Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
107. Der Katzenritter zu Stralsund.

Es war in früheren Zeiten in vielen Städten gebräuchlich, daß zu Fastnachten der Rath den Bürgern ein öffentliches Schauspiel zum Besten geben mußte. So gab zu einer Zeit, es war im Jahre 1414, der Rath der Stadt Stralsund seinen Bürgern auf Fastnacht ein gar ergötzliches Spiel, welches man das Katzenbeißen nannte. Es wurde nämlich an dem Pranger, der auf dem alten Markte, jetzt der Hauptmarkt, stand, eine Katze angebunden; mit dieser mußte sich ein Mensch, wie man sagt, ohne alle Wehr und Waffen, beißen und streiten, welchem Kampfe der gesammte Rath und Bürgerschaft zusahen, und vieles Ergötzen daran hatten. Da der Mensch zuletzt die Katze todt gebissen hatte, schlug ihn Herr Johann Külpen zum Katzenritter. Dieser Herr Johann Külpen war ein Bürgermeister zum Sunde, und selbst ein Ritter; der konnte selbst Zehnt aus seinem Hause wehrhaft reiten.

Vgl. Stralsundische Chroniken, herausgegeben von Mohnike und Zober, S. 177.
Baltische Studien, dritter Jahrgang, erstes Heft, S. 231-234.
108. Der Kampf der Blinden in Stralsund.

In dem Jahre nachher, als der Katzenritter die Katze todt gebissen, also im Jahre 1415, gab der Rath zu Stralsund der Bürgerschaft zu Fastnachten ein Schauspiel, welches fast noch ergötzlicher war, als jenes. Er ließ nämlich auf dem alten Markte alle Blinden aus der Stadt zusammenkommen. Die bekamen jeder eine Keule, und dann wurde ein Schwein in ihre Mitte gebracht, das sie mit den Keulen todtschlagen sollten. Rund um sie her waren Planken gezogen, daß ihnen das Schwein nicht entlaufen konnte. Da gab es denn einen gewaltigen, aber für das

107. Der Katzenritter zu Stralsund.

Es war in früheren Zeiten in vielen Städten gebräuchlich, daß zu Fastnachten der Rath den Bürgern ein öffentliches Schauspiel zum Besten geben mußte. So gab zu einer Zeit, es war im Jahre 1414, der Rath der Stadt Stralsund seinen Bürgern auf Fastnacht ein gar ergötzliches Spiel, welches man das Katzenbeißen nannte. Es wurde nämlich an dem Pranger, der auf dem alten Markte, jetzt der Hauptmarkt, stand, eine Katze angebunden; mit dieser mußte sich ein Mensch, wie man sagt, ohne alle Wehr und Waffen, beißen und streiten, welchem Kampfe der gesammte Rath und Bürgerschaft zusahen, und vieles Ergötzen daran hatten. Da der Mensch zuletzt die Katze todt gebissen hatte, schlug ihn Herr Johann Külpen zum Katzenritter. Dieser Herr Johann Külpen war ein Bürgermeister zum Sunde, und selbst ein Ritter; der konnte selbst Zehnt aus seinem Hause wehrhaft reiten.

Vgl. Stralsundische Chroniken, herausgegeben von Mohnike und Zober, S. 177.
Baltische Studien, dritter Jahrgang, erstes Heft, S. 231-234.
108. Der Kampf der Blinden in Stralsund.

