die Beine und fiel damit in Polen ein, um mit Gewalt um sie zu werben. Wenda das Fräulein zog ihm entgegen, gleichfalls mit großer Heeresmacht, und in ihrem Herzen gelobend, wenn sie den Feind besiegen sollte, Zeitlebens den Göttern ihre Jungfrauschaft zum Opfer zu bringen. Als nun aber die beiden Heere gegen einander hielten, da dünkte es den Pommern schimpflich, daß sie wider ein Weib das Schwert ziehen sollten, und sie hielten bei ihrem Fürsten an, daß er sich eines Besseren bedenken möge. Darüber entbrannte der edle Rütiger dermaßen vor Zorn und Liebe, daß er sein eignes Schwert ergriff und sich dasselbe durch das Herz stieß. Also zogen die Pommern und Polen wieder von einander, nachdem sie einen neuen Bund unter sich gemacht hatten. Wenda aber, das Fürstenfräulein, hatte von der Stunde an großes Herzeleid; und als sie wieder in ihr Schloß kam, wollte sie nicht länger leben, nachdem sich ihrenthalben ein so tapferer Held ums Leben gebracht hatte. Sie sprang deshalb von der Brücke ihres Schlosses in die Weichsel, wo sie ihren Tod fand. Solches ist geschehen bald nach dem Jahre des Herrn 700. Nach Wendas Tode kamen die zwölf Woiwoden in Polen wieder an das Regiment. Micrälius, altes Pommerland. I. S. 407. 8. König Schweno von Dänemark und die Wolliner. Vor Zeiten lebte in Dänemark ein König Namens Harald. Der hatte einen bösen, ungerathenen Sohn, Schweno. Dieser Schweno warf das Christentum ab, setzte sich gegen seinen Vater, und vertrieb ihn aus dem Reiche. Harald flüchtete nach der Insel Wollin in Pommern, und die Wolliner nahmen sich freundlich seiner an, unangesehen daß er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0047" n="15"/> die Beine und fiel damit in Polen ein, um mit Gewalt um sie zu werben. 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die Beine und fiel damit in Polen ein, um mit Gewalt um sie zu werben. Wenda das Fräulein zog ihm entgegen, gleichfalls mit großer Heeresmacht, und in ihrem Herzen gelobend, wenn sie den Feind besiegen sollte, Zeitlebens den Göttern ihre Jungfrauschaft zum Opfer zu bringen.
Als nun aber die beiden Heere gegen einander hielten, da dünkte es den Pommern schimpflich, daß sie wider ein Weib das Schwert ziehen sollten, und sie hielten bei ihrem Fürsten an, daß er sich eines Besseren bedenken möge. Darüber entbrannte der edle Rütiger dermaßen vor Zorn und Liebe, daß er sein eignes Schwert ergriff und sich dasselbe durch das Herz stieß. Also zogen die Pommern und Polen wieder von einander, nachdem sie einen neuen Bund unter sich gemacht hatten.
Wenda aber, das Fürstenfräulein, hatte von der Stunde an großes Herzeleid; und als sie wieder in ihr Schloß kam, wollte sie nicht länger leben, nachdem sich ihrenthalben ein so tapferer Held ums Leben gebracht hatte. Sie sprang deshalb von der Brücke ihres Schlosses in die Weichsel, wo sie ihren Tod fand.
Solches ist geschehen bald nach dem Jahre des Herrn 700. Nach Wendas Tode kamen die zwölf Woiwoden in Polen wieder an das Regiment.
Micrälius, altes Pommerland. I. S. 407.
8. König Schweno von Dänemark und die Wolliner.
Vor Zeiten lebte in Dänemark ein König Namens Harald. Der hatte einen bösen, ungerathenen Sohn, Schweno. Dieser Schweno warf das Christentum ab, setzte sich gegen seinen Vater, und vertrieb ihn aus dem Reiche. Harald flüchtete nach der Insel Wollin in Pommern, und die Wolliner nahmen sich freundlich seiner an, unangesehen daß er
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Zitationshilfe: | Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/47>, abgerufen am 22.02.2025. |