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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Gute käme, an das Volk, die Menschheit u. drgl. Dieses
Andere aber ist ein Wesen über ihnen, ein höheres oder höch¬
stes Wesen, und darum sage Ich, sie mühen sich um Gottes
willen.

Ich kann daher auch sagen, der letzte Grund ihrer Hand¬
lungen sei die -- Liebe. Aber nicht eine freiwillige, nicht
ihre eigene, sondern eine zinspfiichtige, oder des höhern We¬
sens (d. h. Gottes, der die Liebe selbst ist) eigene Liebe, kurz
nicht die egoistische, sondern die religiöse, eine Liebe, die aus
ihrem Wahne entspringt, daß sie einen Tribut der Liebe ent¬
richten müssen, d. h. daß sie keine "Egoisten" sein dürfen.

Wollen Wir die Welt aus mancherlei Unfreiheit erlösen,
so wollen Wir das nicht ihret- sondern Unsertwegen: denn da
Wir keine Welterlöser von Profession und aus "Liebe" sind, so
wollen Wir sie nur Andern abgewinnen. Wir wollen sie Uns
zu eigen machen; nicht Gott (der Kirche), nicht dem Gesetze
(Staate) soll sie länger leibeigen sein, sondern unser eigen;
darum suchen Wir sie zu "gewinnen", für Uns "einzunehmen,"
und die Gewalt, welche sie gegen Uns wendet, dadurch zu
vollenden und überflüssig zu machen, daß Wir ihr entgegen
kommen, und Uns ihr, sobald sie Uns gehört, gleich Uns
"ergeben". Ist die Welt unser, so versucht sie keine Gewalt
mehr gegen Uns, sondern nur mit Uns. Mein Eigennutz
hat ein Interesse an der Befreiung der Welt, damit sie --
mein Eigenthum werde.

Nicht die Isolirtheit oder das Alleinsein ist der ursprüng¬
liche Zustand des Menschen, sondern die Gesellschaft. Mit
der innigsten Verbindung beginnt unsere Existenz, da Wir schon,
ehe Wir athmen, mit der Mutter zusammenleben; haben Wir
dann das Licht der Welt erblickt, so liegen Wir gleich wieder

Gute käme, an das Volk, die Menſchheit u. drgl. Dieſes
Andere aber iſt ein Weſen über ihnen, ein höheres oder höch¬
ſtes Weſen, und darum ſage Ich, ſie mühen ſich um Gottes
willen.

Ich kann daher auch ſagen, der letzte Grund ihrer Hand¬
lungen ſei die — Liebe. Aber nicht eine freiwillige, nicht
ihre eigene, ſondern eine zinspfiichtige, oder des höhern We¬
ſens (d. h. Gottes, der die Liebe ſelbſt iſt) eigene Liebe, kurz
nicht die egoiſtiſche, ſondern die religiöſe, eine Liebe, die aus
ihrem Wahne entſpringt, daß ſie einen Tribut der Liebe ent¬
richten müſſen, d. h. daß ſie keine „Egoiſten“ ſein dürfen.

Wollen Wir die Welt aus mancherlei Unfreiheit erlöſen,
ſo wollen Wir das nicht ihret- ſondern Unſertwegen: denn da
Wir keine Welterlöſer von Profeſſion und aus „Liebe“ ſind, ſo
wollen Wir ſie nur Andern abgewinnen. Wir wollen ſie Uns
zu eigen machen; nicht Gott (der Kirche), nicht dem Geſetze
(Staate) ſoll ſie länger leibeigen ſein, ſondern unſer eigen;
darum ſuchen Wir ſie zu „gewinnen“, für Uns „einzunehmen,“
und die Gewalt, welche ſie gegen Uns wendet, dadurch zu
vollenden und überflüſſig zu machen, daß Wir ihr entgegen
kommen, und Uns ihr, ſobald ſie Uns gehört, gleich Uns
„ergeben“. Iſt die Welt unſer, ſo verſucht ſie keine Gewalt
mehr gegen Uns, ſondern nur mit Uns. Mein Eigennutz
hat ein Intereſſe an der Befreiung der Welt, damit ſie —
mein Eigenthum werde.

Nicht die Iſolirtheit oder das Alleinſein iſt der urſprüng¬
liche Zuſtand des Menſchen, ſondern die Geſellſchaft. Mit
der innigſten Verbindung beginnt unſere Exiſtenz, da Wir ſchon,
ehe Wir athmen, mit der Mutter zuſammenleben; haben Wir
dann das Licht der Welt erblickt, ſo liegen Wir gleich wieder

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[407/0415] Gute käme, an das Volk, die Menſchheit u. drgl. Dieſes Andere aber iſt ein Weſen über ihnen, ein höheres oder höch¬ ſtes Weſen, und darum ſage Ich, ſie mühen ſich um Gottes willen. Ich kann daher auch ſagen, der letzte Grund ihrer Hand¬ lungen ſei die — Liebe. Aber nicht eine freiwillige, nicht ihre eigene, ſondern eine zinspfiichtige, oder des höhern We¬ ſens (d. h. Gottes, der die Liebe ſelbſt iſt) eigene Liebe, kurz nicht die egoiſtiſche, ſondern die religiöſe, eine Liebe, die aus ihrem Wahne entſpringt, daß ſie einen Tribut der Liebe ent¬ richten müſſen, d. h. daß ſie keine „Egoiſten“ ſein dürfen. Wollen Wir die Welt aus mancherlei Unfreiheit erlöſen, ſo wollen Wir das nicht ihret- ſondern Unſertwegen: denn da Wir keine Welterlöſer von Profeſſion und aus „Liebe“ ſind, ſo wollen Wir ſie nur Andern abgewinnen. Wir wollen ſie Uns zu eigen machen; nicht Gott (der Kirche), nicht dem Geſetze (Staate) ſoll ſie länger leibeigen ſein, ſondern unſer eigen; darum ſuchen Wir ſie zu „gewinnen“, für Uns „einzunehmen,“ und die Gewalt, welche ſie gegen Uns wendet, dadurch zu vollenden und überflüſſig zu machen, daß Wir ihr entgegen kommen, und Uns ihr, ſobald ſie Uns gehört, gleich Uns „ergeben“. Iſt die Welt unſer, ſo verſucht ſie keine Gewalt mehr gegen Uns, ſondern nur mit Uns. Mein Eigennutz hat ein Intereſſe an der Befreiung der Welt, damit ſie — mein Eigenthum werde. Nicht die Iſolirtheit oder das Alleinſein iſt der urſprüng¬ liche Zuſtand des Menſchen, ſondern die Geſellſchaft. Mit der innigſten Verbindung beginnt unſere Exiſtenz, da Wir ſchon, ehe Wir athmen, mit der Mutter zuſammenleben; haben Wir dann das Licht der Welt erblickt, ſo liegen Wir gleich wieder

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/415>, abgerufen am 27.04.2024.