Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Dich wahrlich, und finde Ich nur ein Mittel, zu Dir hinauf
zu kommen, Du sollst Mich nicht schrecken! Du Unbegreif¬
licher, Du sollst Mir nur so lange unbegreiflich bleiben, bis
Ich Mir die Gewalt des Begreifens erworben habe, Dich
mein eigen nenne; Ich gebe Mich nicht auf gegen Dich,
sondern warte nur meine Zeit ab. Bescheide Ich Mich auch
für jetzt, Dir etwas anhaben zu können, so gedenke Ich
Dir's doch!

Kräftige Menschen haben's von jeher so gemacht. Hatten
die "Ergebenen" eine unbezwungene Macht zu ihrer Herrin
erhoben und angebet, hatten sie Anbetung von Allen verlangt,
so kam ein solcher Natursohn, der sich nicht ergeben wollte,
und jagte die angebetete Macht aus ihrem unersteiglichen
Olymp. Er rief der laufenden Sonne sein "Stehe" zu, und
ließ die Erde kreisen: die Ergebenen mußten sich's gefallen
lassen; er legte an die heiligen Eichen seine Art, und die
"Ergebenen" staunten, daß kein himmlisches Feuer ihn ver¬
zehre; er warf den Papst vom Petersstuhle, und die "Ergebe¬
nen" wußten's nicht zu hindern; er reißt die Gottesgnaden¬
wirthschaft nieder, und die "Ergebenen" krächzen, um endlich
erfolglos zu verstummen.

Meine Freiheit wird erst vollkommen, wenn sie meine --
Gewalt ist; durch diese aber höre Ich auf, ein bloß Freier
zu sein, und werde ein Eigener. Warum ist die Freiheit der
Völker ein "hohles Wort"? Weil die Völker keine Gewalt
haben! Mit einem Hauch des lebendigen Ich's blase Ich
Völker um, und wär's der Hauch eines Nero, eines chinesi¬
schen Kaisers oder eines armen Schriftstellers. Warum schmach¬
ten denn die d . . . . . . . . Kammern vergeblich nach Freiheit,
und werden dafür von den Ministern geschulmeistert? Weil

Dich wahrlich, und finde Ich nur ein Mittel, zu Dir hinauf
zu kommen, Du ſollſt Mich nicht ſchrecken! Du Unbegreif¬
licher, Du ſollſt Mir nur ſo lange unbegreiflich bleiben, bis
Ich Mir die Gewalt des Begreifens erworben habe, Dich
mein eigen nenne; Ich gebe Mich nicht auf gegen Dich,
ſondern warte nur meine Zeit ab. Beſcheide Ich Mich auch
für jetzt, Dir etwas anhaben zu können, ſo gedenke Ich
Dir's doch!

Kräftige Menſchen haben's von jeher ſo gemacht. Hatten
die „Ergebenen“ eine unbezwungene Macht zu ihrer Herrin
erhoben und angebet, hatten ſie Anbetung von Allen verlangt,
ſo kam ein ſolcher Naturſohn, der ſich nicht ergeben wollte,
und jagte die angebetete Macht aus ihrem unerſteiglichen
Olymp. Er rief der laufenden Sonne ſein „Stehe“ zu, und
ließ die Erde kreiſen: die Ergebenen mußten ſich's gefallen
laſſen; er legte an die heiligen Eichen ſeine Art, und die
„Ergebenen“ ſtaunten, daß kein himmliſches Feuer ihn ver¬
zehre; er warf den Papſt vom Petersſtuhle, und die „Ergebe¬
nen“ wußten's nicht zu hindern; er reißt die Gottesgnaden¬
wirthſchaft nieder, und die „Ergebenen“ krächzen, um endlich
erfolglos zu verſtummen.

Meine Freiheit wird erſt vollkommen, wenn ſie meine —
Gewalt iſt; durch dieſe aber höre Ich auf, ein bloß Freier
zu ſein, und werde ein Eigener. Warum iſt die Freiheit der
Völker ein „hohles Wort“? Weil die Völker keine Gewalt
haben! Mit einem Hauch des lebendigen Ich's blaſe Ich
Völker um, und wär's der Hauch eines Nero, eines chineſi¬
ſchen Kaiſers oder eines armen Schriftſtellers. Warum ſchmach¬
ten denn die d . . . . . . . . Kammern vergeblich nach Freiheit,
und werden dafür von den Miniſtern geſchulmeiſtert? Weil

