ist die Verachtung, und Beschimpfung, der er aus- gesezt wird, doch eine heilsame Warnung für andere.
Nun ist schweerlich irgend ein Mittel einen Men- schen, der es verdienet, der Verachtung lebhafter auszusezen, als der Spott. Wer die Gabe zu spot- ten in einem etwas beträchtlichen Grad hat, kann Narren und Bösewichten sehr furchtbar werden. Darum gehöret sie auch unter die schäzbaren Ta- lente der Redner und Dichter, zugleich aber unter die gefährliche Waffen, von denen ein höchst schäd- licher Mißbrauch kann gemacht werden. Wie man durch recht beißenden Spott Narren, Heuchler und Bösewichte, so beschämen kann, daß sie sich nicht un- terstehen, sich wieder auf einer öffentlichen Scene sehen zu lassen; so kann er auch auf eine meuchel- mördrische Weise gegen Unschuldige, oder solche, die mehr Warnung, als Beschimpfung verdienen, ge- mißbraucht werden. Was wir von dem Gebrauch und Mißbrauch der Satyre gesagt haben (*), kann auch hierauf gelten. Also ist es unnöthig sich hier- über besonders einzulassen.
Zum Glük ist die Gabe zu spotten etwas seltenes. Ohne mehr als gewöhnliche Urtheilskraft und sehr feinen Wiz kann sie nicht bestehen. Der Haupt- spötter der izigen Zeit, ist wol Voltaire, der aber diese Gabe weit mehr gemißbraucht, als gut ange- wendet hat.
Sprache.
Man sagt insgemein, die Sprache sey dem Dichter, was die Farbe dem Mahler ist; im Grund aber ist sie noch weit mehr; weil nicht blos das Colorit, sondern die Zeichnung der Gedanken selbst, von der Sprach abhängt. Es därf also nicht erst be- wiesen werden, daß die Vollkommenheit der reden- den Künste größtentheils von der Vollkommenheit der Sprach abhänge, derer sie sich bedienen. Je- dermann begreift, daß Homer in der scythischen, oder einer andern barbarischen, und noch wenig vervollkommneten Sprache, die Jlias nicht würde gesungen haben, die wir izt in der griechischen Spra- che bewundern: und wenn er es unternommen hätte, so würden seine Gesänge zwar immer das Werk eines großen Genies, aber unendlich weit un- ter der Jlias gewesen seyn, die wir izt haben. Tau- send Dinge, die er vermittelst der griechischen Spra- che zeichnen konnte, würden in der scythischen Jlias [Spaltenumbruch]
Spr
nicht gewesen seyn; weil ihr die Worte zum Aus- druk gefehlt hätten.
Was also dem Mahler das Studium der Zeich- nung und des Colorits ist, das ist dem Redner und Dichter das Studium der Sprache. Mit dem Genie des Raphaels würde man ohne Fertigkeit im Zeichnen und der Farbengebung nur schlechte Ge- mählde machen; und mit dem Genie des Homers, oder Pindars würde der, der nur eine schlechte und rohe Sprache besäße, wenig Vollkommenes in der Dichtkunst an den Tag bringen. Man kann eini- germaaßen sagen, daß die Kunst des Redners und Dichters im Besiz der Sprache bestehe. Wenigstens ist dieses in so fern wahr, als es richtig ist, daß die Kunst des Mahlers in Zeichnung und Farbengebung bestehe. Es giebt ohne Zweifel viel Menschen, die so lebhaft denken, so angenehm und so mahlerisch phantasiren, und so stark empfinden, als die guten Dichter, die aber das, was sie denken und em- pfinden aus Mangel der Kenntnis oder Uebung in der Sprache, nicht wie die Dichter zu sagen wissen. Mit einem solchen Genie wird man also blos als- denn ein guter Dichter, wenn man auch das Jn- strument zum Ausdruk der Gedanken in seiner Ge- walt hat. So sehr wesentlich gehört es zur Voll- kommenheit der redenden Künste, daß man eine vollkommene Sprache völlig besize.
