meisten beruhigen; deswegen werden sie bey Schlüs- sen, oder Cadenzen gebraucht. Besonders ist der Fall von der Quinte des Tones in dem Ton herun- ter völlig befriedigend, und wird zu ganzen oder vollkommenen Schlüssen gebraucht; der Sprung aber vom Grundton in seine Quinte ist es etwas weniger, und wird zur halben Cadenz gebraucht. (*) Wenn man also diese Sprünge brauchen will, ohne eine sehr merkliche Ruhe zu bewürken, so muß man nothwendig durch Einmischung dissonirender Töne, oder durch andere merkliche Verminderung der Har- monie, das Gefühl dieser Ruhe zernichten.
Die Quinte wird in Absicht auf den Hauptton, aus welchem ein Stük, oder eine Hauptperiode des- selben gesezt ist, die Dominante genennt.
Es ist vorher erinnert worden, daß die Quinte nicht, wie die weniger vollkommenen Consonanzen groß und klein vorkomme, sondern immer in ihrem rei- nen Verhältnis 2/3 oder doch sehr wenig davon ab- weichend vorkommen müsse. Dennoch findet man nicht selten übermäßige Quinten, wie C-gis und dergleichen. Deren Ursprung und Beschaffenheit wir erklären müssen.
Diese übermäßige Quinte, ist wie einige andere übermäßige Jntervalle, in der neueren Musik da- durch aufgekommen, daß man gewisse melodische Fortschreitungen dadurch reizender zu machen suchte, daß man anstatt den folgenden Ton unmittelbar zu nehmen, sich des unter ihm liegenden halben Tones, als eines Leittones bediente. Folgendes Beyspiehl zeiget zwey solche Fortschreitungen, die erste durch die übermäßige Quinte, die andre durch die über- mäßige Sexte.
[Abbildung]
Hier wird im ersten Takt statt der reinen Quinte d, eine erhöhte dis genommen, weil dieser Ton das Subsemitonium des folgenden ist, das ihn, als sein kräftigster Leitton, zum Voraus ankündiget. Eigentlich kann man nicht sagen, daß diese über- mäßige Quinte eine Consonanz sey: sie dissonirt stark, und erwekt eben deswegen das Verlangen, nach dem darüber liegenden halben Ton.
[Spaltenumbruch]
Qui
Quinten. (Musik)
Eine besondere Betrachtung verdienen die Quinten in der Fortschreitung nach gerader Bewegung, wo- vor die Anfänger der Sezkunst, als vor einem der wichtigsten Fehler gewarnet werden.
Es ist nämlich eine Sache, die sich leicht empfin- den läßt, daß zwey oder mehr in gerader Bewegung auf einander folgende Quinten, als:
[Abbildung]
etwas wiedriges haben, und deswegen als ein Hauptfehler gegen den Satz verbothen werden.
Es haben viel Theoristen versucht den wahren Grund der so mißfälligen Würkung dieser Fortschrei- tung anzugeben. Aber es scheinet noch immer, daß Huygens den Grund davon am richtigsten angegeben habe, da er angemerkt, daß durch eine solche Fort- schreitung das Ohr über die Modulation ungewiß werde; indem die so aufeinander folgende Accorde würklich zwey Tonarten anzeigen. Die scharfsin- nige Anmerkung dieses großen Mannes, verdienet hier wörtlich angeführt zu werden. "Frägt man, sagt er, unsere Musikverständige, warum es ein Fehler sey zwey Quinten nach einander zu setzen; so sagen einige, es geschehe um die zu große Annehm- lichkeit, die zwey so lieblich klingende Consonanzen machen, zu vermeiden; andre sagen, man müsse in der Harmonie sich der Mannigfaltigkeit befleißi- gen. -- Aber vielleicht werden die Einwohner irgend eines Planeten, des Jupiters oder der Ve- nus, diesen wahrhafteren Grund hiervon angeben; daß in der geraden Fortschreitung von einer Quinte zur andern, so etwas geschehe, als wenn man plöz- lich den Ton verändert hätte; daß die Quinte nebst der unter ihr liegenden Terz, die das Gehör, wenn sie auch nicht angeschlagen wird, doch hinzusetzet, den Ton völlig bestimmen, eine so plözliche Abän- derung desselben aber dem Gehör natürlicher Weise unangenehm und hart vorkommen müsse; wie denn überhaupt die Fortschreitung von einem consoniren- den Accord auf einen andern, der kein Jntervall mit
ihm
(*) S. Cadenz.
