lassen, er wolle sich selbst ums Leben bringen; die Tochter will aber mit ihm sterben, und erbiethet sich ihm Mittel an die Hand zu geben, beyder Tod zu bewürken. Sie sagt sehr poetisch
Heic alta rupes arduo surgit jugo, Spectatque longa spatia subjecti maris Vis hanc petamus. Nudus heic pendet silex; Heic scissa tellus faucibus raptis hiat. Vis hanc petamus? Heic rapax torrens cadit -- -- -- In hunc ruamus?(*)
Wär es sein Ernst sich das Leben zu nehmen, so konnte er also wählen. Aber seine Antwort zeiget deutlich, daß er gar keine Lust dazu hat. Er wun- dert sich eine so großmüthige Tochter zu haben; und nachdem ihm drey oder vier Mittel seiner Noth ein Ende zu machen angeboten worden, fodert er wieder aufs neu mit einem sehr unnüzen Wortgepränge, was er doch nicht angenommen hat
-- si fida es comes Ensem parenti trade. -- Flammas -- et vastum aggerem Compone. In altos ipse me immittam rogos. -- -- -- -- Ubi saevum est mare Duc, ubi sit altis prorutum saxis jugum Ubi torta rapidus ducat Ismenus vada: Duc ubi ferae sint, ubi sretum, ubi praeceps lecus.
So handelt und redet in diesen Trauerspiehlen, die Verzweiflung, und so wiedersprechen fast alle Reden den Gesinnungen, die den Personen angedichtet werden.
Bey dem allen sind hier und da große Schönhei- ten, die aber nicht selten unrecht angebracht sind. Meisterhaft gezeichnete Gemählde, die sich aber sel- ten weder zu den Personen, noch zu den Umständen schiken. Jm einzeln findet man starke auch so gar fürtrefliche Gedanken, und diese meisterhaft gesagt. Die Moral der Stoiker ist an verschiedenen Orten fürtreflich angebracht. Die Denksprüche fahren ofte wie Donnerstrahlen durch die Seele, wiewol auch dagegen oft kleine, halbwahre, auch wol kindische Sprüchelchen vorkommen. Hätte der Verfasser sich näher bey der Natur gehalten, hätte er allen über- flüßigen Schmuk weggelassen, so wär er einer der ersten tragischen Dichter worden.
Den Dichtern, welche die Kunst bereits nach gu- ten Grundsäzen studirt haben, kann man das Lesen [Spaltenumbruch]
Sep
dieser Trauerspiehle empfehlen, damit sie von den häufigen Fehlern gerührt, sie vermeiden lernen, und in dem wenigen Guten, das darin ist, die Stärke des Ausdruks nachzuahmen suchen.
Septime. (Musik.)
Ein Jntervall von sechs diatonischen Stufen, oder der nächste Ton unter der Octave. Sie ist nach Be- schaffenheit des Grundtons und der Tonart dreyer- ley, groß, klein und vermindert. Nämlich in der harten Tonart ist sie auf der Tonica und Unterdo- minante groß, auf den übrigen Stufen klein. Jn der weichen Tonart ist sie auf der Terz und der Sexte groß, auf den übrigen Stufen klein. Die vermin- derte Septime hat einen besondern Ursprung, wie hernach soll gezeiget werden. Jn der Umkehrung wird die große Septime zur kleinen, die kleine zur großen, und die verminderte Septime zur über- mäßigen Secunde (*).
Da die Septime gegen der Octave des Grund- tons eine Untersecunde ausmacht, so ist sie ihrer Natur nach dissonirend (*), und muß in der Har- monie als Dissonanz behandelt werden. Sie hat aber vor allen andern Dissonanzen das voraus, daß sie nicht blos als ein Vorhalt zur Verzögerung der zu erwartenden Consonanz, sondern zu einem we- sentlich dissonirenden Grundaccord gebraucht wird, um eine Veränderung des Tones anzukündigen.
Wir wollen sie erstlich als einen Vorhalt betrach- ten. Jn dieser Absicht kann sie anstatt der Sexte vorkommen, und über denselben Baßton aufgelö- set werden. Z. B.
[Abbildung]
Sie wird hier blos durch eine Bindung aufgehalten, um so gleich in die Sexte zu treten, die erwartet wird, und in die sie bey der zweyten Hälfte der Baßnote würklich übergeht.
