Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

sieht. Im siebenjährigen Kriege nämlich, als die Russen in diese Gegend kamen, war dort ein alter Mann, der mit seinem kleinen Sohne vor dem Feinde zur Stadt flüchten wollte. Gerade auf dieser Brücke aber wurde er von den Russen überfallen und sammt seinem Kinde erschlagen. Diesen alten Mann nun sieht man des Nachts an der Brücke. Er steht mitten auf derselben, sein todtes Kind im Arme, beide in hellgrauem Zeuge, auf dem man viele Blutflecken sieht. Noch vor wenigen Jahren hat ihn ein Bauer aus Bresen gesehen. Dieser kam in der Nacht des Weges, um Korn nach der Stadt zu fahren. Als er an die Brücke kam, blieben auf einmal seine Pferde stehen und wollten mit aller Gewalt nicht hinüber. Der Bauer stieg daher zuletzt vom Wagen, und faßte die Pferde am Zügel, während seine Knechte auf die Thiere losschlagen mußten. So gelang es endlich, die Thiere, die vor Angst am ganzen Leibe zitterten und schwitzten, in Bewegung zu setzen. Kaum war dies aber geschehen, als sie mit solcher Gewalt sich losrissen und davon flogen, daß der Bauer und seine Knechte sie erst vor dem Thore der Stadt Pyritz wieder fanden. Als die Leute bei dieser Gelegenheit sich umsahen, haben sie das Gespenst erblickt.

Mündlich.
243. Der Teufel in Greifenberg.

Es ist schon länger als zweihundert Jahre her, als in der Stadt Greifenberg ein armer Knabe lebte, eines Kammerherrn Sohn, dem schon in seinem sechsten Jahre seine beiden Eltern gestorben waren. Es hatte ihn nach deren Tode seines Vaters Schwester-Mann zu sich genommen; der war aber sehr hart gegen den Knaben, weil er ihn ernähren, kleiden und zur Schule halten mußte, ohne dafür Kostgeld zu bekommen; und wie das Kind kaum eilf

sieht. Im siebenjährigen Kriege nämlich, als die Russen in diese Gegend kamen, war dort ein alter Mann, der mit seinem kleinen Sohne vor dem Feinde zur Stadt flüchten wollte. Gerade auf dieser Brücke aber wurde er von den Russen überfallen und sammt seinem Kinde erschlagen. Diesen alten Mann nun sieht man des Nachts an der Brücke. Er steht mitten auf derselben, sein todtes Kind im Arme, beide in hellgrauem Zeuge, auf dem man viele Blutflecken sieht. Noch vor wenigen Jahren hat ihn ein Bauer aus Bresen gesehen. Dieser kam in der Nacht des Weges, um Korn nach der Stadt zu fahren. Als er an die Brücke kam, blieben auf einmal seine Pferde stehen und wollten mit aller Gewalt nicht hinüber. Der Bauer stieg daher zuletzt vom Wagen, und faßte die Pferde am Zügel, während seine Knechte auf die Thiere losschlagen mußten. So gelang es endlich, die Thiere, die vor Angst am ganzen Leibe zitterten und schwitzten, in Bewegung zu setzen. Kaum war dies aber geschehen, als sie mit solcher Gewalt sich losrissen und davon flogen, daß der Bauer und seine Knechte sie erst vor dem Thore der Stadt Pyritz wieder fanden. Als die Leute bei dieser Gelegenheit sich umsahen, haben sie das Gespenst erblickt.

Mündlich.
243. Der Teufel in Greifenberg.

