Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.147. Die Windmühlen bei Stettin. An der sogenannten klingenden Becke bei Stettin liegen sieben Windmühlen, die vor alten Zeiten der Rath zu Stettin hat bauen lassen. Als die fertig waren, sind die Rathsherren zu ihnen hinausgefahren, um sie zu besehen, und um ihnen Namen zu geben. Bei der ersten sagten sie: Eine muß doch Malz mahlen, denn sie dachten zuerst an das gute Bier, und sie nannten sie Malzmühle. Die zweite hatte wenig Wasser; da sprachen sie: die ist für die Küken, sie soll die Kükenmühle heißen. Bei der dritten hörten sie einen Kukuk schreien; die nannten sie die Kukuksmühle. Auf einer vierten empfing die Wirthin sie unfreundlich, da nannten sie dieselbe die Sursacksmühle. Auf der fünften dagegen wurden sie freundlich und aufmunternd aufgenommen, d.h. motgeberisch (muthgebend), da nannten sie diese die Motgebermühle. Bei der sechsten wollten die Räder gar nicht still stehen, da sprachen sie: das ist die Klappermühle. Die letzte endlich, weil sie am höchsten im Berge lag, nannten sie die Obermühle. Alle diese Namen führen die sieben Mühlen noch. Mündlich. 148. Sagen vom Schlosse zu Daber. Das Schloß zu Daber ist sehr alt, und jetzt ganz verfallen, so daß Keiner mehr darin wohnen kann. In uralten Zeiten sollen, wie die Leute sagen, einmal drei vornehme Fürsten darin gewohnt haben. Die haben ein sehr wildes und gottloses Leben geführt, nichts gethan als Jagen, Trinken und Fluchen, und den lieben Gott haben sie ganz vergessen. Da ist endlich Einer von ihnen plötzlich 147. Die Windmühlen bei Stettin. An der sogenannten klingenden Becke bei Stettin liegen sieben Windmühlen, die vor alten Zeiten der Rath zu Stettin hat bauen lassen. Als die fertig waren, sind die Rathsherren zu ihnen hinausgefahren, um sie zu besehen, und um ihnen Namen zu geben. Bei der ersten sagten sie: Eine muß doch Malz mahlen, denn sie dachten zuerst an das gute Bier, und sie nannten sie Malzmühle. Die zweite hatte wenig Wasser; da sprachen sie: die ist für die Küken, sie soll die Kükenmühle heißen. Bei der dritten hörten sie einen Kukuk schreien; die nannten sie die Kukuksmühle. Auf einer vierten empfing die Wirthin sie unfreundlich, da nannten sie dieselbe die Sursacksmühle. Auf der fünften dagegen wurden sie freundlich und aufmunternd aufgenommen, d.h. motgeberisch (muthgebend), da nannten sie diese die Motgebermühle. Bei der sechsten wollten die Räder gar nicht still stehen, da sprachen sie: das ist die Klappermühle. Die letzte endlich, weil sie am höchsten im Berge lag, nannten sie die Obermühle. Alle diese Namen führen die sieben Mühlen noch. Mündlich. 148. Sagen vom Schlosse zu Daber. Das Schloß zu Daber ist sehr alt, und jetzt ganz verfallen, so daß Keiner mehr darin wohnen kann. In uralten Zeiten sollen, wie die Leute sagen, einmal drei vornehme Fürsten darin gewohnt haben. Die haben ein sehr wildes und gottloses Leben geführt, nichts gethan als Jagen, Trinken und Fluchen, und den lieben Gott haben sie ganz vergessen. Da ist endlich Einer von ihnen plötzlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0216" n="184"/> <div n="2"> <head>147. Die Windmühlen bei Stettin.