Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.[Spaltenumbruch] Sche als Muster, wie man nicht scherzen solle, zu sammelnund jungen Dichtern zur Warnung vorzuhalten. Bis izt kann man eben nicht sagen, daß der ächte Doch sind wir auch nicht ganz von Männern ent- Schi lassen. Die so seltene Gabe zu scherzen, die er ineinem hohen Grad besizt, und an so vielen Stellen seiner Schriften so glüklich angewendet hat, sollte er sie nicht als ein kostbares Geschenk der Natur anse- hen, die nie zu Reizung gewisser Lüste, die an sich schon zu viel Reizung haben, anzuwenden ist? Der Jugend ist offenbar mit solchen Reizungen nicht ge- dienet (+); und erschöpfte Wollüstlinge verdienen die wol, daß ein Mann von Verstand ihnen helfe die Einbildungskraft zu erhizen? Schiff. (Baukunst.) So nennt man in großen Kirchen, deren inwendi- Schiklich. (Schöne Künste.) Man nennt in überlegten Handlungen und Werken lich (+) [Spaltenumbruch]
Jch erstaunte, als ich ganz neulich aus der halli- schen gelehrten Zeitung vernahm, daß ein gewisser Schul- mann in Sachsen, einige auserlesene Stüke des Lucians, die er in griechischer Sprach für seine Schüler abdruken lassen, hier und da mit Stellen aus Wielands comischen Gedichten erläutert habe. Man sehe in den hallischen neuen gelehrten Zeitungen das 95 Stük vom Jahr 1773. [Spaltenumbruch] Man siehet hieraus, wie so gar leicht gewisse Dinge von Unverständigen gemißbraucht werden! hat denn die Ju- gend nöthig zum Muthwillen angeführt zu werden? Wird sich nicht Hr. Wieland ärgern, daß man das, was er für Männer, und zwar nur für die feinern Köpfe geschrieben hat, den Schulknaben zum Spiehl vorlegt? [Spaltenumbruch] Sche als Muſter, wie man nicht ſcherzen ſolle, zu ſammelnund jungen Dichtern zur Warnung vorzuhalten. Bis izt kann man eben nicht ſagen, daß der aͤchte Doch ſind wir auch nicht ganz von Maͤnnern ent- Schi laſſen. Die ſo ſeltene Gabe zu ſcherzen, die er ineinem hohen Grad beſizt, und an ſo vielen Stellen ſeiner Schriften ſo gluͤklich angewendet hat, ſollte er ſie nicht als ein koſtbares Geſchenk der Natur anſe- hen, die nie zu Reizung gewiſſer Luͤſte, die an ſich ſchon zu viel Reizung haben, anzuwenden iſt? Der Jugend iſt offenbar mit ſolchen Reizungen nicht ge- dienet (†); und erſchoͤpfte Wolluͤſtlinge verdienen die wol, daß ein Mann von Verſtand ihnen helfe die Einbildungskraft zu erhizen? Schiff. (Baukunſt.) So nennt man in großen Kirchen, deren inwendi- Schiklich. (Schoͤne Kuͤnſte.) Man nennt in uͤberlegten Handlungen und Werken lich (†) [Spaltenumbruch]
Jch erſtaunte, als ich ganz neulich aus der halli- ſchen gelehrten Zeitung vernahm, daß ein gewiſſer Schul- mann in Sachſen, einige auserleſene Stuͤke des Lucians, die er in griechiſcher Sprach fuͤr ſeine Schuͤler abdruken laſſen, hier und da mit Stellen aus Wielands comiſchen Gedichten erlaͤutert habe. Man ſehe in den halliſchen neuen gelehrten Zeitungen das 95 Stuͤk vom Jahr 1773. [Spaltenumbruch] Man ſiehet hieraus, wie ſo gar leicht gewiſſe Dinge von Unverſtaͤndigen gemißbraucht werden! hat denn die Ju- gend noͤthig zum Muthwillen angefuͤhrt zu werden? Wird ſich nicht Hr. Wieland aͤrgern, daß man das, was er fuͤr Maͤnner, und zwar nur fuͤr die feinern Koͤpfe geſchrieben hat, den Schulknaben zum Spiehl vorlegt? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0461" n="1032[1014]"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sche</hi></fw><lb/> als Muſter, wie man nicht ſcherzen ſolle, zu ſammeln<lb/> und jungen Dichtern zur Warnung vorzuhalten.</p><lb/> <p>Bis izt kann man eben nicht ſagen, daß der aͤchte<lb/> Scherz eine gemeine Gabe der deutſchen wizigen Koͤ-<lb/> pfe ſey. 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Nur Schade, daß ſeine<lb/> Muſe durch die Geſellſchaft unzuͤchtiger Faune an<lb/> ihrer ehemaligen Keuſchheit großen Schaden gelitten.<lb/> Dieſer Mann, deſſen großes Genie und außeror-<lb/> dentlichen Talente ich ſo ſehr, als jemand erkenne,<lb/> nehme es mir nicht uͤbel, wenn ich hier frey geſtehe,<lb/> daß es mir noch nie begreiflich geworden, wie ſein<lb/> ſo ſcharfer Verſtand ihm hat erlauben koͤnnen, ge-<lb/> wiſſe Stellen in ſeinen comiſchen Gedichten, die die<lb/> muthwilligſte Phantaſie entworfen hat, ſtehen zu<lb/><cb/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Schi</hi></fw><lb/> laſſen. Die ſo ſeltene Gabe zu ſcherzen, die er in<lb/> einem hohen Grad beſizt, und an ſo vielen Stellen<lb/> ſeiner Schriften ſo gluͤklich angewendet hat, ſollte er<lb/> ſie nicht als ein koſtbares Geſchenk der Natur anſe-<lb/> hen, die nie zu Reizung gewiſſer Luͤſte, die an ſich<lb/> ſchon zu viel Reizung haben, anzuwenden iſt? 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Sche
Schi
als Muſter, wie man nicht ſcherzen ſolle, zu ſammeln
und jungen Dichtern zur Warnung vorzuhalten.
Bis izt kann man eben nicht ſagen, daß der aͤchte
Scherz eine gemeine Gabe der deutſchen wizigen Koͤ-
pfe ſey. Die Alten glaubten, daß das, was bey
den Griechen ἀςειοσυνη, bey den Roͤmern urbanitas,
hieße, und das nichts anders iſt, als ein in der
groͤſſeren Welt und in feinern Geſellſchaften gebilde-
ter Geſchmak, zum guten Scherz nothwendig ſey.
Aber gar viel unſrer jungen Dichter, deren Welt
eine finſtere Schule, und nach dieſer ein kurzer, und
meiſt in jugendlicher Ausgelaſſenheit zugebrachter
Aufenthalt auf einer Univerſitaͤt, geweſen iſt, glauben
zum Scherzen aufgelegt zu ſeyn, weil ſie muth-
willig ſeyn koͤnnen.
Doch ſind wir auch nicht ganz von Maͤnnern ent-
bloͤßt, die in wahrem Geſchmak zu ſcherzen wußten.
Schon vor mehr, als zweyhundert Jahren, machte
der Straßburgiſche Rechtsgelehrte, Johann Fiſchart,
durch aͤchtes Scherzen dem deutſchen Wiz Ehre.
Logau und Wernike wußten zu einer Zeit, da die
deutſche Litteratur noch in der Kindheit war, nicht
ohne Feinheit zu ſcherzen. Aber Hagedorn hat, wie
in manchem andern Punkt des guten Geſchmaks,
alſo auch hierin die Bahn erſt recht eroͤffnet. Liſcov,
Roſt und Rabner ſind bekannt genug, und auch Za-
chariaͤ, wie wol er ſich an weniger intereſſante Ge-
genſtaͤnde gemacht, hat in ſeinen comiſchen Gedich-
ten die Gabe zum Scherzen gezeiget. Daß Wieland
den feineſten Scherz in ſeiner Gewalt habe, hat er
bis zum Ueberfluß gezeiget. Nur Schade, daß ſeine
Muſe durch die Geſellſchaft unzuͤchtiger Faune an
ihrer ehemaligen Keuſchheit großen Schaden gelitten.