In dem Jahre nachher, als der Katzenritter die Katze todt gebissen, also im Jahre 1415, gab der Rath zu Stralsund der Bürgerschaft zu Fastnachten ein Schauspiel, welches fast noch ergötzlicher war, als jenes. Er ließ nämlich auf dem alten Markte alle Blinden aus der Stadt zusammenkommen. Die bekamen jeder eine Keule, und dann wurde ein Schwein in ihre Mitte gebracht, das sie mit den Keulen todtschlagen sollten. Rund um sie her waren Planken gezogen, daß ihnen das Schwein nicht entlaufen konnte. Da gab es denn einen gewaltigen, aber für das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0179" n="147"/>
        <div n="2">
          <head>107. Der Katzenritter zu Stralsund.</head><lb/>
          <p>Es war in früheren Zeiten in vielen Städten gebräuchlich, daß zu Fastnachten der Rath den Bürgern ein öffentliches Schauspiel zum Besten geben mußte. So gab zu einer Zeit, es war im Jahre 1414, der Rath der Stadt Stralsund seinen Bürgern auf Fastnacht ein gar ergötzliches Spiel, welches man das Katzenbeißen nannte. Es wurde nämlich an dem Pranger, der auf dem alten Markte, jetzt der Hauptmarkt, stand, eine Katze angebunden; mit dieser mußte sich ein Mensch, wie man sagt, ohne alle Wehr und Waffen, beißen und streiten, welchem Kampfe der gesammte Rath und Bürgerschaft zusahen, und vieles Ergötzen daran hatten. Da der Mensch zuletzt die Katze todt gebissen hatte, schlug ihn Herr Johann Külpen zum Katzenritter. Dieser Herr Johann Külpen war ein Bürgermeister zum Sunde, und selbst ein Ritter; der konnte selbst Zehnt aus seinem Hause wehrhaft reiten.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Vgl. Stralsundische Chroniken, herausgegeben von Mohnike und Zober, S. 177.</bibl><lb/>
            <bibl>Baltische Studien, dritter Jahrgang, erstes Heft, S. 231-234.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
        <div n="2">
          <head>108. Der Kampf der Blinden in Stralsund.</head><lb/>
          <p>In dem Jahre nachher, als der Katzenritter die Katze todt gebissen, also im Jahre 1415, gab der Rath zu Stralsund der Bürgerschaft zu Fastnachten ein Schauspiel, welches fast noch ergötzlicher war, als jenes. Er ließ nämlich auf dem alten Markte alle Blinden aus der Stadt zusammenkommen. Die bekamen jeder eine Keule, und dann wurde ein Schwein in ihre Mitte gebracht, das sie mit den Keulen todtschlagen sollten. Rund um sie her waren Planken gezogen, daß ihnen das Schwein nicht entlaufen konnte. Da gab es denn einen gewaltigen, aber für das
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0179] 107. Der Katzenritter zu Stralsund. Es war in früheren Zeiten in vielen Städten gebräuchlich, daß zu Fastnachten der Rath den Bürgern ein öffentliches Schauspiel zum Besten geben mußte. So gab zu einer Zeit, es war im Jahre 1414, der Rath der Stadt Stralsund seinen Bürgern auf Fastnacht ein gar ergötzliches Spiel, welches man das Katzenbeißen nannte. Es wurde nämlich an dem Pranger, der auf dem alten Markte, jetzt der Hauptmarkt, stand, eine Katze angebunden; mit dieser mußte sich ein Mensch, wie man sagt, ohne alle Wehr und Waffen, beißen und streiten, welchem Kampfe der gesammte Rath und Bürgerschaft zusahen, und vieles Ergötzen daran hatten. Da der Mensch zuletzt die Katze todt gebissen hatte, schlug ihn Herr Johann Külpen zum Katzenritter. Dieser Herr Johann Külpen war ein Bürgermeister zum Sunde, und selbst ein Ritter; der konnte selbst Zehnt aus seinem Hause wehrhaft reiten. Vgl. Stralsundische Chroniken, herausgegeben von Mohnike und Zober, S. 177. Baltische Studien, dritter Jahrgang, erstes Heft, S. 231-234. 108. Der Kampf der Blinden in Stralsund. In dem Jahre nachher, als der Katzenritter die Katze todt gebissen, also im Jahre 1415, gab der Rath zu Stralsund der Bürgerschaft zu Fastnachten ein Schauspiel, welches fast noch ergötzlicher war, als jenes. Er ließ nämlich auf dem alten Markte alle Blinden aus der Stadt zusammenkommen. Die bekamen jeder eine Keule, und dann wurde ein Schwein in ihre Mitte gebracht, das sie mit den Keulen todtschlagen sollten. Rund um sie her waren Planken gezogen, daß ihnen das Schwein nicht entlaufen konnte. Da gab es denn einen gewaltigen, aber für das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/179
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/179>, abgerufen am 21.11.2024.