[Spaltenumbruch]
Qui
meiſten beruhigen; deswegen werden ſie bey Schluͤſ- ſen, oder Cadenzen gebraucht. Beſonders iſt der Fall von der Quinte des Tones in dem Ton herun- ter voͤllig befriedigend, und wird zu ganzen oder vollkommenen Schluͤſſen gebraucht; der Sprung aber vom Grundton in ſeine Quinte iſt es etwas weniger, und wird zur halben Cadenz gebraucht. (*) Wenn man alſo dieſe Spruͤnge brauchen will, ohne eine ſehr merkliche Ruhe zu bewuͤrken, ſo muß man nothwendig durch Einmiſchung diſſonirender Toͤne, oder durch andere merkliche Verminderung der Har- monie, das Gefuͤhl dieſer Ruhe zernichten.
Die Quinte wird in Abſicht auf den Hauptton, aus welchem ein Stuͤk, oder eine Hauptperiode deſ- ſelben geſezt iſt, die Dominante genennt.
Es iſt vorher erinnert worden, daß die Quinte nicht, wie die weniger vollkommenen Conſonanzen groß und klein vorkomme, ſondern immer in ihrem rei- nen Verhaͤltnis ⅔ oder doch ſehr wenig davon ab- weichend vorkommen muͤſſe. Dennoch findet man nicht ſelten uͤbermaͤßige Quinten, wie C-gis und dergleichen. Deren Urſprung und Beſchaffenheit wir erklaͤren muͤſſen.
Dieſe uͤbermaͤßige Quinte, iſt wie einige andere uͤbermaͤßige Jntervalle, in der neueren Muſik da- durch aufgekommen, daß man gewiſſe melodiſche Fortſchreitungen dadurch reizender zu machen ſuchte, daß man anſtatt den folgenden Ton unmittelbar zu nehmen, ſich des unter ihm liegenden halben Tones, als eines Leittones bediente. Folgendes Beyſpiehl zeiget zwey ſolche Fortſchreitungen, die erſte durch die uͤbermaͤßige Quinte, die andre durch die uͤber- maͤßige Sexte.
[Abbildung]
Hier wird im erſten Takt ſtatt der reinen Quinte d, eine erhoͤhte dis genommen, weil dieſer Ton das Subſemitonium des folgenden iſt, das ihn, als ſein kraͤftigſter Leitton, zum Voraus ankuͤndiget. Eigentlich kann man nicht ſagen, daß dieſe uͤber- maͤßige Quinte eine Conſonanz ſey: ſie diſſonirt ſtark, und erwekt eben deswegen das Verlangen, nach dem daruͤber liegenden halben Ton.
[Spaltenumbruch]
Qui
Quinten. (Muſik)
Eine beſondere Betrachtung verdienen die Quinten in der Fortſchreitung nach gerader Bewegung, wo- vor die Anfaͤnger der Sezkunſt, als vor einem der wichtigſten Fehler gewarnet werden.
Es iſt naͤmlich eine Sache, die ſich leicht empfin- den laͤßt, daß zwey oder mehr in gerader Bewegung auf einander folgende Quinten, als:
[Abbildung]
etwas wiedriges haben, und deswegen als ein Hauptfehler gegen den Satz verbothen werden.