Die
(*)The- bais vs. 67. f. f.
(*) S. Dissonanz.
(*) S. Consonanz Dissonanz. Secunde.
[Spaltenumbruch]
Sen
laſſen, er wolle ſich ſelbſt ums Leben bringen; die Tochter will aber mit ihm ſterben, und erbiethet ſich ihm Mittel an die Hand zu geben, beyder Tod zu bewuͤrken. Sie ſagt ſehr poetiſch
Heic alta rupes arduo ſurgit jugo, Spectatque longa ſpatia ſubjecti maris Vis hanc petamus. Nudus heic pendet ſilex; Heic ſciſſa tellus faucibus raptis hiat. Vis hanc petamus? Heic rapax torrens cadit — — — In hunc ruamus?(*)
Waͤr es ſein Ernſt ſich das Leben zu nehmen, ſo konnte er alſo waͤhlen. Aber ſeine Antwort zeiget deutlich, daß er gar keine Luſt dazu hat. Er wun- dert ſich eine ſo großmuͤthige Tochter zu haben; und nachdem ihm drey oder vier Mittel ſeiner Noth ein Ende zu machen angeboten worden, fodert er wieder aufs neu mit einem ſehr unnuͤzen Wortgepraͤnge, was er doch nicht angenommen hat
— ſi fida es comes Enſem parenti trade. — Flammas — et vaſtum aggerem Compone. In altos ipſe me immittam rogos. — — — — Ubi ſævum eſt mare Duc, ubi ſit altis prorutum ſaxis jugum Ubi torta rapidus ducat Iſmenus vada: Duc ubi feræ ſint, ubi ſretum, ubi præceps lecus.
So handelt und redet in dieſen Trauerſpiehlen, die Verzweiflung, und ſo wiederſprechen faſt alle Reden den Geſinnungen, die den Perſonen angedichtet werden.
Bey dem allen ſind hier und da große Schoͤnhei- ten, die aber nicht ſelten unrecht angebracht ſind. Meiſterhaft gezeichnete Gemaͤhlde, die ſich aber ſel- ten weder zu den Perſonen, noch zu den Umſtaͤnden ſchiken. Jm einzeln findet man ſtarke auch ſo gar fuͤrtrefliche Gedanken, und dieſe meiſterhaft geſagt. Die Moral der Stoiker iſt an verſchiedenen Orten fuͤrtreflich angebracht. Die Denkſpruͤche fahren ofte wie Donnerſtrahlen durch die Seele, wiewol auch dagegen oft kleine, halbwahre, auch wol kindiſche Spruͤchelchen vorkommen. Haͤtte der Verfaſſer ſich naͤher bey der Natur gehalten, haͤtte er allen uͤber- fluͤßigen Schmuk weggelaſſen, ſo waͤr er einer der erſten tragiſchen Dichter worden.
Den Dichtern, welche die Kunſt bereits nach gu- ten Grundſaͤzen ſtudirt haben, kann man das Leſen [Spaltenumbruch]
Sep
dieſer Trauerſpiehle empfehlen, damit ſie von den haͤufigen Fehlern geruͤhrt, ſie vermeiden lernen, und in dem wenigen Guten, das darin iſt, die Staͤrke des Ausdruks nachzuahmen ſuchen.
Septime. (Muſik.)
Ein Jntervall von ſechs diatoniſchen Stufen, oder der naͤchſte Ton unter der Octave. Sie iſt nach Be- ſchaffenheit des Grundtons und der Tonart dreyer- ley, groß, klein und vermindert. Naͤmlich in der harten Tonart iſt ſie auf der Tonica und Unterdo- minante groß, auf den uͤbrigen Stufen klein. Jn der weichen Tonart iſt ſie auf der Terz und der Sexte groß, auf den uͤbrigen Stufen klein. Die vermin- derte Septime hat einen beſondern Urſprung, wie hernach ſoll gezeiget werden. Jn der Umkehrung wird die große Septime zur kleinen, die kleine zur großen, und die verminderte Septime zur uͤber- maͤßigen Secunde (*).
