Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.[Spaltenumbruch] Por tal gleich die Art und den Geschmak des ganzen Ge-bäudes anzukündigen. Ein Portal von schlechter toscanischer, oder auch dorischer Ordnung, schiket sich nicht zu einem Gebäude, dessen andere Theile den Reichthum der corinthischen Ordnung anzeigten; so wie ein in seinen Verziehrungen sehr einfaches Gebäude, auch nicht ein reiches Portal verträgt. Eine so natürliche Regel aber, wird oft übertreten. Man sieht bisweilen Kirchen, an deren Portale aller Reichthum der Baukunst verschwendet ist, da das übrige nichts, als eine sehr einfache und bescheidene Baukunst zeiget. Diesen Fehler haben auch die Bau- meister mittlerer Zeiten an den so genannten Gothi- schen Kirchen begangen. Wann der ganze äußere Umfang der Kirche noch so einfach und einigermaas- sen bäurisch ist, findet man doch bisweilen die größte Pracht und den größten Reichthum der Verziehrung an dem Portal. Es scheinet nicht, daß die Alten etwas von dieser Porticus. (Baukunst.) Eine an einer oder beyden Seiten offene Gallerie, Portrait. (Mahlerey.) Ein Gemähld, das nach der Aehnlichkeit einer leben- Por Anblik eines Menschen voll Bewundrung und Er-staunen stille stehen, kommt blos daher, daß die un- abläßige Gewohnheit den größten Wundern ihre Merkwürdigkeit deuihmt. Daher hat die mensch- liche Gestalt und das Angesicht des Menschen selbst, für gemeine, unachtsame Menschen nichts, das sie zur Aufmerksamkeit reizet. Wer aber über das Vorurtheil der Gewohnheit sich nur einigermaaßen wegsezen, und beständig vorkommende Gegenstände noch mit Aufmerksamkeit und Nachdenken ansehen kann, dem ist jede Physionomie (*) ein merkwürdi- ger Gegenstand. Wie ungegründet den meisten Men- schen die Physiognomik, oder die Wissenschaft aus dem Gesicht und der Gestalt des Menschen seinen Charakter zu erkennen, vorkommen mag; so ist doch nichts gewissers, als daß jeder aufmerksame und nur einigermaaßen fühlende Mensch, etwas von die- ser Wissenschaft besizt; indem er aus dem Gesicht und der übrigen Gestalt der Menschen etwas von ih- rem in demselben Augenblik vorhandenen Gemüths- zustand mit Gewißheit erkennt. Wir sagen oft mit der größten Zuversicht, ein Mensch sey traurig, fröh- lich, nachdenkend, unruhig, furchtsam u. s. f. auf das bloße Zeugniß seines Gesichts, und würden uns sehr darüber verwundern, wenn jemand uns darin wiedersprechen wollte. Nichts ist also gewisser, als dieses, daß wir aus Da nun kein einziger Gegenstand unsrer Kenntnis Jch habe vor nöthig erachtet, diese Betrachtungen Woher mag es doch kommen, daß man an eini- Es (*) Eigent-
lich Physi- guomie. [Spaltenumbruch] Por tal gleich die Art und den Geſchmak des ganzen Ge-baͤudes anzukuͤndigen. Ein Portal von ſchlechter toscaniſcher, oder auch doriſcher Ordnung, ſchiket ſich nicht zu einem Gebaͤude, deſſen andere Theile den Reichthum der corinthiſchen Ordnung anzeigten; ſo wie ein in ſeinen Verziehrungen ſehr einfaches Gebaͤude, auch nicht ein reiches Portal vertraͤgt. Eine ſo natuͤrliche Regel aber, wird oft uͤbertreten. Man ſieht bisweilen Kirchen, an deren Portale aller Reichthum der Baukunſt verſchwendet iſt, da das uͤbrige nichts, als eine ſehr einfache und beſcheidene Baukunſt zeiget. Dieſen Fehler haben auch die Bau- meiſter mittlerer Zeiten an den ſo genannten Gothi- ſchen Kirchen begangen. Wann