Die Betrachtung der ästhetischen Vollkommenheit der Sprache gehöret demnach wesentlich zur Theorie der Künste, und die Uebungen, wodurch man die Sprach in seine Gewalt bekommt, sind ein eben so wesentlicher Theil der Kunstübung des Redners und Dichters. Wie aber die Sprach von allen Erfin- dungen des Genies die bewundrungswürdigste, und in Absicht auf die Menge und Mannigfaltigkeit des- sen, was dazu gehöret, die größte ist, so wär auch unendlich viel davon zu sagen. Es wird also wol niemand erwarten, daß in diesem Artikel alle Eigen- schaften einer ästhetisch-vollkommenen Sprach ange- zeiget werden. Auch würden wir schon die hier gesez- ten Schranken weit überschreiten müssen, wenn wir uns blos in eine etwas umständliche Beurtheilung der deutschen Sprach und ihrer Tüchtigkeit, oder Un- tüchtigkeit für die redenden Künste einlassen wollten. Also schränken wir uns blos auf einige ganz allge- meine Anmerkungen ein, die dem, der diese wichtige Materie von Grund aus abhandeln wollte, viel- leicht die Arbeit etwas erleichtern könnten, auch dem
angehen-
(*) S. Oben S. 1000.
[Spaltenumbruch]
Spr
iſt die Verachtung, und Beſchimpfung, der er aus- geſezt wird, doch eine heilſame Warnung fuͤr andere.
Nun iſt ſchweerlich irgend ein Mittel einen Men- ſchen, der es verdienet, der Verachtung lebhafter auszuſezen, als der Spott. Wer die Gabe zu ſpot- ten in einem etwas betraͤchtlichen Grad hat, kann Narren und Boͤſewichten ſehr furchtbar werden. Darum gehoͤret ſie auch unter die ſchaͤzbaren Ta- lente der Redner und Dichter, zugleich aber unter die gefaͤhrliche Waffen, von denen ein hoͤchſt ſchaͤd- licher Mißbrauch kann gemacht werden. Wie man durch recht beißenden Spott Narren, Heuchler und Boͤſewichte, ſo beſchaͤmen kann, daß ſie ſich nicht un- terſtehen, ſich wieder auf einer oͤffentlichen Scene ſehen zu laſſen; ſo kann er auch auf eine meuchel- moͤrdriſche Weiſe gegen Unſchuldige, oder ſolche, die mehr Warnung, als Beſchimpfung verdienen, ge- mißbraucht werden. Was wir von dem Gebrauch und Mißbrauch der Satyre geſagt haben (*), kann auch hierauf gelten. Alſo iſt es unnoͤthig ſich hier- uͤber beſonders einzulaſſen.
Zum Gluͤk iſt die Gabe zu ſpotten etwas ſeltenes. Ohne mehr als gewoͤhnliche Urtheilskraft und ſehr feinen Wiz kann ſie nicht beſtehen. Der Haupt- ſpoͤtter der izigen Zeit, iſt wol Voltaire, der aber dieſe Gabe weit mehr gemißbraucht, als gut ange- wendet hat.
Sprache.
Man ſagt insgemein, die Sprache ſey dem Dichter, was die Farbe dem Mahler iſt; im Grund aber iſt ſie noch weit mehr; weil nicht blos das Colorit, ſondern die Zeichnung der Gedanken ſelbſt, von der Sprach abhaͤngt. Es daͤrf alſo nicht erſt be- wieſen werden, daß die Vollkommenheit der reden- den Kuͤnſte groͤßtentheils von der Vollkommenheit der Sprach abhaͤnge, derer ſie ſich bedienen. Je- dermann begreift, daß Homer in der ſcythiſchen, oder einer andern barbariſchen, und noch wenig vervollkommneten Sprache, die Jlias nicht wuͤrde geſungen haben, die wir izt in der griechiſchen Spra- che bewundern: und wenn er es unternommen haͤtte, ſo wuͤrden ſeine Geſaͤnge zwar immer das Werk eines großen Genies, aber unendlich weit un- ter der Jlias geweſen ſeyn, die wir izt haben. Tau- ſend Dinge, die er vermittelſt der griechiſchen Spra- che zeichnen konnte, wuͤrden in der ſcythiſchen Jlias [Spaltenumbruch]
Spr
nicht geweſen ſeyn; weil ihr die Worte zum Aus- druk gefehlt haͤtten.