Da die Septime gegen der Octave des Grund- tons eine Unterſecunde ausmacht, ſo iſt ſie ihrer Natur nach diſſonirend (*), und muß in der Har- monie als Diſſonanz behandelt werden. Sie hat aber vor allen andern Diſſonanzen das voraus, daß ſie nicht blos als ein Vorhalt zur Verzoͤgerung der zu erwartenden Conſonanz, ſondern zu einem we- ſentlich diſſonirenden Grundaccord gebraucht wird, um eine Veraͤnderung des Tones anzukuͤndigen.
Wir wollen ſie erſtlich als einen Vorhalt betrach- ten. Jn dieſer Abſicht kann ſie anſtatt der Sexte vorkommen, und uͤber denſelben Baßton aufgeloͤ- ſet werden. Z. B.
[Abbildung]
Sie wird hier blos durch eine Bindung aufgehalten, um ſo gleich in die Sexte zu treten, die erwartet wird, und in die ſie bey der zweyten Haͤlfte der Baßnote wuͤrklich uͤbergeht.
Die
(*)The- bais vs. 67. f. f.
(*) S. Diſſonanz.
(*) S. Conſonanz Diſſonanz. Secunde.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0493"n="1064[1046]"/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Sen</hi></fw><lb/>
laſſen, er wolle ſich ſelbſt ums Leben bringen; die<lb/>
Tochter will aber mit ihm ſterben, und erbiethet ſich<lb/>
ihm Mittel an die Hand zu geben, beyder Tod zu<lb/>
bewuͤrken. Sie ſagt ſehr poetiſch</p><lb/><cit><quote><hirendition="#et"><hirendition="#aq">Heic alta rupes arduo ſurgit jugo,<lb/>
Spectatque longa ſpatia ſubjecti maris<lb/>
Vis hanc petamus. Nudus heic pendet ſilex;<lb/>
Heic ſciſſa tellus faucibus raptis hiat.<lb/>
Vis hanc petamus? Heic rapax torrens cadit<lb/>———<lb/>
In hunc ruamus?</hi><noteplace="foot"n="(*)"><hirendition="#aq">The-<lb/>
bais vs.</hi> 67.<lb/>
f. f.</note></hi></quote></cit><lb/><p>Waͤr es ſein Ernſt ſich das Leben zu nehmen, ſo<lb/>
konnte er alſo waͤhlen. Aber ſeine Antwort zeiget<lb/>
deutlich, daß er gar keine Luſt dazu hat. Er wun-<lb/>
dert ſich eine ſo großmuͤthige Tochter zu haben; und<lb/>
nachdem ihm drey oder vier Mittel ſeiner Noth ein<lb/>
Ende zu machen angeboten worden, fodert er wieder<lb/>
aufs neu mit einem ſehr unnuͤzen Wortgepraͤnge, was<lb/>
er doch nicht angenommen hat</p><lb/><cit><quote><hirendition="#et">—<hirendition="#aq">ſi fida es comes<lb/>
Enſem parenti trade.<lb/>— Flammas — et vaſtum aggerem<lb/>
Compone. In altos ipſe me immittam rogos.<lb/>———— Ubi ſævum eſt mare<lb/>
Duc, ubi ſit altis prorutum ſaxis jugum<lb/>
Ubi torta rapidus ducat Iſmenus vada:<lb/>
Duc ubi feræ ſint, ubi ſretum, ubi præceps lecus.</hi></hi></quote></cit><lb/><p>So handelt und redet in dieſen Trauerſpiehlen, die<lb/>
Verzweiflung, und ſo wiederſprechen faſt alle Reden<lb/>
den Geſinnungen, die den Perſonen angedichtet<lb/>
werden.</p><lb/><p>Bey dem allen ſind hier und da große Schoͤnhei-<lb/>
ten, die aber nicht ſelten unrecht angebracht ſind.<lb/>
Meiſterhaft gezeichnete Gemaͤhlde, die ſich aber ſel-<lb/>
ten weder zu den Perſonen, noch zu den Umſtaͤnden<lb/>ſchiken. Jm einzeln findet man ſtarke auch ſo gar<lb/>
fuͤrtrefliche Gedanken, und dieſe meiſterhaft geſagt.<lb/>
Die Moral der Stoiker iſt an verſchiedenen Orten<lb/>
fuͤrtreflich angebracht. Die Denkſpruͤche fahren ofte<lb/>
wie Donnerſtrahlen durch die Seele, wiewol auch<lb/>
dagegen oft kleine, halbwahre, auch wol kindiſche<lb/>
Spruͤchelchen vorkommen. Haͤtte der Verfaſſer ſich<lb/>
naͤher bey der Natur gehalten, haͤtte er allen uͤber-<lb/>