der ganze aͤußere Umfang der Kirche noch ſo einfach und einigermaaſ- ſen baͤuriſch iſt, findet man doch bisweilen die groͤßte Pracht und den groͤßten Reichthum der Verziehrung an dem Portal. Es ſcheinet nicht, daß die Alten etwas von dieſer Porticus. (Baukunſt.) Eine an einer oder beyden Seiten offene Gallerie, Portrait. (Mahlerey.) Ein Gemaͤhld, das nach der Aehnlichkeit einer leben- Por Anblik eines Menſchen voll Bewundrung und Er-ſtaunen ſtille ſtehen, kommt blos daher, daß die un- ablaͤßige Gewohnheit den groͤßten Wundern ihre Merkwuͤrdigkeit deuihmt. Daher hat die menſch- liche Geſtalt und das Angeſicht des Menſchen ſelbſt, fuͤr gemeine, unachtſame Menſchen nichts, das ſie zur Aufmerkſamkeit reizet. Wer aber uͤber das Vorurtheil der Gewohnheit ſich nur einigermaaßen wegſezen, und beſtaͤndig vorkommende Gegenſtaͤnde noch mit Aufmerkſamkeit und Nachdenken anſehen kann, dem iſt jede Phyſionomie (*) ein merkwuͤrdi- ger Gegenſtand. Wie ungegruͤndet den meiſten Men- ſchen die Phyſiognomik, oder die Wiſſenſchaft aus dem Geſicht und der Geſtalt des Menſchen ſeinen Charakter zu erkennen, vorkommen mag; ſo iſt doch nichts gewiſſers, als daß jeder aufmerkſame und nur einigermaaßen fuͤhlende Menſch, etwas von die- ſer Wiſſenſchaft beſizt; indem er aus dem Geſicht und der uͤbrigen Geſtalt der Menſchen etwas von ih- rem in demſelben Augenblik vorhandenen Gemuͤths- zuſtand mit Gewißheit erkennt. Wir ſagen oft mit der groͤßten Zuverſicht, ein Menſch ſey traurig, froͤh- lich, nachdenkend, unruhig, furchtſam u. ſ. f. auf das bloße Zeugniß ſeines Geſichts, und wuͤrden uns ſehr daruͤber verwundern, wenn jemand uns darin wiederſprechen wollte. Nichts iſt alſo gewiſſer, als dieſes, daß wir aus Da nun kein einziger Gegenſtand unſrer Kenntnis Jch habe vor noͤthig erachtet, dieſe Betrachtungen Woher mag es doch kommen, daß man an eini- Es (*) Eigent-
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Por
Por
tal gleich die Art und den Geſchmak des ganzen Ge-
baͤudes anzukuͤndigen. Ein Portal von ſchlechter
toscaniſcher, oder auch doriſcher Ordnung, ſchiket
ſich nicht zu einem Gebaͤude, deſſen andere Theile
den Reichthum der corinthiſchen Ordnung anzeigten;
ſo wie ein in ſeinen Verziehrungen ſehr einfaches
Gebaͤude, auch nicht ein reiches Portal vertraͤgt.
Eine ſo natuͤrliche Regel aber, wird oft uͤbertreten.
Man ſieht bisweilen Kirchen, an deren Portale aller
Reichthum der Baukunſt verſchwendet iſt, da das
uͤbrige nichts, als eine ſehr einfache und beſcheidene
Baukunſt zeiget. Dieſen Fehler haben auch die Bau-
meiſter mittlerer Zeiten an den ſo genannten Gothi-
ſchen Kirchen begangen. Wann der ganze aͤußere
Umfang der Kirche noch ſo einfach und einigermaaſ-
ſen baͤuriſch iſt, findet man doch bisweilen die groͤßte
Pracht und den groͤßten Reichthum der Verziehrung
an dem Portal.
Es ſcheinet nicht, daß die Alten etwas von dieſer
Art in ihrer Baukunſt gehabt haben. Da ihre
großen Gebaͤude entweder ganz mit Saͤulen oder
mit Bogenſtellungen umgeben geweſen, oder an der
Hauptſeite vorgeſezte Saͤulenlauben hatten; ſo zeigte
ſich an der Außenſeite alles in voͤlliger Einfoͤrmigkeit.
Man gieng zwiſchen den Saͤulen, oder durch die Bo-
gen durch, und fand innerhalb des Porticus die
Thuͤren zum Eingang, die nach Art bloßer Thuͤren
gemacht waren, wie man aus dem Vitruvius ſieht.
Porticus.
(Baukunſt.)
