sei; sie liessen also jene Erzählungen zwar als wirkliche Geschichte gelten, nur machten sie mit Euemerus 4) die Subjecte derselben aus Göttern zu Menschen, zu Helden und Weisen der Vorzeit, zu alten Königen und Tyrannen, welche durch Thaten der Kraft und Gewalt sich göttliche Ehre zu Wege gebracht haben; wenn man nicht gar mit einem Polybius 5) die ganze Götterlehre als eine von den Gründern der Staaten zur Bändigung des Volks ersonnene Fabel betrachtete.
§. 3. Allegorische Auslegung bei den Hebräern. Philo.
Die Stabilität des hebräischen Volkes, sein starres Festhalten am supranaturalistischen Standpunkt, musste zwar bei ihm die Entstehung ähnlicher Erscheinungen ei- nerseits beschränken, andrerseits aber mussten diese, wo sie einmal sich zeigten, nur um so markirter her- vortreten, je entschiedener die Geltung der schriftlichen Religionsurkunden war, je behutsamer und kunstgerechter man also bei ihrer Deutung verfahren musste. Daher ent- wickelten sich selbst in Palästina, in der nachexilischen, und noch mehr in der nachmaccabäischen Zeit allmählig manche Kunstgriffe in der Auslegung des alten Testaments, durch welche es möglich wurde, Anstösse, die man in dem- selben fand, zu beseitigen, Lücken zu ergänzen, und neuere Ideen hineinzutragen, eine Auslegungsweise, von welcher die Beispiele in den rabbinischen und selbst in den neutestamentlichen Schriften sich finden 1); aber zusam- menhängend, namentlich in Bezug auf den historischen Inhalt des A. T., wurde eine solche Interpretationsmethode erst an demjenigen Orte ausgebildet, wo am entschieden-
4) Diodor Sic. Bibl. L. 6. Fragm. Cic. de nat. Deor. I, 42.
5) Reliq. hist. 6, 56.
1) s. Döpke, die Hermeneutik der neutestamentlichen Schrift- steller, S. 123 ff.
Einleitung. §. 3.
sei; sie lieſsen also jene Erzählungen zwar als wirkliche Geschichte gelten, nur machten sie mit Euemerus 4) die Subjecte derselben aus Göttern zu Menschen, zu Helden und Weisen der Vorzeit, zu alten Königen und Tyrannen, welche durch Thaten der Kraft und Gewalt sich göttliche Ehre zu Wege gebracht haben; wenn man nicht gar mit einem Polybius 5) die ganze Götterlehre als eine von den Gründern der Staaten zur Bändigung des Volks ersonnene Fabel betrachtete.
§. 3. Allegorische Auslegung bei den Hebräern. Philo.
Die Stabilität des hebräischen Volkes, sein starres Festhalten am supranaturalistischen Standpunkt, muſste zwar bei ihm die Entstehung ähnlicher Erscheinungen ei- nerseits beschränken, andrerseits aber muſsten diese, wo sie einmal sich zeigten, nur um so markirter her- vortreten, je entschiedener die Geltung der schriftlichen Religionsurkunden war, je behutsamer und kunstgerechter man also bei ihrer Deutung verfahren muſste. Daher ent- wickelten sich selbst in Palästina, in der nachexilischen, und noch mehr in der nachmaccabäischen Zeit allmählig manche Kunstgriffe in der Auslegung des alten Testaments, durch welche es möglich wurde, Anstöſse, die man in dem- selben fand, zu beseitigen, Lücken zu ergänzen, und neuere Ideen hineinzutragen, eine Auslegungsweise, von welcher die Beispiele in den rabbinischen und selbst in den neutestamentlichen Schriften sich finden 1); aber zusam- menhängend, namentlich in Bezug auf den historischen Inhalt des A. T., wurde eine solche Interpretationsmethode erst an demjenigen Orte ausgebildet, wo am entschieden-
4) Diodor Sic. Bibl. L. 6. Fragm. Cic. de nat. Deor. I, 42.
5) Reliq. hist. 6, 56.
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Einleitung. §. 3.
sei; sie lieſsen also jene Erzählungen zwar als wirkliche
Geschichte gelten, nur machten sie mit Euemerus 4) die
Subjecte derselben aus Göttern zu Menschen, zu Helden
und Weisen der Vorzeit, zu alten Königen und Tyrannen,
welche durch Thaten der Kraft und Gewalt sich göttliche
Ehre zu Wege gebracht haben; wenn man nicht gar mit
einem Polybius 5) die ganze Götterlehre als eine von den
Gründern der Staaten zur Bändigung des Volks ersonnene
Fabel betrachtete.
§. 3.
Allegorische Auslegung bei den Hebräern. Philo.
Die Stabilität des hebräischen Volkes, sein starres
Festhalten am supranaturalistischen Standpunkt, muſste
zwar bei ihm die Entstehung ähnlicher Erscheinungen ei-
nerseits beschränken, andrerseits aber muſsten diese,
wo sie einmal sich zeigten, nur um so markirter her-
vortreten, je entschiedener die Geltung der schriftlichen
Religionsurkunden war, je behutsamer und kunstgerechter
man also bei ihrer Deutung verfahren muſste. Daher ent-
wickelten sich selbst in Palästina, in der nachexilischen,
und noch mehr in der nachmaccabäischen Zeit allmählig
manche Kunstgriffe in der Auslegung des alten Testaments,
durch welche es möglich wurde, Anstöſse, die man in dem-
selben fand, zu beseitigen, Lücken zu ergänzen, und
neuere Ideen hineinzutragen, eine Auslegungsweise, von
welcher die Beispiele in den rabbinischen und selbst in den
neutestamentlichen Schriften sich finden 1); aber zusam-
menhängend, namentlich in Bezug auf den historischen
Inhalt des A. T., wurde eine solche Interpretationsmethode
erst an demjenigen Orte ausgebildet, wo am entschieden-
4) Diodor Sic. Bibl. L. 6. Fragm. Cic. de nat. Deor. I, 42.
5) Reliq. hist. 6, 56.
1) s. Döpke, die Hermeneutik der neutestamentlichen Schrift-
steller, S. 123 ff.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/28>, abgerufen am 19.11.2024.
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