</head><lb/> <p>An der sogenannten klingenden Becke bei Stettin liegen sieben Windmühlen, die vor alten Zeiten der Rath zu Stettin hat bauen lassen. Als die fertig waren, sind die Rathsherren zu ihnen hinausgefahren, um sie zu besehen, und um ihnen Namen zu geben. Bei der ersten sagten sie: Eine muß doch Malz mahlen, denn sie dachten zuerst an das gute Bier, und sie nannten sie <hi rendition="#g">Malzmühle</hi>. Die zweite hatte wenig Wasser; da sprachen sie: die ist für die Küken, sie soll die <hi rendition="#g">Kükenmühle</hi> heißen. Bei der dritten hörten sie einen Kukuk schreien; die nannten sie die <hi rendition="#g">Kukuksmühle</hi>. Auf einer vierten empfing die Wirthin sie unfreundlich, da nannten sie dieselbe die <hi rendition="#g">Sursacksmühle</hi>. Auf der fünften dagegen wurden sie freundlich und aufmunternd aufgenommen, d.h. motgeberisch (muthgebend), da nannten sie diese die <hi rendition="#g">Motgebermühle</hi>. Bei der sechsten wollten die Räder gar nicht still stehen, da sprachen sie: das ist die <hi rendition="#g">Klappermühle</hi>. Die letzte endlich, weil sie am höchsten im Berge lag, nannten sie die <hi rendition="#g">Obermühle</hi>. Alle diese Namen führen die sieben Mühlen noch.</p> <listBibl> <bibl>Mündlich.</bibl><lb/> </listBibl> </div> <div n="2"> <head>148. Sagen vom Schlosse zu Daber.</head><lb/> <p>Das Schloß zu Daber ist sehr alt, und jetzt ganz verfallen, so daß Keiner mehr darin wohnen kann. In uralten Zeiten sollen, wie die Leute sagen, einmal drei vornehme Fürsten darin gewohnt haben. Die haben ein sehr wildes und gottloses Leben geführt, nichts gethan als Jagen, Trinken und Fluchen, und den lieben Gott haben sie ganz vergessen. Da ist endlich Einer von ihnen plötzlich </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [184/0216]
147. Die Windmühlen bei Stettin.
An der sogenannten klingenden Becke bei Stettin liegen sieben Windmühlen, die vor alten Zeiten der Rath zu Stettin hat bauen lassen. Als die fertig waren, sind die Rathsherren zu ihnen hinausgefahren, um sie zu besehen, und um ihnen Namen zu geben. Bei der ersten sagten sie: Eine muß doch Malz mahlen, denn sie dachten zuerst an das gute Bier, und sie nannten sie Malzmühle. Die zweite hatte wenig Wasser; da sprachen sie: die ist für die Küken, sie soll die Kükenmühle heißen. Bei der dritten hörten sie einen Kukuk schreien; die nannten sie die Kukuksmühle. Auf einer vierten empfing die Wirthin sie unfreundlich, da nannten sie dieselbe die Sursacksmühle. Auf der fünften dagegen wurden sie freundlich und aufmunternd aufgenommen, d.h. motgeberisch (muthgebend), da nannten sie diese die Motgebermühle. Bei der sechsten wollten die Räder gar nicht still stehen, da sprachen sie: das ist die Klappermühle. Die letzte endlich, weil sie am höchsten im Berge lag, nannten sie die Obermühle. Alle diese Namen führen die sieben Mühlen noch.
Mündlich.
148. Sagen vom Schlosse zu Daber.
Das Schloß zu Daber ist sehr alt, und jetzt ganz verfallen, so daß Keiner mehr darin wohnen kann. In uralten Zeiten sollen, wie die Leute sagen, einmal drei vornehme Fürsten darin gewohnt haben. Die haben ein sehr wildes und gottloses Leben geführt, nichts gethan als Jagen, Trinken und Fluchen, und den lieben Gott haben sie ganz vergessen. Da ist endlich Einer von ihnen plötzlich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/216 |
Zitationshilfe: | Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/216>, abgerufen am 22.02.2025. |