Es ist schon länger als zweihundert Jahre her, als in der Stadt Greifenberg ein armer Knabe lebte, eines Kammerherrn Sohn, dem schon in seinem sechsten Jahre seine beiden Eltern gestorben waren. Es hatte ihn nach deren Tode seines Vaters Schwester-Mann zu sich genommen; der war aber sehr hart gegen den Knaben, weil er ihn ernähren, kleiden und zur Schule halten mußte, ohne dafür Kostgeld zu bekommen; und wie das Kind kaum eilf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0316" n="284"/>
sieht. Im siebenjährigen Kriege nämlich, als die Russen in diese Gegend kamen, war dort ein alter Mann, der mit seinem kleinen Sohne vor dem Feinde zur Stadt flüchten wollte. Gerade auf dieser Brücke aber wurde er von den Russen überfallen und sammt seinem Kinde erschlagen. Diesen alten Mann nun sieht man des Nachts an der Brücke. Er steht mitten auf derselben, sein todtes Kind im Arme, beide in hellgrauem Zeuge, auf dem man viele Blutflecken sieht. Noch vor wenigen Jahren hat ihn ein Bauer aus Bresen gesehen. Dieser kam in der Nacht des Weges, um Korn nach der Stadt zu fahren. Als er an die Brücke kam, blieben auf einmal seine Pferde stehen und wollten mit aller Gewalt nicht hinüber. Der Bauer stieg daher zuletzt vom Wagen, und faßte die Pferde am Zügel, während seine Knechte auf die Thiere losschlagen mußten. So gelang es endlich, die Thiere, die vor Angst am ganzen Leibe zitterten und schwitzten, in Bewegung zu setzen. Kaum war dies aber geschehen, als sie mit solcher Gewalt sich losrissen und davon flogen, daß der Bauer und seine Knechte sie erst vor dem Thore der Stadt Pyritz wieder fanden. Als die Leute bei dieser Gelegenheit sich umsahen, haben sie das Gespenst erblickt.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Mündlich.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
        <div n="2">
          <head>243. Der Teufel in Greifenberg.</head><lb/>
          <p>Es ist schon länger als zweihundert Jahre her, als in der Stadt Greifenberg ein armer Knabe lebte, eines Kammerherrn Sohn, dem schon in seinem sechsten Jahre seine beiden Eltern gestorben waren. Es hatte ihn nach deren Tode seines Vaters Schwester-Mann zu sich genommen; der war aber sehr hart gegen den Knaben, weil er ihn ernähren, kleiden und zur Schule halten mußte, ohne dafür Kostgeld zu bekommen; und wie das Kind kaum eilf
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0316] sieht. Im siebenjährigen Kriege nämlich, als die Russen in diese Gegend kamen, war dort ein alter Mann, der mit seinem kleinen Sohne vor dem Feinde zur Stadt flüchten wollte. Gerade auf dieser Brücke aber wurde er von den Russen überfallen und sammt seinem Kinde erschlagen. Diesen alten Mann nun sieht man des Nachts an der Brücke. Er steht mitten auf derselben, sein todtes Kind im Arme, beide in hellgrauem Zeuge, auf dem man viele Blutflecken sieht. Noch vor wenigen Jahren hat ihn ein Bauer aus Bresen gesehen. Dieser kam in der Nacht des Weges, um Korn nach der Stadt zu fahren. Als er an die Brücke kam, blieben auf einmal seine Pferde stehen und wollten mit aller Gewalt nicht hinüber. Der Bauer stieg daher zuletzt vom Wagen, und faßte die Pferde am Zügel, während seine Knechte auf die Thiere losschlagen mußten. So gelang es endlich, die Thiere, die vor Angst am ganzen Leibe zitterten und schwitzten, in Bewegung zu setzen. Kaum war dies aber geschehen, als sie mit solcher Gewalt sich losrissen und davon flogen, daß der Bauer und seine Knechte sie erst vor dem Thore der Stadt Pyritz wieder fanden. Als die Leute bei dieser Gelegenheit sich umsahen, haben sie das Gespenst erblickt. Mündlich. 243. Der Teufel in Greifenberg. Es ist schon länger als zweihundert Jahre her, als in der Stadt Greifenberg ein armer Knabe lebte, eines Kammerherrn Sohn, dem schon in seinem sechsten Jahre seine beiden Eltern gestorben waren. Es hatte ihn nach deren Tode seines Vaters Schwester-Mann zu sich genommen; der war aber sehr hart gegen den Knaben, weil er ihn ernähren, kleiden und zur Schule halten mußte, ohne dafür Kostgeld zu bekommen; und wie das Kind kaum eilf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/316
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/316>, abgerufen am 21.11.2024.