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Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

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Beschreibung einiger Merckwürdigkeiten
schneiden, auch in ein sehr subtiles Mehl zerreiben lässet. Sie sind
aber mit sehr vielen kleinen Quarz-Steingen angefüllt, welche den
Stein gantz höckericht machen. Er hat eine Verwandtschaft mit dem
Saxo alpino-lapponico, oder dem Saxo micaceo corneo granulis nigris
puculato,
wie ihn Herr D. Linneus nennt. (*) Auf der Gestiner-
Alp, welche etwas weiter gegen Gestinen zu liegt, als der Berg, in
Firn.welchem die beschriebne Crystall-Mine ist, ist ein beständiger Firn,
oder ein immerwährendes Eis. Das Dorff Gestinen liegt allbereit
Hrn. D. Hal-
lers Anmer-
kung von der
Höhe dieser
Bergen.
so hoch, daß der grosse Botanicus Hr. D. Haller sagt, er habe oberhalb
Gestinen keine andre, als rare Alp-Kräuter angetroffen. S. die Vor-
rede zu seiner Histor. Plantar. Helvetiae.

Nachdem ich von meinem Abwege, welcher mir zu obiger Aus-
schweiffung den Anlaß gegeben hat, wieder zu Gestinen angelanget,
setzte ich meine Reise weiter fort den Berg hinauf. Ungefehr nach
Teufels-
Brücke.
zwey Stunden kam ich an die bekannte Teufels-Brücke, welche nach
einer alten Legende, die Hr. D. Scheuchzer ausführlich erzehlt, daher
ihren Namen haben sol, weil der Teufel der Baumeister derselben
gewesen. Dieses ist in der That die älteste und gröste Brücke an die-
sem Paß; sie macht in ihrer Ründung vollkommen einen halben Circul
aus, und die Fundamente der Mauren, welche in die Felsen hinein
gesetzet sind, reichen fast bis in die Reuß hinunter, die mit grossem
Brausen unten durch laufft. Die Breite dieser Brücke von einem
Fundament bis zu dem andern ist 50. Schuhe, die Tieffe bis an das
Wasser (welche ich auch gemessen, aber den Faden hernach verlohren
habe) mag ungefehr 70. Schuhe betragen. Jch sehe also nicht,
warum man zu Erbauung dieser Brücke den Teufel nöthig gehabt
hätte, da durch Menschen-Kunst weit grössere sind gemacht worden;
wie denn Hr. Keißler in seinen neuesten Reisen Tom. II. berichtet,
daß über die Adige bey Verona eine Brücke sey, welche einen Bogen
von 142. Schuhen hat.

Kälte da-
selbst.

Ungeachtet an diesem Tage eine grosse Hitze war, stunde doch bey
der Teufels-Brücke das Thermometrum unter 46. Graden. Wenn

man
(*) Wenn man auf der Welschen Seite des Gotthards hinunter geht, so findt man
an dem Weg auf Airiöl auch solche Steine, in welchem an statt der kleinen
Quarz-Steinen, die hier darin sind, Granaten gefunden werden. Jch habe
dieselben bey Hrn. D. Langen in Lucern gesehen; sie kommen mit den be-
schriebnen völlig überein, ausgenommen, daß, wie gemeldt, jene Kiesel, diese
aber Granat-Steine in sich schliessen.

Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten
ſchneiden, auch in ein ſehr ſubtiles Mehl zerreiben laͤſſet. Sie ſind
aber mit ſehr vielen kleinen Quarz-Steingen angefuͤllt, welche den
Stein gantz hoͤckericht machen. Er hat eine Verwandtſchaft mit dem
Saxo alpino-lapponico, oder dem Saxo micaceo corneo granulis nigris
puculato,
wie ihn Herꝛ D. Linneus nennt. (*) Auf der Geſtiner-
Alp, welche etwas weiter gegen Geſtinen zu liegt, als der Berg, in
Firn.welchem die beſchriebne Cryſtall-Mine iſt, iſt ein beſtaͤndiger Firn,
oder ein immerwaͤhrendes Eis. Das Dorff Geſtinen liegt allbereit
Hrn. D. Hal-
lers Anmer-
kung von der
Hoͤhe dieſer
Bergen.
ſo hoch, daß der groſſe Botanicus Hr. D. Haller ſagt, er habe oberhalb
Geſtinen keine andre, als rare Alp-Kraͤuter angetroffen. S. die Vor-
rede zu ſeiner Hiſtor. Plantar. Helvetiæ.