Es haben viel Theoriſten verſucht den wahren Grund der ſo mißfaͤlligen Wuͤrkung dieſer Fortſchrei- tung anzugeben. Aber es ſcheinet noch immer, daß Huygens den Grund davon am richtigſten angegeben habe, da er angemerkt, daß durch eine ſolche Fort- ſchreitung das Ohr uͤber die Modulation ungewiß werde; indem die ſo aufeinander folgende Accorde wuͤrklich zwey Tonarten anzeigen. Die ſcharfſin- nige Anmerkung dieſes großen Mannes, verdienet hier woͤrtlich angefuͤhrt zu werden. „Fraͤgt man, ſagt er, unſere Muſikverſtaͤndige, warum es ein Fehler ſey zwey Quinten nach einander zu ſetzen; ſo ſagen einige, es geſchehe um die zu große Annehm- lichkeit, die zwey ſo lieblich klingende Conſonanzen machen, zu vermeiden; andre ſagen, man muͤſſe in der Harmonie ſich der Mannigfaltigkeit befleißi- gen. — Aber vielleicht werden die Einwohner irgend eines Planeten, des Jupiters oder der Ve- nus, dieſen wahrhafteren Grund hiervon angeben; daß in der geraden Fortſchreitung von einer Quinte zur andern, ſo etwas geſchehe, als wenn man ploͤz- lich den Ton veraͤndert haͤtte; daß die Quinte nebſt der unter ihr liegenden Terz, die das Gehoͤr, wenn ſie auch nicht angeſchlagen wird, doch hinzuſetzet, den Ton voͤllig beſtimmen, eine ſo ploͤzliche Abaͤn- derung deſſelben aber dem Gehoͤr natuͤrlicher Weiſe unangenehm und hart vorkommen muͤſſe; wie denn uͤberhaupt die Fortſchreitung von einem conſoniren- den Accord auf einen andern, der kein Jntervall mit
ihm
(*) S. Cadenz.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0356"n="938[920]"/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Qui</hi></fw><lb/>
meiſten beruhigen; deswegen werden ſie bey Schluͤſ-<lb/>ſen, oder Cadenzen gebraucht. Beſonders iſt der<lb/>
Fall von der Quinte des Tones in dem Ton herun-<lb/>
ter voͤllig befriedigend, und wird zu ganzen oder<lb/>
vollkommenen Schluͤſſen gebraucht; der Sprung<lb/>
aber vom Grundton in ſeine Quinte iſt es etwas<lb/>
weniger, und wird zur halben Cadenz gebraucht. <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Cadenz.</note><lb/>
Wenn man alſo dieſe Spruͤnge brauchen will, ohne<lb/>
eine ſehr merkliche Ruhe zu bewuͤrken, ſo muß man<lb/>
nothwendig durch Einmiſchung diſſonirender Toͤne,<lb/>
oder durch andere merkliche Verminderung der Har-<lb/>
monie, das Gefuͤhl dieſer Ruhe zernichten.</p><lb/><p>Die Quinte wird in Abſicht auf den Hauptton,<lb/>
aus welchem ein Stuͤk, oder eine Hauptperiode deſ-<lb/>ſelben geſezt iſt, die Dominante genennt.</p><lb/><p>Es iſt vorher erinnert worden, daß die Quinte<lb/>
nicht, wie die weniger vollkommenen Conſonanzen groß<lb/>
und klein vorkomme, ſondern immer in ihrem rei-<lb/>
nen Verhaͤltnis ⅔ oder doch ſehr wenig davon ab-<lb/>
weichend vorkommen muͤſſe. Dennoch findet man<lb/>
nicht ſelten uͤbermaͤßige Quinten, wie <hirendition="#aq">C-gis</hi> und<lb/>
dergleichen. Deren Urſprung und Beſchaffenheit<lb/>
wir erklaͤren muͤſſen.</p><lb/><p>Dieſe uͤbermaͤßige Quinte, iſt wie einige andere<lb/>
uͤbermaͤßige Jntervalle, in der neueren Muſik da-<lb/>
durch aufgekommen, daß man gewiſſe melodiſche<lb/>
Fortſchreitungen dadurch reizender zu machen ſuchte,<lb/>
daß man anſtatt den folgenden Ton unmittelbar zu<lb/>
nehmen, ſich des unter ihm liegenden halben Tones,<lb/>
als eines Leittones bediente. Folgendes Beyſpiehl<lb/>
zeiget zwey ſolche Fortſchreitungen, die erſte durch<lb/>
die uͤbermaͤßige Quinte, die andre durch die uͤber-<lb/>
maͤßige Sexte.</p><lb/><figure/><p>Hier wird im erſten Takt ſtatt der reinen Quinte <hirendition="#aq">d,</hi><lb/>
