Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

In der Nacht vor Ostern, vor Pfingsten und vor Himmelfahrt muß man von des Abends bis zum Morgen die ganze Nacht durch arbeiten; denn niemals ist der Fischfang gesegneter. (Auffallend ist es, daß die Fischer in diesen Nächten wirklich ungewöhnlich viel fangen.) -

Der Fischer darf nie sagen, wie viel er gefangen hat, sonst hat er kein Glück mehr. Soll er ja eine Antwort geben, so muß er immer weniger sagen, ungefähr nur die Hälfte von seinem wirklichen Fange. -

Das Tonnenabschlagen auf dem Darß.

Auf dem Darß hat man noch heut zu Tage ein altes Volksfest, das aus der heidnischen Wendenzeit herrührt, und dessen frühere religiöse Bedeutung man jetzt nicht mehr kennt. Es wird alljährlich zu einer gewissen Zeit gefeiert. Auf einem Anger in der Nähe des Dorfes werden alsdann zwei Pfähle aufgerichtet, in deren Mitte wird eine Pech- oder Theertonne, welche mit Birkenzweigen umwunden ist, aufgehangen, gerade so hoch, daß ein Reiter darunter herjagen kann. Das Fest, zu welchem das ganze Dorf zusammenkommt, beginnt damit, daß die unverheiratheten Burschen des Dorfes in der Versammlung langsam, im Paradeschritt, umherreiten. Voran gehen einige Musikanten. Dann reitet zuerst der vorjährige Tonnenkönig. Die Andere reiten, wie das Loos die Reihenfolge bestimmt hat. Reiter und Pferde sind mit Bändern, Federn, Knittergold, Blumen etc. bunt geschmückt.

Wenn sie so einige Male herumgezogen sind, begeben sie sich an das Ende der abgesteckten Rennbahn, und von hier aus jagt Jeder von ihnen, einzeln, Einer nach dem Andern, in derselben Reihe, in der sie vorhin geritten waren, im vollen Galop unter der Tonne weg, und schlägt

In der Nacht vor Ostern, vor Pfingsten und vor Himmelfahrt muß man von des Abends bis zum Morgen die ganze Nacht durch arbeiten; denn niemals ist der Fischfang gesegneter. (Auffallend ist es, daß die Fischer in diesen Nächten wirklich ungewöhnlich viel fangen.) –

Der Fischer darf nie sagen, wie viel er gefangen hat, sonst hat er kein Glück mehr. Soll er ja eine Antwort geben, so muß er immer weniger sagen, ungefähr nur die Hälfte von seinem wirklichen Fange. –

Das Tonnenabschlagen auf dem Darß.

Auf dem Darß hat man noch heut zu Tage ein altes Volksfest, das aus der heidnischen Wendenzeit herrührt, und dessen frühere religiöse Bedeutung man jetzt nicht mehr kennt. Es wird alljährlich zu einer gewissen Zeit gefeiert. Auf einem Anger in der Nähe des Dorfes werden alsdann zwei Pfähle aufgerichtet, in deren Mitte wird eine Pech- oder Theertonne, welche mit Birkenzweigen umwunden ist, aufgehangen, gerade so hoch, daß ein Reiter darunter herjagen kann. Das Fest, zu welchem das ganze Dorf zusammenkommt, beginnt damit, daß die unverheiratheten Burschen des Dorfes in der Versammlung langsam, im Paradeschritt, umherreiten. Voran gehen einige Musikanten. Dann reitet zuerst der vorjährige Tonnenkönig. Die Andere reiten, wie das Loos die Reihenfolge bestimmt hat. Reiter und Pferde sind mit Bändern, Federn, Knittergold, Blumen etc. bunt geschmückt.