Was alſo dem Mahler das Studium der Zeich- nung und des Colorits iſt, das iſt dem Redner und Dichter das Studium der Sprache. Mit dem Genie des Raphaels wuͤrde man ohne Fertigkeit im Zeichnen und der Farbengebung nur ſchlechte Ge- maͤhlde machen; und mit dem Genie des Homers, oder Pindars wuͤrde der, der nur eine ſchlechte und rohe Sprache beſaͤße, wenig Vollkommenes in der Dichtkunſt an den Tag bringen. Man kann eini- germaaßen ſagen, daß die Kunſt des Redners und Dichters im Beſiz der Sprache beſtehe. Wenigſtens iſt dieſes in ſo fern wahr, als es richtig iſt, daß die Kunſt des Mahlers in Zeichnung und Farbengebung beſtehe. Es giebt ohne Zweifel viel Menſchen, die ſo lebhaft denken, ſo angenehm und ſo mahleriſch phantaſiren, und ſo ſtark empfinden, als die guten Dichter, die aber das, was ſie denken und em- pfinden aus Mangel der Kenntnis oder Uebung in der Sprache, nicht wie die Dichter zu ſagen wiſſen. Mit einem ſolchen Genie wird man alſo blos als- denn ein guter Dichter, wenn man auch das Jn- ſtrument zum Ausdruk der Gedanken in ſeiner Ge- walt hat. So ſehr weſentlich gehoͤrt es zur Voll- kommenheit der redenden Kuͤnſte, daß man eine vollkommene Sprache voͤllig beſize.
Die Betrachtung der aͤſthetiſchen Vollkommenheit der Sprache gehoͤret demnach weſentlich zur Theorie der Kuͤnſte, und die Uebungen, wodurch man die Sprach in ſeine Gewalt bekommt, ſind ein eben ſo weſentlicher Theil der Kunſtuͤbung des Redners und Dichters. Wie aber die Sprach von allen Erfin- dungen des Genies die bewundrungswuͤrdigſte, und in Abſicht auf die Menge und Mannigfaltigkeit deſ- ſen, was dazu gehoͤret, die groͤßte iſt, ſo waͤr auch unendlich viel davon zu ſagen. Es wird alſo wol niemand erwarten, daß in dieſem Artikel alle Eigen- ſchaften einer aͤſthetiſch-vollkommenen Sprach ange- zeiget werden. Auch wuͤrden wir ſchon die hier geſez- ten Schranken weit uͤberſchreiten muͤſſen, wenn wir uns blos in eine etwas umſtaͤndliche Beurtheilung der deutſchen Sprach und ihrer Tuͤchtigkeit, oder Un- tuͤchtigkeit fuͤr die redenden Kuͤnſte einlaſſen wollten. Alſo ſchraͤnken wir uns blos auf einige ganz allge- meine Anmerkungen ein, die dem, der dieſe wichtige Materie von Grund aus abhandeln wollte, viel- leicht die Arbeit etwas erleichtern koͤnnten, auch dem
angehen-
(*) S. Oben S. 1000.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0529"n="1100[1082]"/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Spr</hi></fw><lb/>
iſt die Verachtung, und Beſchimpfung, der er aus-<lb/>
geſezt wird, doch eine heilſame Warnung fuͤr andere.</p><lb/><p>Nun iſt ſchweerlich irgend ein Mittel einen Men-<lb/>ſchen, der es verdienet, der Verachtung lebhafter<lb/>
auszuſezen, als der Spott. Wer die Gabe zu ſpot-<lb/>
ten in einem etwas betraͤchtlichen Grad hat, kann<lb/>
Narren und Boͤſewichten ſehr furchtbar werden.<lb/>
Darum gehoͤret ſie auch unter die ſchaͤzbaren Ta-<lb/>
lente der Redner und Dichter, zugleich aber unter<lb/>
die gefaͤhrliche Waffen, von denen ein hoͤchſt ſchaͤd-<lb/>
licher Mißbrauch kann gemacht werden. Wie man<lb/>