eine erhoͤhte <hirendition="#aq">dis</hi> genommen, weil dieſer Ton das<lb/>
Subſemitonium des folgenden iſt, das ihn, als<lb/>ſein kraͤftigſter Leitton, zum Voraus ankuͤndiget.<lb/>
Eigentlich kann man nicht ſagen, daß dieſe uͤber-<lb/>
maͤßige Quinte eine Conſonanz ſey: ſie diſſonirt ſtark,<lb/>
und erwekt eben deswegen das Verlangen, nach dem<lb/>
daruͤber liegenden halben Ton.</p><lb/><cb/></div><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Qui</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Quinten</hi>.<lb/>
(Muſik)</head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>ine beſondere Betrachtung verdienen die Quinten<lb/>
in der Fortſchreitung nach gerader Bewegung, wo-<lb/>
vor die Anfaͤnger der Sezkunſt, als vor einem der<lb/>
wichtigſten Fehler gewarnet werden.</p><lb/><p>Es iſt naͤmlich eine Sache, die ſich leicht empfin-<lb/>
den laͤßt, daß zwey oder mehr in gerader Bewegung<lb/>
auf einander folgende Quinten, als:<lb/><figure/> etwas wiedriges haben, und deswegen als ein<lb/>
Hauptfehler gegen den Satz verbothen werden.</p><lb/><p>Es haben viel Theoriſten verſucht den wahren<lb/>
Grund der ſo mißfaͤlligen Wuͤrkung dieſer Fortſchrei-<lb/>
tung anzugeben. Aber es ſcheinet noch immer, daß<lb/><hirendition="#fr">Huygens</hi> den Grund davon am richtigſten angegeben<lb/>
habe, da er angemerkt, daß durch eine ſolche Fort-<lb/>ſchreitung das Ohr uͤber die Modulation ungewiß<lb/>
werde; indem die ſo aufeinander folgende Accorde<lb/>
wuͤrklich zwey Tonarten anzeigen. Die ſcharfſin-<lb/>
nige Anmerkung dieſes großen Mannes, verdienet<lb/>
hier woͤrtlich angefuͤhrt zu werden. „Fraͤgt man,<lb/>ſagt er, unſere Muſikverſtaͤndige, warum es ein<lb/>
Fehler ſey zwey Quinten nach einander zu ſetzen;<lb/>ſo ſagen einige, es geſchehe um die zu große Annehm-<lb/>
lichkeit, die zwey ſo lieblich klingende Conſonanzen<lb/>
machen, zu vermeiden; andre ſagen, man muͤſſe in<lb/>
der Harmonie ſich der Mannigfaltigkeit befleißi-<lb/>
gen. — Aber vielleicht werden die Einwohner<lb/>
irgend eines Planeten, des Jupiters oder der Ve-<lb/>
nus, dieſen wahrhafteren Grund hiervon angeben;<lb/>
daß in der geraden Fortſchreitung von einer Quinte<lb/>
zur andern, ſo etwas geſchehe, als wenn man ploͤz-<lb/>
lich den Ton veraͤndert haͤtte; daß die Quinte nebſt<lb/>
der unter ihr liegenden Terz, die das Gehoͤr, wenn<lb/>ſie auch nicht angeſchlagen wird, doch hinzuſetzet,<lb/>
den Ton voͤllig beſtimmen, eine ſo ploͤzliche Abaͤn-<lb/>
derung deſſelben aber dem Gehoͤr natuͤrlicher Weiſe<lb/>
unangenehm und hart vorkommen muͤſſe; wie denn<lb/>
uͤberhaupt die Fortſchreitung von einem conſoniren-<lb/>
den Accord auf einen andern, der kein Jntervall mit<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ihm</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[938[920]/0356]
Qui
Qui
meiſten beruhigen; deswegen werden ſie bey Schluͤſ-
ſen, oder Cadenzen gebraucht. Beſonders iſt der
Fall von der Quinte des Tones in dem Ton herun-
ter voͤllig befriedigend, und wird zu ganzen oder
vollkommenen Schluͤſſen gebraucht; der Sprung
aber vom Grundton in ſeine Quinte iſt es etwas
weniger, und wird zur halben Cadenz gebraucht. (*)
Wenn man alſo dieſe Spruͤnge brauchen will, ohne
eine ſehr merkliche Ruhe zu bewuͤrken, ſo muß man
nothwendig durch Einmiſchung diſſonirender Toͤne,
oder durch andere merkliche Verminderung der Har-
monie, das Gefuͤhl dieſer Ruhe zernichten.
Die Quinte wird in Abſicht auf den Hauptton,
aus welchem ein Stuͤk, oder eine Hauptperiode deſ-
ſelben geſezt iſt, die Dominante genennt.