Eine an einer oder beyden Seiten offene Gallerie,
deren Dach auf Saͤulen, oder Bogenſtellungen ru-
het. Cs iſt in den Artikeln Bogenſtellung und Saͤu-
lenlauben davon geſprochen worden.
Portrait.
(Mahlerey.)
Ein Gemaͤhld, das nach der Aehnlichkeit einer leben-
den Perſon gemacht iſt, und vornehmlich deren Ge-
ſichtsbildung zeiget. Es iſt eine nicht erkannte, aber
gewiſſe Wahrheit, daß unter allen Gegenſtaͤnden, die
das Aug reizen, der Menſch in allen Abſichten der
intereſſanteſte iſt. Er iſt das hoͤchſte und unbegreif-
lichſte Wunder der Natur, die einen Klumpen tod-
ter Materie ſo zu bilden gewußt hat, daß er Leben,
Thaͤtigkeit, Gedanken, Empfindungen und einen
ſittlichen Charakter ſehen laͤßt. Daß wir nicht beym
Anblik eines Menſchen voll Bewundrung und Er-
ſtaunen ſtille ſtehen, kommt blos daher, daß die un-
ablaͤßige Gewohnheit den groͤßten Wundern ihre
Merkwuͤrdigkeit deuihmt. Daher hat die menſch-
liche Geſtalt und das Angeſicht des Menſchen ſelbſt,
fuͤr gemeine, unachtſame Menſchen nichts, das ſie
zur Aufmerkſamkeit reizet. Wer aber uͤber das
Vorurtheil der Gewohnheit ſich nur einigermaaßen
wegſezen, und beſtaͤndig vorkommende Gegenſtaͤnde
noch mit Aufmerkſamkeit und Nachdenken anſehen
kann, dem iſt jede Phyſionomie (*) ein merkwuͤrdi-
ger Gegenſtand. Wie ungegruͤndet den meiſten Men-
ſchen die Phyſiognomik, oder die Wiſſenſchaft aus
dem Geſicht und der Geſtalt des Menſchen ſeinen
Charakter zu erkennen, vorkommen mag; ſo iſt doch
nichts gewiſſers, als daß jeder aufmerkſame und
nur einigermaaßen fuͤhlende Menſch, etwas von die-
ſer Wiſſenſchaft beſizt; indem er aus dem Geſicht
und der uͤbrigen Geſtalt der Menſchen etwas von ih-
rem in demſelben Augenblik vorhandenen Gemuͤths-
zuſtand mit Gewißheit erkennt. Wir ſagen oft mit
der groͤßten Zuverſicht, ein Menſch ſey traurig, froͤh-
lich, nachdenkend, unruhig, furchtſam u. ſ. f. auf
das bloße Zeugniß ſeines Geſichts, und wuͤrden uns
ſehr daruͤber verwundern, wenn jemand uns darin
wiederſprechen wollte.
Nichts iſt alſo gewiſſer, als dieſes, daß wir aus
der Geſtalt der Menſchen, vorzuͤglich aus ihrer Ge-
ſichtsbildung etwas von dem erkennen, was in ihrer
Seele vorgeht; wir ſehen die Seele in dem Koͤrper.
Aus dieſem Grunde koͤnnen wir ſagen, der Koͤrper
ſey das Bild der Seele, oder die Seele ſelbſt, ſicht-
bar gemacht.
Da nun kein einziger Gegenſtand unſrer Kenntnis
wichtiger fuͤr uns ſeyn kann, als denkende und fuͤh-
lende Seelen; ſo kann man auch daran nicht zwei-
feln, daß der Menſch nach ſeiner Geſtalt betrachtet,
wenn wir auch das Wunderbare darin, deſſen wir
oben gedacht haben, beyſeite ſezen, der wichtigſte
aller ſichtbaren Gegenſtaͤnde ſey.
Jch habe vor noͤthig erachtet, dieſe Betrachtungen
dem, was ich uͤber das Portrait zu ſagen habe, vor-
angehen zu laſſen; weil das, was ich zu ſagen habe,
ſich groͤßtentheils darauf gruͤndet.
Woher mag es doch kommen, daß man an eini-
gen Orten einen ſchlechten Portraitmahler im Spaß
einen Seelenmahler nennt, da der gute Kuͤnſtler die-
ſer Gattung ein eigentlicher wahrer Seelenmahler iſt?
Es
(*) Eigent-
lich Phyſi-
guomie.
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