Dieſer Mann, deſſen großes Genie und außeror-
dentlichen Talente ich ſo ſehr, als jemand erkenne,
nehme es mir nicht uͤbel, wenn ich hier frey geſtehe,
daß es mir noch nie begreiflich geworden, wie ſein
ſo ſcharfer Verſtand ihm hat erlauben koͤnnen, ge-
wiſſe Stellen in ſeinen comiſchen Gedichten, die die
muthwilligſte Phantaſie entworfen hat, ſtehen zu
laſſen. Die ſo ſeltene Gabe zu ſcherzen, die er in
einem hohen Grad beſizt, und an ſo vielen Stellen
ſeiner Schriften ſo gluͤklich angewendet hat, ſollte er
ſie nicht als ein koſtbares Geſchenk der Natur anſe-
hen, die nie zu Reizung gewiſſer Luͤſte, die an ſich
ſchon zu viel Reizung haben, anzuwenden iſt? Der
Jugend iſt offenbar mit ſolchen Reizungen nicht ge-
dienet (†); und erſchoͤpfte Wolluͤſtlinge verdienen die
wol, daß ein Mann von Verſtand ihnen helfe die
Einbildungskraft zu erhizen?
Schiff.
(Baukunſt.)
So nennt man in großen Kirchen, deren inwendi-
ger Raum drey Hauptabtheilungen hat, den Haupt-
raum in der Mitte, zum Unterſchied der beyden
ſchmaͤlern Seiten-Abtheilungen, die man Abſeiten
nennt, und die eigentlich nur als Gaͤnge nach dem
Schiff anzuſehen ſind; wie wol ſie auch ofte noch,
wie das Schiff, Size fuͤr die Zuhoͤrer haben. Es iſt
ſchwerlich zu ſagen, woher dieſer Raum den Namen
bekommen habe, der auch im franzoͤſiſchen Nèf heißt,
welches ehedem auch ein Schiff bedeutete. Denn
es iſt kaum wahrſcheinlich, daß das griechiſche Wort
ναος, welches den innern Raum eines Tempels be-
deutet, mit dem Worte ναυς, das ein Schiff bedeu-
tet, ſollte verwechſelt worden, und daher der Na-
me Schiff entſtanden ſeyn.
Schiklich.
(Schoͤne Kuͤnſte.)
Man nennt in uͤberlegten Handlungen und Werken
dasjenige ſchiklich, was zwar nach der Natur der
Sache nicht ganz nothwendig, aber doch ſo natuͤr-
lich erwartet wird, daß der Mangel deſſelben, als
eine Unvollkommenheit wuͤrde bemerkt werden. Es
iſt eben nicht nothwendig, aber ſchiklich, daß ver-
ſchiedene Staͤnde und Alter der Menſchen auch in
der Kleidung etwas unterſcheidendes haben; unſchik-
lich
(†)
Jch erſtaunte, als ich ganz neulich aus der halli-
ſchen gelehrten Zeitung vernahm, daß ein gewiſſer Schul-
mann in Sachſen, einige auserleſene Stuͤke des Lucians,
die er in griechiſcher Sprach fuͤr ſeine Schuͤler abdruken
laſſen, hier und da mit Stellen aus Wielands comiſchen
Gedichten erlaͤutert habe. Man ſehe in den halliſchen
neuen gelehrten Zeitungen das 95 Stuͤk vom Jahr 1773.
Man ſiehet hieraus, wie ſo gar leicht gewiſſe Dinge von
Unverſtaͤndigen gemißbraucht werden! hat denn die Ju-
gend noͤthig zum Muthwillen angefuͤhrt zu werden? Wird
ſich nicht Hr. Wieland aͤrgern, daß man das, was er fuͤr
Maͤnner, und zwar nur fuͤr die feinern Koͤpfe geſchrieben
hat, den Schulknaben zum Spiehl vorlegt?
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