durch recht beißenden Spott Narren, Heuchler und<lb/>
Boͤſewichte, ſo beſchaͤmen kann, daß ſie ſich nicht un-<lb/>
terſtehen, ſich wieder auf einer oͤffentlichen Scene<lb/>ſehen zu laſſen; ſo kann er auch auf eine meuchel-<lb/>
moͤrdriſche Weiſe gegen Unſchuldige, oder ſolche, die<lb/>
mehr Warnung, als Beſchimpfung verdienen, ge-<lb/>
mißbraucht werden. Was wir von dem Gebrauch<lb/>
und Mißbrauch der Satyre geſagt haben <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Oben S.<lb/>
1000.</note>, kann<lb/>
auch hierauf gelten. Alſo iſt es unnoͤthig ſich hier-<lb/>
uͤber beſonders einzulaſſen.</p><lb/><p>Zum Gluͤk iſt die Gabe zu ſpotten etwas ſeltenes.<lb/>
Ohne mehr als gewoͤhnliche Urtheilskraft und ſehr<lb/>
feinen Wiz kann ſie nicht beſtehen. Der Haupt-<lb/>ſpoͤtter der izigen Zeit, iſt wol <hirendition="#fr">Voltaire,</hi> der aber<lb/>
dieſe Gabe weit mehr gemißbraucht, als gut ange-<lb/>
wendet hat.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Sprache.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">M</hi>an ſagt insgemein, die Sprache ſey dem Dichter,<lb/>
was die Farbe dem Mahler iſt; im Grund aber iſt<lb/>ſie noch weit mehr; weil nicht blos das Colorit,<lb/>ſondern die Zeichnung der Gedanken ſelbſt, von<lb/>
der Sprach abhaͤngt. Es daͤrf alſo nicht erſt be-<lb/>
wieſen werden, daß die Vollkommenheit der reden-<lb/>
den Kuͤnſte groͤßtentheils von der Vollkommenheit<lb/>
der Sprach abhaͤnge, derer ſie ſich bedienen. Je-<lb/>
dermann begreift, daß Homer in der ſcythiſchen,<lb/>
oder einer andern barbariſchen, und noch wenig<lb/>
vervollkommneten Sprache, die Jlias nicht wuͤrde<lb/>
geſungen haben, die wir izt in der griechiſchen Spra-<lb/>
che bewundern: und wenn er es unternommen<lb/>
haͤtte, ſo wuͤrden ſeine Geſaͤnge zwar immer das<lb/>
Werk eines großen Genies, aber unendlich weit un-<lb/>
ter der Jlias geweſen ſeyn, die wir izt haben. Tau-<lb/>ſend Dinge, die er vermittelſt der griechiſchen Spra-<lb/>
che zeichnen konnte, wuͤrden in der ſcythiſchen Jlias<lb/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Spr</hi></fw><lb/>
nicht geweſen ſeyn; weil ihr die Worte zum Aus-<lb/>
druk gefehlt haͤtten.</p><lb/><p>Was alſo dem Mahler das Studium der Zeich-<lb/>
nung und des Colorits iſt, das iſt dem Redner und<lb/>
Dichter das Studium der Sprache. Mit dem<lb/>
Genie des Raphaels wuͤrde man ohne Fertigkeit im<lb/>
Zeichnen und der Farbengebung nur ſchlechte Ge-<lb/>
maͤhlde machen; und mit dem Genie des Homers,<lb/>
oder Pindars wuͤrde der, der nur eine ſchlechte und<lb/>
rohe Sprache beſaͤße, wenig Vollkommenes in der<lb/>
Dichtkunſt an den Tag bringen. Man kann eini-<lb/>
germaaßen ſagen, daß die Kunſt des Redners und<lb/>
Dichters im Beſiz der Sprache beſtehe. Wenigſtens<lb/>
iſt dieſes in ſo fern wahr, als es richtig iſt, daß die<lb/>
Kunſt des Mahlers in Zeichnung und Farbengebung<lb/>
beſtehe. Es giebt ohne Zweifel viel Menſchen, die<lb/>ſo lebhaft denken, ſo angenehm und ſo mahleriſch<lb/>
phantaſiren, und ſo ſtark empfinden, als die guten<lb/>
Dichter, die aber das, was ſie denken und em-<lb/>
