Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.[Spaltenumbruch] Past oder auch mit Kreide, oder Talkgips versezt, wo-durch man die verschiedenen hellen Tinten erlanget. Diese angemachte Farben werden in runde Stäbchen geformt, mit denen die Arbeit des Mahlens verrich- tet wird. Aber die beste Zubereitung der Pastelfar- ben ist doch ein Geheimnis. Hr. Stupan von Ge- burth ein Baßler, der sich in Lausanne aufhält, wird schon längstens für den besten Zubereiter dieser Farben gehalten. Pastoral. (Musik. Tanz.) Ein kleines zum Tanzen gemachtes Tonstük, das Man giebt diesen Namen auch anderen Tonstü- Pastorale werden auch kleine Schäferopern ge- Pathos; Pathetisch. (Schöne Künste.) Jn einem allgemeinern Sinn drüken diese griechi- Pat ter Leidenschaft und Leidenschaftlich andeuten. Fürdiesen Ausdruk hätten wir also der fremden Wörter nicht nöthig: aber weil sie auch in einer engeren Be- deutung besonders von den Leidenschaften gebraucht werden, die das Gemüth mit Furcht, Schreken, und finsterer Traurigkeit erfüllen, für welche wir kein besonderes deutsches Wort haben, so haben wir sie in diesem Sinn als Kunstwörter angenom- men. (+) Jn einem Werke der Kunst ist Pathos, wenn Also bestehet das Pathos eigentlich in der Größe Jn der Musik herrscht es vorzüglich in Kirchen- Ster- (*) S. Hirtenge- dicht. (+) [Spaltenumbruch]
Aber ganz unschiklich ist es, daß man, wie Hr. Rie- dek gethan, einer Sammlung, die Erklärungen aller Leiden- schaften und Beobachtungen über deren Ursprung und Wür- kung enthält, den Titel über das Pathos vorseze. Wa- [Spaltenumbruch] rum nicht über die Leidenschaften? Denn von jenem Titel erwartet man blos Gedanken über die schrekhasten und tragischen Leidenschaften. (*) Pathos
de upsous metekhe[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] tosouton, oposon ethos edo- nes. C. XXIX [Spaltenumbruch] Paſt oder auch mit Kreide, oder Talkgips verſezt, wo-durch man die verſchiedenen hellen Tinten erlanget. Dieſe angemachte Farben werden in runde Staͤbchen geformt, mit denen die Arbeit des Mahlens verrich- tet wird. Aber die beſte Zubereitung der Paſtelfar- ben iſt doch ein Geheimnis. Hr. Stupan von Ge- burth ein Baßler, der ſich in Lauſanne aufhaͤlt, wird ſchon laͤngſtens fuͤr den beſten Zubereiter dieſer Farben gehalten. Paſtoral. (Muſik. Tanz.) Ein kleines zum Tanzen gemachtes Tonſtuͤk, das Man giebt dieſen Namen auch anderen Tonſtuͤ- Paſtorale werden auch kleine Schaͤferopern ge- Pathos; Pathetiſch. (Schoͤne Kuͤnſte.) Jn einem allgemeinern Sinn druͤken dieſe griechi- Pat ter Leidenſchaft und Leidenſchaftlich andeuten. Fuͤrdieſen Ausdruk haͤtten wir alſo der fremden Woͤrter nicht noͤthig: aber weil ſie auch in einer engeren Be- deutung beſonders von den Leidenſchaften gebraucht werden, die das Gemuͤth mit Furcht, Schreken, und finſterer Traurigkeit erfuͤllen, fuͤr welche wir kein beſonderes deutſches Wort haben, ſo haben wir ſie in dieſem Sinn als Kunſtwoͤrter angenom- men. (†) Jn einem Werke der Kunſt iſt Pathos, wenn Alſo beſtehet das Pathos eigentlich in der Groͤße Jn der Muſik herrſcht es vorzuͤglich in Kirchen- Ster- (*) S. Hirtenge- dicht. (†) [Spaltenumbruch]
Aber ganz unſchiklich iſt es, daß man, wie Hr. Rie- dek gethan, einer Sammlung, die Erklaͤrungen aller Leiden- ſchaften und Beobachtungen uͤber deren Urſprung und Wuͤr- kung enthaͤlt, den Titel uͤber das Pathos vorſeze. Wa- [Spaltenumbruch] rum nicht uͤber die Leidenſchaften? Denn von jenem Titel erwartet man blos Gedanken uͤber die ſchrekhaſten und tragiſchen Leidenſchaften. (*) Παϑος
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Paſt
Pat
oder auch mit Kreide, oder Talkgips verſezt, wo-
durch man die verſchiedenen hellen Tinten erlanget.
Dieſe angemachte Farben werden in runde Staͤbchen
geformt, mit denen die Arbeit des Mahlens verrich-
tet wird. Aber die beſte Zubereitung der Paſtelfar-
ben iſt doch ein Geheimnis. Hr. Stupan von Ge-
burth ein Baßler, der ſich in Lauſanne aufhaͤlt,
wird ſchon laͤngſtens fuͤr den beſten Zubereiter dieſer
Farben gehalten.
Paſtoral.
(Muſik. Tanz.)
Ein kleines zum Tanzen gemachtes Tonſtuͤk, das
mit der Muſette, die wir beſchrieben haben, uͤber-
einkommt. Es iſt von zwey Zeiten, aber die Be-
wegung iſt gemaͤßigter, als in jenem. Die Jtaliaͤ-
ner machen Paſtorale von [FORMEL] Takt, die voͤllig mit
der Muſette uͤbereinkommen.
