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Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

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"Ich fange gar nichts, John," sagte er.

"Warum hast Du denn Deinen Engel nicht bei Dir?"

"Das ist's, John; der schläft allezeit von jetzt bis übers Morgenroth; aber für mich ist's noch nicht Schlafenszeit."

"So gehen wir ein Stück am Hafen!" sagte ich. "Du bist noch nicht aus meinem Schiff gewesen."

Er schien eine solche Aufforderung nur erwartet zu haben, denn er sprang sogleich auf und riß seinen Hut vom Thürhaken.

"Gehst Du aus, Rick?" frug die Stimme seiner Frau, als wir durch den Flur gingen, und ihr geduldiges Haupt erschien aus der Küchenthür.

"Ja, Riekchen; ich nehme den Schlüssel mit; wirst Du müde, so schließe mit dem andern zu!"

Sie nickte: "Gute Nacht, Rick! Gute Nacht, Capitän Riewe!"

Wir gingen noch auf mein Schiff; aber es fing bald an zu dämmern, und so wanderten wir nach St. Pauli und gingen nach dem Trichter, wo wir bald zwei steife Gläser vor uns dampfen ließen.

Wir sprachen erst von alten Zeiten; dann aber erzählte Rick von seinem Kinde, nur von seinem Kinde; er lachte selber wie ein Kind, es war wie eine

„Ich fange gar nichts, John,“ sagte er.

„Warum hast Du denn Deinen Engel nicht bei Dir?“

„Das ist’s, John; der schläft allezeit von jetzt bis übers Morgenroth; aber für mich ist’s noch nicht Schlafenszeit.“

„So gehen wir ein Stück am Hafen!“ sagte ich. „Du bist noch nicht aus meinem Schiff gewesen.“

Er schien eine solche Aufforderung nur erwartet zu haben, denn er sprang sogleich auf und riß seinen Hut vom Thürhaken.

„Gehst Du aus, Rick?“ frug die Stimme seiner Frau, als wir durch den Flur gingen, und ihr geduldiges Haupt erschien aus der Küchenthür.

„Ja, Riekchen; ich nehme den Schlüssel mit; wirst Du müde, so schließe mit dem andern zu!“

Sie nickte: „Gute Nacht, Rick! Gute Nacht, Capitän Riewe!“

Wir gingen noch auf mein Schiff; aber es fing bald an zu dämmern, und so wanderten wir nach St. Pauli und gingen nach dem Trichter, wo wir bald zwei steife Gläser vor uns dampfen ließen.

Wir sprachen erst von alten Zeiten; dann aber erzählte Rick von seinem Kinde, nur von seinem Kinde; er lachte selber wie ein Kind, es war wie eine

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[33/0037] „Ich fange gar nichts, John,“ sagte er. „Warum hast Du denn Deinen Engel nicht bei Dir?“ „Das ist’s, John; der schläft allezeit von jetzt bis übers Morgenroth; aber für mich ist’s noch nicht Schlafenszeit.“ „So gehen wir ein Stück am Hafen!“ sagte ich. „Du bist noch nicht aus meinem Schiff gewesen.“ Er schien eine solche Aufforderung nur erwartet zu haben, denn er sprang sogleich auf und riß seinen Hut vom Thürhaken. „Gehst Du aus, Rick?“ frug die Stimme seiner Frau, als wir durch den Flur gingen, und ihr geduldiges Haupt erschien aus der Küchenthür. „Ja, Riekchen; ich nehme den Schlüssel mit; wirst Du müde, so schließe mit dem andern zu!“ Sie nickte: „Gute Nacht, Rick! Gute Nacht, Capitän Riewe!“ Wir gingen noch auf mein Schiff; aber es fing bald an zu dämmern, und so wanderten wir nach St. Pauli und gingen nach dem Trichter, wo wir bald zwei steife Gläser vor uns dampfen ließen. Wir sprachen erst von alten Zeiten; dann aber erzählte Rick von seinem Kinde, nur von seinem Kinde; er lachte selber wie ein Kind, es war wie eine

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Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/37>, abgerufen am 26.04.2024.