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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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zerbeine. "O die unselige Gleichheit!" Nein, mein bester
alter Herr, nichts von Gleichheit. Wir wollen nur gelten,
was Wir werth sind, und wenn Ihr mehr werth seid, da sollt
Ihr immerhin auch mehr gelten. Wir wollen nur Preis¬
würdigkeit
und denken des Preises, den Ihr zahlen werdet,
Uns würdig zu zeigen.

Kann einen so sicheren Muth und so kräftiges Selbst¬
gefühl des Hausknechts wohl der Staat erwecken? Kann er
machen, daß der Mensch sich selbst fühlt, ja darf er auch nur
solch Ziel sich stecken? Kann er wollen, daß der Einzelne sei¬
nen Werth erkenne und verwerthe? Halten Wir die Doppel¬
frage auseinander und sehen Wir zuerst, ob der Staat so
etwas herbeiführen kann. Da die Einmüthigkeit der Acker¬
knechte erfordert wird, so kann nur diese Einmüthigkeit es be¬
wirken, und ein Staatsgesetz würde tausendfach umgangen
werden durch die Concurrenz und insgeheim. Kann er es
aber dulden? Unmöglich kann er dulden, daß die Leute von
Andern, als von ihm, einen Zwang erleiden; er könnte also
die Selbsthülfe der einmüthigen Ackerknechte gegen diejenigen,
welche sich um geringeren Lohn verdingen wollen, nicht zugeben.
Setzen Wir indeß, der Staat gäbe das Gesetz, und alle Acker¬
knechte wären damit einverstanden, könnte er's dann dulden?

Im vereinzelten Falle -- ja; allein der vereinzelte Fall
ist mehr als das, er ist ein principieller. Es handelt sich
dabei um den ganzen Inbegriff der Selbstverwerthung
des Ich's
, also auch seines Selbstgefühls gegen den Staat.
So weit gehen die Communisten mit; aber die Selbstverwer¬
thung richtet sich nothwendig, wie gegen den Staat, so auch
gegen die Gesellschaft, und greift damit über das Commune
und Communistische hinaus -- aus Egoismus.

zerbeine. „O die unſelige Gleichheit!“ Nein, mein beſter
alter Herr, nichts von Gleichheit. Wir wollen nur gelten,
was Wir werth ſind, und wenn Ihr mehr werth ſeid, da ſollt
Ihr immerhin auch mehr gelten. Wir wollen nur Preis¬
würdigkeit
und denken des Preiſes, den Ihr zahlen werdet,
Uns würdig zu zeigen.

Kann einen ſo ſicheren Muth und ſo kräftiges Selbſt¬
gefühl des Hausknechts wohl der Staat erwecken? Kann er
machen, daß der Menſch ſich ſelbſt fühlt, ja darf er auch nur
ſolch Ziel ſich ſtecken? Kann er wollen, daß der Einzelne ſei¬
nen Werth erkenne und verwerthe? Halten Wir die Doppel¬
frage auseinander und ſehen Wir zuerſt, ob der Staat ſo
etwas herbeiführen kann. Da die Einmüthigkeit der Acker¬
knechte erfordert wird, ſo kann nur dieſe Einmüthigkeit es be¬
wirken, und ein Staatsgeſetz würde tauſendfach umgangen
werden durch die Concurrenz und insgeheim. Kann er es
aber dulden? Unmöglich kann er dulden, daß die Leute von
Andern, als von ihm, einen Zwang erleiden; er könnte alſo
die Selbſthülfe der einmüthigen Ackerknechte gegen diejenigen,
welche ſich um geringeren Lohn verdingen wollen, nicht zugeben.
Setzen Wir indeß, der Staat gäbe das Geſetz, und alle Acker¬
knechte wären damit einverſtanden, könnte er's dann dulden?

Im vereinzelten Falle — ja; allein der vereinzelte Fall
iſt mehr als das, er iſt ein principieller. Es handelt ſich
dabei um den ganzen Inbegriff der Selbſtverwerthung
des Ich's
, alſo auch ſeines Selbſtgefühls gegen den Staat.
So weit gehen die Communiſten mit; aber die Selbſtverwer¬
thung richtet ſich nothwendig, wie gegen den Staat, ſo auch
gegen die Geſellſchaft, und greift damit über das Commune
und Communiſtiſche hinaus — aus Egoismus.

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[361/0369] zerbeine. „O die unſelige Gleichheit!“ Nein, mein beſter alter Herr, nichts von Gleichheit. Wir wollen nur gelten, was Wir werth ſind, und wenn Ihr mehr werth ſeid, da ſollt Ihr immerhin auch mehr gelten. Wir wollen nur Preis¬ würdigkeit und denken des Preiſes, den Ihr zahlen werdet, Uns würdig zu zeigen. Kann einen ſo ſicheren Muth und ſo kräftiges Selbſt¬ gefühl des Hausknechts wohl der Staat erwecken? Kann er machen, daß der Menſch ſich ſelbſt fühlt, ja darf er auch nur ſolch Ziel ſich ſtecken? Kann er wollen, daß der Einzelne ſei¬ nen Werth erkenne und verwerthe? Halten Wir die Doppel¬ frage auseinander und ſehen Wir zuerſt, ob der Staat ſo etwas herbeiführen kann. Da die Einmüthigkeit der Acker¬ knechte erfordert wird, ſo kann nur dieſe Einmüthigkeit es be¬ wirken, und ein Staatsgeſetz würde tauſendfach umgangen werden durch die Concurrenz und insgeheim. Kann er es aber dulden? Unmöglich kann er dulden, daß die Leute von Andern, als von ihm, einen Zwang erleiden; er könnte alſo die Selbſthülfe der einmüthigen Ackerknechte gegen diejenigen, welche ſich um geringeren Lohn verdingen wollen, nicht zugeben. Setzen Wir indeß, der Staat gäbe das Geſetz, und alle Acker¬ knechte wären damit einverſtanden, könnte er's dann dulden? Im vereinzelten Falle — ja; allein der vereinzelte Fall iſt mehr als das, er iſt ein principieller. Es handelt ſich dabei um den ganzen Inbegriff der Selbſtverwerthung des Ich's, alſo auch ſeines Selbſtgefühls gegen den Staat. So weit gehen die Communiſten mit; aber die Selbſtverwer¬ thung richtet ſich nothwendig, wie gegen den Staat, ſo auch gegen die Geſellſchaft, und greift damit über das Commune und Communiſtiſche hinaus — aus Egoismus.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/369>, abgerufen am 27.04.2024.