Man giebt dieſen Namen auch anderen Tonſtuͤ-
ken, die den muntern aber angenehmen laͤndlichen
Charakter der Hirtengeſaͤnge haben, folglich Anmu-
thigkeit und Einfalt vereinigen.
Paſtorale werden auch kleine Schaͤferopern ge-
nennt. Jhr Jnhalt iſt eine galante und angeneh-
me, mit Feſtlichkeit verbundene Handlung aus der
eingebildeten Schaͤferwelt, allenfalls aus der fabel-
haften goldenen Zeit. Der Dichter muß dabey in
dem Charakter des Hirtengedichts bleiben, den wir
anderswo entworfen haben. (*) Der Tonſezer aber
muß ſich einer großen Einfalt, und eines naiven
unſchuldigen Ausdruks befleißen. Sie kommen
doch nicht ſehr ofte vor, und es iſt vielleicht auch
leichter einen Tonſezer zu finden, der mit Muth an
die Verfertigung einer großen Oper geht, als einen,
der ſich in dem Paſtoral mit Vortheil zu zeigen hof-
ſet. Es waͤre aber zu wuͤnſchen, daß ſie mehr im
Gebrauch waͤren, damit die edle Einfalt der Muſik
nicht nach und nach ganz von der lyriſchen Schau-
buͤhne verdraͤngt werde.
Pathos; Pathetiſch.
(Schoͤne Kuͤnſte.)
Jn einem allgemeinern Sinn druͤken dieſe griechi-
ſche Woͤrter zwar das aus, was wir durch die Woͤr-
ter Leidenſchaft und Leidenſchaftlich andeuten. Fuͤr
dieſen Ausdruk haͤtten wir alſo der fremden Woͤrter
nicht noͤthig: aber weil ſie auch in einer engeren Be-
deutung beſonders von den Leidenſchaften gebraucht
werden, die das Gemuͤth mit Furcht, Schreken,
und finſterer Traurigkeit erfuͤllen, fuͤr welche wir
kein beſonderes deutſches Wort haben, ſo haben
wir ſie in dieſem Sinn als Kunſtwoͤrter angenom-
men. (†)
Jn einem Werke der Kunſt iſt Pathos, wenn
es Gegenſtaͤnde ſchildert, die das Gemuͤth mit jenen
finſtern Leidenſchaften erfuͤllen. Doch ſcheinet es,
daß man bisweilen den Sinn des Worts auch uͤber-
haupt auf die Leidenſchaften ausdaͤhne, die wegen
ihrer Groͤße und ihres Ernſtes die Seele mit einer
Art Schauder ergreifen; weil dabey immer etwas
von Furcht mit unterlaͤuft. Und in ſo fern waͤren
auch die feyerlichen Pſalmen und Klopſtoks Oden
von hohem geiſtlichen Jnhalt zu dem pathetiſchen zu
zaͤhlen. Die Griechen ſezten zwar das Pathos uͤber-
haupt dem Ethos (dem Sittlichen) entgegen. Aber
auch in dieſem Gegenſaz ſelbſt ſcheinen ſie unter dem
Pathos nur das Große der Leidenſchaften zu verſte-
hen, und das blos ſanft und angenehm Leidenſchaft-
liche, noch unter das Ethos zu rechnen. Longin
ſagt ausdruͤklich, das Pathos ſey ſo genau mit dem
Erhabenen verbunden, als das Ethos mit dem Sanf-
ten und Angenehmen. (*)
Alſo beſtehet das Pathos eigentlich in der Groͤße
der Empfindung, und hat weder bey dem blos An-
genehmen, noch uͤberhaupt bey dem gemaͤßigten
Jnhalt ſtatt. Die Reden des Demoſthenes und
des Cicero, uͤber wichtige Staasangelegenheiten, ſind
meiſt durchaus pathetiſch; weil ſie das Gemuͤth be-
ſtaͤndig mit großen Empfindungen unterhalten. Die
Tragoͤdien der Alten ſind in demſelben Fall. Hinge-
gen wechſelt in der Epopoͤe das Pathetiſche ſehr ofte
mit dem Sittlichen, und mit dem blos angenehm
Leidenſchaftlichen ab. Jn der hohen Ode herrſcht
das Pathetiſche durchaus.
Jn der Muſik herrſcht es vorzuͤglich in Kirchen-
ſachen und in der tragiſchen Oper; wiewol ſie ſich
ſelten dahin erhebt. Jn Grauns Jphigenia iſt der
Ster-
(*) S.
Hirtenge-
dicht.
(†)
Aber ganz unſchiklich iſt es, daß man, wie Hr. Rie-
dek gethan, einer Sammlung, die Erklaͤrungen aller Leiden-
ſchaften und Beobachtungen uͤber deren Urſprung und Wuͤr-
kung enthaͤlt, den Titel uͤber das Pathos vorſeze. Wa-
rum nicht uͤber die Leidenſchaften? Denn von jenem
Titel erwartet man blos Gedanken uͤber die ſchrekhaſten
und tragiſchen Leidenſchaften.
(*) Παϑος
δε ὑψους
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τοσουτον,
ὁϖοσον
ἠθος ἡδο-
νης.
C. XXIX
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