fluͤßigen Schmuk weggelaſſen, ſo waͤr er einer der<lb/>
erſten tragiſchen Dichter worden.</p><lb/><p>Den Dichtern, welche die Kunſt bereits nach gu-<lb/>
ten Grundſaͤzen ſtudirt haben, kann man das Leſen<lb/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Sep</hi></fw><lb/>
dieſer Trauerſpiehle empfehlen, damit ſie von den<lb/>
haͤufigen Fehlern geruͤhrt, ſie vermeiden lernen, und<lb/>
in dem wenigen Guten, das darin iſt, die Staͤrke<lb/>
des Ausdruks nachzuahmen ſuchen.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Septime.</hi><lb/>
(Muſik.)</head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>in Jntervall von ſechs diatoniſchen Stufen, oder<lb/>
der naͤchſte Ton unter der Octave. Sie iſt nach Be-<lb/>ſchaffenheit des Grundtons und der Tonart dreyer-<lb/>
ley, groß, klein und vermindert. Naͤmlich in der<lb/>
harten Tonart iſt ſie auf der Tonica und Unterdo-<lb/>
minante groß, auf den uͤbrigen Stufen klein. Jn<lb/>
der weichen Tonart iſt ſie auf der Terz und der Sexte<lb/>
groß, auf den uͤbrigen Stufen klein. Die vermin-<lb/>
derte Septime hat einen beſondern Urſprung, wie<lb/>
hernach ſoll gezeiget werden. Jn der Umkehrung<lb/>
wird die große Septime zur kleinen, die kleine zur<lb/>
großen, und die verminderte Septime zur uͤber-<lb/>
maͤßigen Secunde <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Diſſonanz.</note>.</p><lb/><p>Da die Septime gegen der Octave des Grund-<lb/>
tons eine Unterſecunde ausmacht, ſo iſt ſie ihrer<lb/>
Natur nach diſſonirend <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Conſonanz<lb/>
Diſſonanz.<lb/>
Secunde.</note>, und muß in der Har-<lb/>
monie als Diſſonanz behandelt werden. Sie hat<lb/>
aber vor allen andern Diſſonanzen das voraus, daß<lb/>ſie nicht blos als ein Vorhalt zur Verzoͤgerung der<lb/>
zu erwartenden Conſonanz, ſondern zu einem we-<lb/>ſentlich diſſonirenden Grundaccord gebraucht wird,<lb/>
um eine Veraͤnderung des Tones anzukuͤndigen.</p><lb/><p>Wir wollen ſie erſtlich als einen Vorhalt betrach-<lb/>
ten. Jn dieſer Abſicht kann ſie anſtatt der Sexte<lb/>
vorkommen, und uͤber denſelben Baßton aufgeloͤ-<lb/>ſet werden. Z. B.</p><lb/><figure/><p>Sie wird hier blos durch eine Bindung aufgehalten,<lb/>
um ſo gleich in die Sexte zu treten, die erwartet<lb/>
wird, und in die ſie bey der zweyten Haͤlfte der<lb/>
Baßnote wuͤrklich uͤbergeht.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[1064[1046]/0493]
Sen
Sep
laſſen, er wolle ſich ſelbſt ums Leben bringen; die
Tochter will aber mit ihm ſterben, und erbiethet ſich
ihm Mittel an die Hand zu geben, beyder Tod zu
bewuͤrken. Sie ſagt ſehr poetiſch
Heic alta rupes arduo ſurgit jugo,
Spectatque longa ſpatia ſubjecti maris
Vis hanc petamus. Nudus heic pendet ſilex;
Heic ſciſſa tellus faucibus raptis hiat.
Vis hanc petamus? Heic rapax torrens cadit
— — —
In hunc ruamus? (*)
Waͤr es ſein Ernſt ſich das Leben zu nehmen, ſo
konnte er alſo waͤhlen. Aber ſeine Antwort zeiget
deutlich, daß er gar keine Luſt dazu hat. Er wun-
dert ſich eine ſo großmuͤthige Tochter zu haben; und
nachdem ihm drey oder vier Mittel ſeiner Noth ein
Ende zu machen angeboten worden, fodert er wieder
aufs neu mit einem ſehr unnuͤzen Wortgepraͤnge, was
er doch nicht angenommen hat
— ſi fida es comes
Enſem parenti trade.