Es iſt vorher erinnert worden, daß die Quinte
nicht, wie die weniger vollkommenen Conſonanzen groß
und klein vorkomme, ſondern immer in ihrem rei-
nen Verhaͤltnis ⅔ oder doch ſehr wenig davon ab-
weichend vorkommen muͤſſe. Dennoch findet man
nicht ſelten uͤbermaͤßige Quinten, wie C-gis und
dergleichen. Deren Urſprung und Beſchaffenheit
wir erklaͤren muͤſſen.
Dieſe uͤbermaͤßige Quinte, iſt wie einige andere
uͤbermaͤßige Jntervalle, in der neueren Muſik da-
durch aufgekommen, daß man gewiſſe melodiſche
Fortſchreitungen dadurch reizender zu machen ſuchte,
daß man anſtatt den folgenden Ton unmittelbar zu
nehmen, ſich des unter ihm liegenden halben Tones,
als eines Leittones bediente. Folgendes Beyſpiehl
zeiget zwey ſolche Fortſchreitungen, die erſte durch
die uͤbermaͤßige Quinte, die andre durch die uͤber-
maͤßige Sexte.
[Abbildung]
Hier wird im erſten Takt ſtatt der reinen Quinte d,
eine erhoͤhte dis genommen, weil dieſer Ton das
Subſemitonium des folgenden iſt, das ihn, als
ſein kraͤftigſter Leitton, zum Voraus ankuͤndiget.
Eigentlich kann man nicht ſagen, daß dieſe uͤber-
maͤßige Quinte eine Conſonanz ſey: ſie diſſonirt ſtark,
und erwekt eben deswegen das Verlangen, nach dem
daruͤber liegenden halben Ton.
Quinten.
(Muſik)
Eine beſondere Betrachtung verdienen die Quinten
in der Fortſchreitung nach gerader Bewegung, wo-
vor die Anfaͤnger der Sezkunſt, als vor einem der
wichtigſten Fehler gewarnet werden.
Es iſt naͤmlich eine Sache, die ſich leicht empfin-
den laͤßt, daß zwey oder mehr in gerader Bewegung
auf einander folgende Quinten, als:
[Abbildung]
etwas wiedriges haben, und deswegen als ein
Hauptfehler gegen den Satz verbothen werden.
Es haben viel Theoriſten verſucht den wahren
Grund der ſo mißfaͤlligen Wuͤrkung dieſer Fortſchrei-
tung anzugeben. Aber es ſcheinet noch immer, daß
Huygens den Grund davon am richtigſten angegeben
habe, da er angemerkt, daß durch eine ſolche Fort-
ſchreitung das Ohr uͤber die Modulation ungewiß
werde; indem die ſo aufeinander folgende Accorde
wuͤrklich zwey Tonarten anzeigen. Die ſcharfſin-
nige Anmerkung dieſes großen Mannes, verdienet
hier woͤrtlich angefuͤhrt zu werden. „Fraͤgt man,
ſagt er, unſere Muſikverſtaͤndige, warum es ein
Fehler ſey zwey Quinten nach einander zu ſetzen;
ſo ſagen einige, es geſchehe um die zu große Annehm-
lichkeit, die zwey ſo lieblich klingende Conſonanzen
machen, zu vermeiden; andre ſagen, man muͤſſe in
der Harmonie ſich der Mannigfaltigkeit befleißi-
gen. — Aber vielleicht werden die Einwohner
irgend eines Planeten, des Jupiters oder der Ve-
nus, dieſen wahrhafteren Grund hiervon angeben;
daß in der geraden Fortſchreitung von einer Quinte
zur andern, ſo etwas geſchehe, als wenn man ploͤz-
lich den Ton veraͤndert haͤtte; daß die Quinte nebſt
der unter ihr liegenden Terz, die das Gehoͤr, wenn
ſie auch nicht angeſchlagen wird, doch hinzuſetzet,
den Ton voͤllig beſtimmen, eine ſo ploͤzliche Abaͤn-
derung deſſelben aber dem Gehoͤr natuͤrlicher Weiſe
unangenehm und hart vorkommen muͤſſe; wie denn
uͤberhaupt die Fortſchreitung von einem conſoniren-
den Accord auf einen andern, der kein Jntervall mit
ihm
(*) S.
Cadenz.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 938[920]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/356>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.