Wenn sie so einige Male herumgezogen sind, begeben sie sich an das Ende der abgesteckten Rennbahn, und von hier aus jagt Jeder von ihnen, einzeln, Einer nach dem Andern, in derselben Reihe, in der sie vorhin geritten waren, im vollen Galop unter der Tonne weg, und schlägt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0383" n="351"/>
          <p> In der Nacht vor Ostern, vor Pfingsten und vor Himmelfahrt muß man von des Abends bis zum Morgen die ganze Nacht durch arbeiten; denn niemals ist der Fischfang gesegneter. (Auffallend ist es, daß die Fischer in diesen Nächten wirklich ungewöhnlich viel fangen.) &#x2013;</p>
          <p>Der Fischer darf nie sagen, wie viel er gefangen hat, sonst hat er kein Glück mehr. Soll er ja eine Antwort geben, so muß er immer weniger sagen, ungefähr nur die Hälfte von seinem wirklichen Fange. &#x2013;</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Das Tonnenabschlagen auf dem Darß.</head><lb/>
          <p>Auf dem Darß hat man noch heut zu Tage ein altes Volksfest, das aus der heidnischen Wendenzeit herrührt, und dessen frühere religiöse Bedeutung man jetzt nicht mehr kennt. Es wird alljährlich zu einer gewissen Zeit gefeiert. Auf einem Anger in der Nähe des Dorfes werden alsdann zwei Pfähle aufgerichtet, in deren Mitte wird eine Pech- oder Theertonne, welche mit Birkenzweigen umwunden ist, aufgehangen, gerade so hoch, daß ein Reiter darunter herjagen kann. Das Fest, zu welchem das ganze Dorf zusammenkommt, beginnt damit, daß die unverheiratheten Burschen des Dorfes in der Versammlung langsam, im Paradeschritt, umherreiten. Voran gehen einige Musikanten. Dann reitet zuerst der vorjährige Tonnenkönig. Die Andere reiten, wie das Loos die Reihenfolge bestimmt hat. Reiter und Pferde sind mit Bändern, Federn, Knittergold, Blumen etc. bunt geschmückt.</p>
          <p>Wenn sie so einige Male herumgezogen sind, begeben sie sich an das Ende der abgesteckten Rennbahn, und von hier aus jagt Jeder von ihnen, einzeln, Einer nach dem Andern, in derselben Reihe, in der sie vorhin geritten waren, im vollen Galop unter der Tonne weg, und schlägt
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0383] In der Nacht vor Ostern, vor Pfingsten und vor Himmelfahrt muß man von des Abends bis zum Morgen die ganze Nacht durch arbeiten; denn niemals ist der Fischfang gesegneter. (Auffallend ist es, daß die Fischer in diesen Nächten wirklich ungewöhnlich viel fangen.) – Der Fischer darf nie sagen, wie viel er gefangen hat, sonst hat er kein Glück mehr. Soll er ja eine Antwort geben, so muß er immer weniger sagen, ungefähr nur die Hälfte von seinem wirklichen Fange. – Das Tonnenabschlagen auf dem Darß. Auf dem Darß hat man noch heut zu Tage ein altes Volksfest, das aus der heidnischen Wendenzeit herrührt, und dessen frühere religiöse Bedeutung man jetzt nicht mehr kennt. Es wird alljährlich zu einer gewissen Zeit gefeiert. Auf einem Anger in der Nähe des Dorfes werden alsdann zwei Pfähle aufgerichtet, in deren Mitte wird eine Pech- oder Theertonne, welche mit Birkenzweigen umwunden ist, aufgehangen, gerade so hoch, daß ein Reiter darunter herjagen kann. Das Fest, zu welchem das ganze Dorf zusammenkommt, beginnt damit, daß die unverheiratheten Burschen des Dorfes in der Versammlung langsam, im Paradeschritt, umherreiten. Voran gehen einige Musikanten. Dann reitet zuerst der vorjährige Tonnenkönig. Die Andere reiten, wie das Loos die Reihenfolge bestimmt hat. Reiter und Pferde sind mit Bändern, Federn, Knittergold, Blumen etc. bunt geschmückt. Wenn sie so einige Male herumgezogen sind, begeben sie sich an das Ende der abgesteckten Rennbahn, und von hier aus jagt Jeder von ihnen, einzeln, Einer nach dem Andern, in derselben Reihe, in der sie vorhin geritten waren, im vollen Galop unter der Tonne weg, und schlägt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/383
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/383>, abgerufen am 03.12.2024.