— Flammas — et vaſtum aggerem
Compone. In altos ipſe me immittam rogos.
— — — — Ubi ſævum eſt mare
Duc, ubi ſit altis prorutum ſaxis jugum
Ubi torta rapidus ducat Iſmenus vada:
Duc ubi feræ ſint, ubi ſretum, ubi præceps lecus.
So handelt und redet in dieſen Trauerſpiehlen, die
Verzweiflung, und ſo wiederſprechen faſt alle Reden
den Geſinnungen, die den Perſonen angedichtet
werden.
Bey dem allen ſind hier und da große Schoͤnhei-
ten, die aber nicht ſelten unrecht angebracht ſind.
Meiſterhaft gezeichnete Gemaͤhlde, die ſich aber ſel-
ten weder zu den Perſonen, noch zu den Umſtaͤnden
ſchiken. Jm einzeln findet man ſtarke auch ſo gar
fuͤrtrefliche Gedanken, und dieſe meiſterhaft geſagt.
Die Moral der Stoiker iſt an verſchiedenen Orten
fuͤrtreflich angebracht. Die Denkſpruͤche fahren ofte
wie Donnerſtrahlen durch die Seele, wiewol auch
dagegen oft kleine, halbwahre, auch wol kindiſche
Spruͤchelchen vorkommen. Haͤtte der Verfaſſer ſich
naͤher bey der Natur gehalten, haͤtte er allen uͤber-
fluͤßigen Schmuk weggelaſſen, ſo waͤr er einer der
erſten tragiſchen Dichter worden.
Den Dichtern, welche die Kunſt bereits nach gu-
ten Grundſaͤzen ſtudirt haben, kann man das Leſen
dieſer Trauerſpiehle empfehlen, damit ſie von den
haͤufigen Fehlern geruͤhrt, ſie vermeiden lernen, und
in dem wenigen Guten, das darin iſt, die Staͤrke
des Ausdruks nachzuahmen ſuchen.
Septime.
(Muſik.)
Ein Jntervall von ſechs diatoniſchen Stufen, oder
der naͤchſte Ton unter der Octave. Sie iſt nach Be-
ſchaffenheit des Grundtons und der Tonart dreyer-
ley, groß, klein und vermindert. Naͤmlich in der
harten Tonart iſt ſie auf der Tonica und Unterdo-
minante groß, auf den uͤbrigen Stufen klein. Jn
der weichen Tonart iſt ſie auf der Terz und der Sexte
groß, auf den uͤbrigen Stufen klein. Die vermin-
derte Septime hat einen beſondern Urſprung, wie
hernach ſoll gezeiget werden. Jn der Umkehrung
wird die große Septime zur kleinen, die kleine zur
großen, und die verminderte Septime zur uͤber-
maͤßigen Secunde (*).
Da die Septime gegen der Octave des Grund-
tons eine Unterſecunde ausmacht, ſo iſt ſie ihrer
Natur nach diſſonirend (*), und muß in der Har-
monie als Diſſonanz behandelt werden. Sie hat
aber vor allen andern Diſſonanzen das voraus, daß
ſie nicht blos als ein Vorhalt zur Verzoͤgerung der
zu erwartenden Conſonanz, ſondern zu einem we-
ſentlich diſſonirenden Grundaccord gebraucht wird,
um eine Veraͤnderung des Tones anzukuͤndigen.
Wir wollen ſie erſtlich als einen Vorhalt betrach-
ten. Jn dieſer Abſicht kann ſie anſtatt der Sexte
vorkommen, und uͤber denſelben Baßton aufgeloͤ-
ſet werden. Z. B.
[Abbildung]
Sie wird hier blos durch eine Bindung aufgehalten,
um ſo gleich in die Sexte zu treten, die erwartet
wird, und in die ſie bey der zweyten Haͤlfte der
Baßnote wuͤrklich uͤbergeht.
Die
(*) The-
bais vs. 67.
f. f.
(*) S.
Diſſonanz.
(*) S.
Conſonanz
Diſſonanz.
Secunde.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1064[1046]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/493>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.