pfinden aus Mangel der Kenntnis oder Uebung in<lb/>
der Sprache, nicht wie die Dichter zu ſagen wiſſen.<lb/>
Mit einem ſolchen Genie wird man alſo blos als-<lb/>
denn ein guter Dichter, wenn man auch das Jn-<lb/>ſtrument zum Ausdruk der Gedanken in ſeiner Ge-<lb/>
walt hat. So ſehr weſentlich gehoͤrt es zur Voll-<lb/>
kommenheit der redenden Kuͤnſte, daß man eine<lb/>
vollkommene Sprache voͤllig beſize.</p><lb/><p>Die Betrachtung der aͤſthetiſchen Vollkommenheit<lb/>
der Sprache gehoͤret demnach weſentlich zur Theorie<lb/>
der Kuͤnſte, und die Uebungen, wodurch man die<lb/>
Sprach in ſeine Gewalt bekommt, ſind ein eben ſo<lb/>
weſentlicher Theil der Kunſtuͤbung des Redners und<lb/>
Dichters. Wie aber die Sprach von allen Erfin-<lb/>
dungen des Genies die bewundrungswuͤrdigſte, und<lb/>
in Abſicht auf die Menge und Mannigfaltigkeit deſ-<lb/>ſen, was dazu gehoͤret, die groͤßte iſt, ſo waͤr auch<lb/>
unendlich viel davon zu ſagen. Es wird alſo wol<lb/>
niemand erwarten, daß in dieſem Artikel alle Eigen-<lb/>ſchaften einer aͤſthetiſch-vollkommenen Sprach ange-<lb/>
zeiget werden. Auch wuͤrden wir ſchon die hier geſez-<lb/>
ten Schranken weit uͤberſchreiten muͤſſen, wenn wir<lb/>
uns blos in eine etwas umſtaͤndliche Beurtheilung der<lb/>
deutſchen Sprach und ihrer Tuͤchtigkeit, oder Un-<lb/>
tuͤchtigkeit fuͤr die redenden Kuͤnſte einlaſſen wollten.<lb/>
Alſo ſchraͤnken wir uns blos auf einige ganz allge-<lb/>
meine Anmerkungen ein, die dem, der dieſe wichtige<lb/>
Materie von Grund aus abhandeln wollte, viel-<lb/>
leicht die Arbeit etwas erleichtern koͤnnten, auch dem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">angehen-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[1100[1082]/0529]
Spr
Spr
iſt die Verachtung, und Beſchimpfung, der er aus-
geſezt wird, doch eine heilſame Warnung fuͤr andere.
Nun iſt ſchweerlich irgend ein Mittel einen Men-
ſchen, der es verdienet, der Verachtung lebhafter
auszuſezen, als der Spott. Wer die Gabe zu ſpot-
ten in einem etwas betraͤchtlichen Grad hat, kann
Narren und Boͤſewichten ſehr furchtbar werden.
Darum gehoͤret ſie auch unter die ſchaͤzbaren Ta-
lente der Redner und Dichter, zugleich aber unter
die gefaͤhrliche Waffen, von denen ein hoͤchſt ſchaͤd-
licher Mißbrauch kann gemacht werden. Wie man
durch recht beißenden Spott Narren, Heuchler und
Boͤſewichte, ſo beſchaͤmen kann, daß ſie ſich nicht un-
terſtehen, ſich wieder auf einer oͤffentlichen Scene
ſehen zu laſſen; ſo kann er auch auf eine meuchel-
moͤrdriſche Weiſe gegen Unſchuldige, oder ſolche, die
mehr Warnung, als Beſchimpfung verdienen, ge-
mißbraucht werden. Was wir von dem Gebrauch
und Mißbrauch der Satyre geſagt haben (*), kann
auch hierauf gelten. Alſo iſt es unnoͤthig ſich hier-
uͤber beſonders einzulaſſen.
Zum Gluͤk iſt die Gabe zu ſpotten etwas ſeltenes.
Ohne mehr als gewoͤhnliche Urtheilskraft und ſehr
feinen Wiz kann ſie nicht beſtehen. Der Haupt-
ſpoͤtter der izigen Zeit, iſt wol Voltaire, der aber
dieſe Gabe weit mehr gemißbraucht, als gut ange-
wendet hat.
Sprache.