Nachdem ich von meinem Abwege, welcher mir zu obiger Aus-
ſchweiffung den Anlaß gegeben hat, wieder zu Geſtinen angelanget,
ſetzte ich meine Reiſe weiter fort den Berg hinauf. Ungefehr nach
Teufels-
Bruͤcke.
zwey Stunden kam ich an die bekannte Teufels-Bruͤcke, welche nach
einer alten Legende, die Hr. D. Scheuchzer ausfuͤhrlich erzehlt, daher
ihren Namen haben ſol, weil der Teufel der Baumeiſter derſelben
geweſen. Dieſes iſt in der That die aͤlteſte und groͤſte Bruͤcke an die-
ſem Paß; ſie macht in ihrer Ruͤndung vollkommen einen halben Circul
aus, und die Fundamente der Mauren, welche in die Felſen hinein
geſetzet ſind, reichen faſt bis in die Reuß hinunter, die mit groſſem
Brauſen unten durch laufft. Die Breite dieſer Bruͤcke von einem
Fundament bis zu dem andern iſt 50. Schuhe, die Tieffe bis an das
Waſſer (welche ich auch gemeſſen, aber den Faden hernach verlohren
habe) mag ungefehr 70. Schuhe betragen. Jch ſehe alſo nicht,
warum man zu Erbauung dieſer Bruͤcke den Teufel noͤthig gehabt
haͤtte, da durch Menſchen-Kunſt weit groͤſſere ſind gemacht worden;
wie denn Hr. Keißler in ſeinen neueſten Reiſen Tom. II. berichtet,
daß uͤber die Adige bey Verona eine Bruͤcke ſey, welche einen Bogen
von 142. Schuhen hat.

Kaͤlte da-
ſelbſt.

Ungeachtet an dieſem Tage eine groſſe Hitze war, ſtunde doch bey
der Teufels-Bruͤcke das Thermometrum unter 46. Graden. Wenn

man
(*) Wenn man auf der Welſchen Seite des Gotthards hinunter geht, ſo findt man
an dem Weg auf Airioͤl auch ſolche Steine, in welchem an ſtatt der kleinen
Quarz-Steinen, die hier darin ſind, Granaten gefunden werden. Jch habe
dieſelben bey Hrn. D. Langen in Lucern geſehen; ſie kommen mit den be-
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[54/0061] Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten ſchneiden, auch in ein ſehr ſubtiles Mehl zerreiben laͤſſet. Sie ſind aber mit ſehr vielen kleinen Quarz-Steingen angefuͤllt, welche den Stein gantz hoͤckericht machen. Er hat eine Verwandtſchaft mit dem Saxo alpino-lapponico, oder dem Saxo micaceo corneo granulis nigris puculato, wie ihn Herꝛ D. Linneus nennt. (*) Auf der Geſtiner- Alp, welche etwas weiter gegen Geſtinen zu liegt, als der Berg, in welchem die beſchriebne Cryſtall-Mine iſt, iſt ein beſtaͤndiger Firn, oder ein immerwaͤhrendes Eis. Das Dorff Geſtinen liegt allbereit ſo hoch, daß der groſſe Botanicus Hr. D. Haller ſagt, er habe oberhalb Geſtinen keine andre, als rare Alp-Kraͤuter angetroffen. S. die Vor- rede zu ſeiner Hiſtor. Plantar. Helvetiæ. Firn. Hrn. D. Hal- lers Anmer- kung von der Hoͤhe dieſer Bergen. Nachdem ich von meinem Abwege, welcher mir zu obiger Aus- ſchweiffung den Anlaß gegeben hat, wieder zu Geſtinen angelanget, ſetzte ich meine Reiſe weiter fort den Berg hinauf. Ungefehr nach zwey Stunden kam ich an die bekannte Teufels-Bruͤcke, welche nach einer alten Legende, die Hr. D. Scheuchzer ausfuͤhrlich erzehlt, daher ihren Namen haben ſol, weil der Teufel der Baumeiſter derſelben geweſen. Dieſes iſt in der That die aͤlteſte und groͤſte Bruͤcke an die- ſem Paß; ſie macht in ihrer Ruͤndung vollkommen einen halben Circul aus, und die Fundamente der Mauren, welche in die Felſen hinein geſetzet ſind, reichen faſt bis in die Reuß hinunter, die mit groſſem Brauſen unten durch laufft. Die Breite dieſer Bruͤcke von einem Fundament bis zu dem andern iſt 50. Schuhe, die Tieffe bis an das Waſſer (welche ich auch gemeſſen, aber den Faden hernach verlohren habe) mag ungefehr 70. Schuhe betragen. Jch ſehe alſo nicht, warum man zu Erbauung dieſer Bruͤcke den Teufel noͤthig gehabt haͤtte, da durch Menſchen-Kunſt weit groͤſſere ſind gemacht worden; wie denn Hr. Keißler in ſeinen neueſten Reiſen Tom. II. berichtet, daß uͤber die Adige bey Verona eine Bruͤcke ſey, welche einen Bogen von 142. Schuhen hat. Teufels- Bruͤcke. Ungeachtet an dieſem Tage eine groſſe Hitze war, ſtunde doch bey der Teufels-Bruͤcke das Thermometrum unter 46. Graden. Wenn man (*) Wenn man auf der Welſchen Seite des Gotthards hinunter geht, ſo findt man an dem Weg auf Airioͤl auch ſolche Steine, in welchem an ſtatt der kleinen Quarz-Steinen, die hier darin ſind, Granaten gefunden werden. Jch habe dieſelben bey Hrn. D. Langen in Lucern geſehen; ſie kommen mit den be- ſchriebnen voͤllig uͤberein, ausgenommen, daß, wie gemeldt, jene Kieſel, dieſe aber Granat-Steine in ſich ſchlieſſen.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/61>, abgerufen am 26.04.2024.