Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905träume. Und ich habe immer nur sie allein geliebt; erst jetzt kenne ich die gewaltige Macht des Wortes "Liebe!" - Wenn ich sie verlöre, dann, glaube ich, könnte ich nicht mehr leben. Ja, ich weiß, die andern Männer würden mich verspotten. Sie leben anders. Mira hat recht, ich bin nur ein Kind." Und gerührt über sich selbst, begann er in seiner Schwäche zu weinen. Das rein sentimentale Bedürfnis war wieder in ihm erwacht, sich zu Füßen der Geliebten niederzulassen, die Stirne unter ihre mütterlichen Hände zu legen, die er andächtig küssen würde. Nun sehnte er den Morgen herbei, um zu ihr eilen zu können. Und eine unklare Freude durchdrang ihn, als ob er sie fast verloren und ebenso zärtlich, ebenso ideal die Seine, wiedergefunden hätte. III. Stella wurde zum Ball in der Präfektur angezogen, dem großen, jährlich stattfindenden Feste, zu welchem alle Familien der Stadt, die zur Gesellschaft gehörten, eingeladen waren. Der Adel war durch diejenigen seiner Mitglieder vertreten, die das meiste Interesse träume. Und ich habe immer nur sie allein geliebt; erst jetzt kenne ich die gewaltige Macht des Wortes „Liebe!“ – Wenn ich sie verlöre, dann, glaube ich, könnte ich nicht mehr leben. Ja, ich weiß, die andern Männer würden mich verspotten. Sie leben anders. Mira hat recht, ich bin nur ein Kind.“ Und gerührt über sich selbst, begann er in seiner Schwäche zu weinen. Das rein sentimentale Bedürfnis war wieder in ihm erwacht, sich zu Füßen der Geliebten niederzulassen, die Stirne unter ihre mütterlichen Hände zu legen, die er andächtig küssen würde. Nun sehnte er den Morgen herbei, um zu ihr eilen zu können. Und eine unklare Freude durchdrang ihn, als ob er sie fast verloren und ebenso zärtlich, ebenso ideal die Seine, wiedergefunden hätte. III. Stella wurde zum Ball in der Präfektur angezogen, dem großen, jährlich stattfindenden Feste, zu welchem alle Familien der Stadt, die zur Gesellschaft gehörten, eingeladen waren. Der Adel war durch diejenigen seiner Mitglieder vertreten, die das meiste Interesse <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="66"/> träume. Und ich habe immer nur sie allein geliebt; erst jetzt kenne ich die gewaltige Macht des Wortes „Liebe!“ – Wenn ich sie verlöre, dann, glaube ich, könnte ich nicht mehr leben. Ja, ich weiß, die andern Männer würden mich verspotten. Sie leben anders. Mira hat recht, ich bin nur ein Kind.“</p> <p>Und gerührt über sich selbst, begann er in seiner Schwäche zu weinen. Das rein sentimentale Bedürfnis war wieder in ihm erwacht, sich zu Füßen der Geliebten niederzulassen, die Stirne unter ihre mütterlichen Hände zu legen, die er andächtig küssen würde.</p> <p>Nun sehnte er den Morgen herbei, um zu ihr eilen zu können. Und eine unklare Freude durchdrang ihn, als ob er sie fast verloren und ebenso zärtlich, ebenso ideal die Seine, wiedergefunden hätte.</p> </div> <div n="1"> <head>III.</head> <p>Stella wurde zum Ball in der Präfektur angezogen, dem großen, jährlich stattfindenden Feste, zu welchem alle Familien der Stadt, die zur Gesellschaft gehörten, eingeladen waren. Der Adel war durch diejenigen seiner Mitglieder vertreten, die das meiste Interesse </p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0067]
träume. Und ich habe immer nur sie allein geliebt; erst jetzt kenne ich die gewaltige Macht des Wortes „Liebe!“ – Wenn ich sie verlöre, dann, glaube ich, könnte ich nicht mehr leben. Ja, ich weiß, die andern Männer würden mich verspotten. Sie leben anders. Mira hat recht, ich bin nur ein Kind.“
Und gerührt über sich selbst, begann er in seiner Schwäche zu weinen. Das rein sentimentale Bedürfnis war wieder in ihm erwacht, sich zu Füßen der Geliebten niederzulassen, die Stirne unter ihre mütterlichen Hände zu legen, die er andächtig küssen würde.
Nun sehnte er den Morgen herbei, um zu ihr eilen zu können. Und eine unklare Freude durchdrang ihn, als ob er sie fast verloren und ebenso zärtlich, ebenso ideal die Seine, wiedergefunden hätte.
III. Stella wurde zum Ball in der Präfektur angezogen, dem großen, jährlich stattfindenden Feste, zu welchem alle Familien der Stadt, die zur Gesellschaft gehörten, eingeladen waren. Der Adel war durch diejenigen seiner Mitglieder vertreten, die das meiste Interesse
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Zitationshilfe: | Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/67>, abgerufen am 22.02.2025. |