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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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In heftiger Bewegung schwankt der Streit um das "Recht
des Eigenthums". Die Communisten behaupten*): "die Erde
gehört rechtlich demjenigen, der sie bebaut, und die Producte
derselben denjenigen, die sie hervorbringen." Ich meine, sie
gehört dem, der sie zu nehmen weiß, oder, der sie sich nicht
nehmen, sich nicht darum bringen läßt. Eignet er sie sich an,
so gehört ihm nicht bloß die Erde, sondern auch das Recht
dazu. Dieß ist das egoistische Recht, d.h. Mir ist's so
recht, darum ist es Recht.

Sonst hat eben das Recht "eine wächserne Nase". Der
Tiger, der Mich anfällt, hat Recht, und Ich, der ihn nieder¬
stößt, habe auch Recht. Nicht mein Recht wahre Ich gegen
ihn, sondern Mich.

Da das menschliche Recht immer ein Gegebenes ist, so
läuft es in Wirklichkeit immer auf das Recht hinaus, welches
die Menschen einander geben, d. h. "einräumen". Räumt
man den neugeborenen Kindern das Recht der Existenz ein, so
haben sie das Recht; räumt man's ihnen nicht ein, wie dieß
bei den Spartanern und alten Römern der Fall war, so haben
sie's nicht. Denn geben oder "einräumen" kann es ihnen
nur die Gesellschaft, nicht sie selbst können es nehmen oder
sich geben. Man wird einwenden: die Kinder hatten dennoch
"von Natur" das Recht zu existiren; nur versagten die Spar¬
taner diesem Rechte die Anerkennung. Aber so hatten sie
eben kein Recht auf diese Anerkennung, so wenig als sie ein
Recht darauf hatten, daß die wilden Thiere, denen sie vorge¬
worfen wurden, ihr Leben anerkennen sollten.

*) A. Becker, Volksphilosophie. S. 22 f.

In heftiger Bewegung ſchwankt der Streit um das „Recht
des Eigenthums“. Die Communiſten behaupten*): „die Erde
gehört rechtlich demjenigen, der ſie bebaut, und die Producte
derſelben denjenigen, die ſie hervorbringen.“ Ich meine, ſie
gehört dem, der ſie zu nehmen weiß, oder, der ſie ſich nicht
nehmen, ſich nicht darum bringen läßt. Eignet er ſie ſich an,
ſo gehört ihm nicht bloß die Erde, ſondern auch das Recht
dazu. Dieß iſt das egoiſtiſche Recht, d.h. Mir iſt's ſo
recht, darum iſt es Recht.

Sonſt hat eben das Recht „eine wächſerne Naſe“. Der
Tiger, der Mich anfällt, hat Recht, und Ich, der ihn nieder¬
ſtößt, habe auch Recht. Nicht mein Recht wahre Ich gegen
ihn, ſondern Mich.

Da das menſchliche Recht immer ein Gegebenes iſt, ſo
läuft es in Wirklichkeit immer auf das Recht hinaus, welches
die Menſchen einander geben, d. h. „einräumen“. Räumt
man den neugeborenen Kindern das Recht der Exiſtenz ein, ſo
haben ſie das Recht; räumt man's ihnen nicht ein, wie dieß
bei den Spartanern und alten Römern der Fall war, ſo haben
ſie's nicht. Denn geben oder „einräumen“ kann es ihnen
nur die Geſellſchaft, nicht ſie ſelbſt können es nehmen oder
ſich geben. Man wird einwenden: die Kinder hatten dennoch
„von Natur“ das Recht zu exiſtiren; nur verſagten die Spar¬
taner dieſem Rechte die Anerkennung. Aber ſo hatten ſie
eben kein Recht auf dieſe Anerkennung, ſo wenig als ſie ein
Recht darauf hatten, daß die wilden Thiere, denen ſie vorge¬
worfen wurden, ihr Leben anerkennen ſollten.

*) A. Becker, Volksphiloſophie. S. 22 f.
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[251/0259] In heftiger Bewegung ſchwankt der Streit um das „Recht des Eigenthums“. Die Communiſten behaupten *): „die Erde gehört rechtlich demjenigen, der ſie bebaut, und die Producte derſelben denjenigen, die ſie hervorbringen.“ Ich meine, ſie gehört dem, der ſie zu nehmen weiß, oder, der ſie ſich nicht nehmen, ſich nicht darum bringen läßt. Eignet er ſie ſich an, ſo gehört ihm nicht bloß die Erde, ſondern auch das Recht dazu. Dieß iſt das egoiſtiſche Recht, d.h. Mir iſt's ſo recht, darum iſt es Recht. Sonſt hat eben das Recht „eine wächſerne Naſe“. Der Tiger, der Mich anfällt, hat Recht, und Ich, der ihn nieder¬ ſtößt, habe auch Recht. Nicht mein Recht wahre Ich gegen ihn, ſondern Mich. Da das menſchliche Recht immer ein Gegebenes iſt, ſo läuft es in Wirklichkeit immer auf das Recht hinaus, welches die Menſchen einander geben, d. h. „einräumen“. Räumt man den neugeborenen Kindern das Recht der Exiſtenz ein, ſo haben ſie das Recht; räumt man's ihnen nicht ein, wie dieß bei den Spartanern und alten Römern der Fall war, ſo haben ſie's nicht. Denn geben oder „einräumen“ kann es ihnen nur die Geſellſchaft, nicht ſie ſelbſt können es nehmen oder ſich geben. Man wird einwenden: die Kinder hatten dennoch „von Natur“ das Recht zu exiſtiren; nur verſagten die Spar¬ taner dieſem Rechte die Anerkennung. Aber ſo hatten ſie eben kein Recht auf dieſe Anerkennung, ſo wenig als ſie ein Recht darauf hatten, daß die wilden Thiere, denen ſie vorge¬ worfen wurden, ihr Leben anerkennen ſollten. *) A. Becker, Volksphiloſophie. S. 22 f.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/259>, abgerufen am 26.04.2024.