Man ſagt insgemein, die Sprache ſey dem Dichter,
was die Farbe dem Mahler iſt; im Grund aber iſt
ſie noch weit mehr; weil nicht blos das Colorit,
ſondern die Zeichnung der Gedanken ſelbſt, von
der Sprach abhaͤngt. Es daͤrf alſo nicht erſt be-
wieſen werden, daß die Vollkommenheit der reden-
den Kuͤnſte groͤßtentheils von der Vollkommenheit
der Sprach abhaͤnge, derer ſie ſich bedienen. Je-
dermann begreift, daß Homer in der ſcythiſchen,
oder einer andern barbariſchen, und noch wenig
vervollkommneten Sprache, die Jlias nicht wuͤrde
geſungen haben, die wir izt in der griechiſchen Spra-
che bewundern: und wenn er es unternommen
haͤtte, ſo wuͤrden ſeine Geſaͤnge zwar immer das
Werk eines großen Genies, aber unendlich weit un-
ter der Jlias geweſen ſeyn, die wir izt haben. Tau-
ſend Dinge, die er vermittelſt der griechiſchen Spra-
che zeichnen konnte, wuͤrden in der ſcythiſchen Jlias
nicht geweſen ſeyn; weil ihr die Worte zum Aus-
druk gefehlt haͤtten.
Was alſo dem Mahler das Studium der Zeich-
nung und des Colorits iſt, das iſt dem Redner und
Dichter das Studium der Sprache. Mit dem
Genie des Raphaels wuͤrde man ohne Fertigkeit im
Zeichnen und der Farbengebung nur ſchlechte Ge-
maͤhlde machen; und mit dem Genie des Homers,
oder Pindars wuͤrde der, der nur eine ſchlechte und
rohe Sprache beſaͤße, wenig Vollkommenes in der
Dichtkunſt an den Tag bringen. Man kann eini-
germaaßen ſagen, daß die Kunſt des Redners und
Dichters im Beſiz der Sprache beſtehe. Wenigſtens
iſt dieſes in ſo fern wahr, als es richtig iſt, daß die
Kunſt des Mahlers in Zeichnung und Farbengebung
beſtehe. Es giebt ohne Zweifel viel Menſchen, die
ſo lebhaft denken, ſo angenehm und ſo mahleriſch
phantaſiren, und ſo ſtark empfinden, als die guten
Dichter, die aber das, was ſie denken und em-
pfinden aus Mangel der Kenntnis oder Uebung in
der Sprache, nicht wie die Dichter zu ſagen wiſſen.
Mit einem ſolchen Genie wird man alſo blos als-
denn ein guter Dichter, wenn man auch das Jn-
ſtrument zum Ausdruk der Gedanken in ſeiner Ge-
walt hat. So ſehr weſentlich gehoͤrt es zur Voll-
kommenheit der redenden Kuͤnſte, daß man eine
vollkommene Sprache voͤllig beſize.
Die Betrachtung der aͤſthetiſchen Vollkommenheit
der Sprache gehoͤret demnach weſentlich zur Theorie
der Kuͤnſte, und die Uebungen, wodurch man die
Sprach in ſeine Gewalt bekommt, ſind ein eben ſo
weſentlicher Theil der Kunſtuͤbung des Redners und
Dichters. Wie aber die Sprach von allen Erfin-
dungen des Genies die bewundrungswuͤrdigſte, und
in Abſicht auf die Menge und Mannigfaltigkeit deſ-
ſen, was dazu gehoͤret, die groͤßte iſt, ſo waͤr auch
unendlich viel davon zu ſagen. Es wird alſo wol
niemand erwarten, daß in dieſem Artikel alle Eigen-
ſchaften einer aͤſthetiſch-vollkommenen Sprach ange-
zeiget werden. Auch wuͤrden wir ſchon die hier geſez-
ten Schranken weit uͤberſchreiten muͤſſen, wenn wir
uns blos in eine etwas umſtaͤndliche Beurtheilung der
deutſchen Sprach und ihrer Tuͤchtigkeit, oder Un-
tuͤchtigkeit fuͤr die redenden Kuͤnſte einlaſſen wollten.
Alſo ſchraͤnken wir uns blos auf einige ganz allge-
meine Anmerkungen ein, die dem, der dieſe wichtige
Materie von Grund aus abhandeln wollte, viel-
leicht die Arbeit etwas erleichtern koͤnnten, auch dem
angehen-
(*) S.
Oben S.
1000.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1100[1082]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/529>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.