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="219"/>
Dich wahrlich, und finde Ich nur ein Mittel, zu Dir hinauf<lb/>
zu kommen, Du &#x017F;oll&#x017F;t Mich nicht &#x017F;chrecken! Du Unbegreif¬<lb/>
licher, Du &#x017F;oll&#x017F;t Mir nur &#x017F;o lange unbegreiflich bleiben, bis<lb/>
Ich Mir die Gewalt des Begreifens erworben habe, Dich<lb/>
mein <hi rendition="#g">eigen</hi> nenne; Ich gebe Mich nicht auf gegen Dich,<lb/>
&#x017F;ondern warte nur meine Zeit ab. Be&#x017F;cheide Ich Mich auch<lb/>
für jetzt, Dir etwas anhaben zu können, &#x017F;o gedenke Ich<lb/>
Dir's doch!</p><lb/>
          <p>Kräftige Men&#x017F;chen haben's von jeher &#x017F;o gemacht. Hatten<lb/>
die &#x201E;Ergebenen&#x201C; eine unbezwungene Macht zu ihrer Herrin<lb/>
erhoben und angebet, hatten &#x017F;ie Anbetung von Allen verlangt,<lb/>
&#x017F;o kam ein &#x017F;olcher Natur&#x017F;ohn, der &#x017F;ich nicht ergeben wollte,<lb/>
und jagte die angebetete Macht aus ihrem uner&#x017F;teiglichen<lb/>
Olymp. Er rief der laufenden Sonne &#x017F;ein &#x201E;Stehe&#x201C; zu, und<lb/>
ließ die Erde krei&#x017F;en: die Ergebenen mußten &#x017F;ich's gefallen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en; er legte an die heiligen Eichen &#x017F;eine Art, und die<lb/>
&#x201E;Ergebenen&#x201C; &#x017F;taunten, daß kein himmli&#x017F;ches Feuer ihn ver¬<lb/>
zehre; er warf den Pap&#x017F;t vom Peters&#x017F;tuhle, und die &#x201E;Ergebe¬<lb/>
nen&#x201C; wußten's nicht zu hindern; er reißt die Gottesgnaden¬<lb/>
wirth&#x017F;chaft nieder, und die &#x201E;Ergebenen&#x201C; krächzen, um endlich<lb/>
erfolglos zu ver&#x017F;tummen.</p><lb/>
          <p>Meine Freiheit wird er&#x017F;t vollkommen, wenn &#x017F;ie meine &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">Gewalt</hi> i&#x017F;t; durch die&#x017F;e aber höre Ich auf, ein bloß Freier<lb/>
zu &#x017F;ein, und werde ein Eigener. Warum i&#x017F;t die Freiheit der<lb/>
Völker ein &#x201E;hohles Wort&#x201C;? Weil die Völker keine Gewalt<lb/>
haben! Mit einem Hauch des lebendigen Ich's bla&#x017F;e Ich<lb/>
Völker um, und wär's der Hauch eines Nero, eines chine&#x017F;<lb/>
&#x017F;chen Kai&#x017F;ers oder eines armen Schrift&#x017F;tellers. Warum &#x017F;chmach¬<lb/>
ten denn die d . . . . . . . . Kammern vergeblich nach Freiheit,<lb/>
und werden dafür von den Mini&#x017F;tern ge&#x017F;chulmei&#x017F;tert? Weil<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0227] Dich wahrlich, und finde Ich nur ein Mittel, zu Dir hinauf zu kommen, Du ſollſt Mich nicht ſchrecken! Du Unbegreif¬ licher, Du ſollſt Mir nur ſo lange unbegreiflich bleiben, bis Ich Mir die Gewalt des Begreifens erworben habe, Dich mein eigen nenne; Ich gebe Mich nicht auf gegen Dich, ſondern warte nur meine Zeit ab. Beſcheide Ich Mich auch für jetzt, Dir etwas anhaben zu können, ſo gedenke Ich Dir's doch! Kräftige Menſchen haben's von jeher ſo gemacht. Hatten die „Ergebenen“ eine unbezwungene Macht zu ihrer Herrin erhoben und angebet, hatten ſie Anbetung von Allen verlangt, ſo kam ein ſolcher Naturſohn, der ſich nicht ergeben wollte, und jagte die angebetete Macht aus ihrem unerſteiglichen Olymp. Er rief der laufenden Sonne ſein „Stehe“ zu, und ließ die Erde kreiſen: die Ergebenen mußten ſich's gefallen laſſen; er legte an die heiligen Eichen ſeine Art, und die „Ergebenen“ ſtaunten, daß kein himmliſches Feuer ihn ver¬ zehre; er warf den Papſt vom Petersſtuhle, und die „Ergebe¬ nen“ wußten's nicht zu hindern; er reißt die Gottesgnaden¬ wirthſchaft nieder, und die „Ergebenen“ krächzen, um endlich erfolglos zu verſtummen. Meine Freiheit wird erſt vollkommen, wenn ſie meine — Gewalt iſt; durch dieſe aber höre Ich auf, ein bloß Freier zu ſein, und werde ein Eigener. Warum iſt die Freiheit der Völker ein „hohles Wort“? Weil die Völker keine Gewalt haben! Mit einem Hauch des lebendigen Ich's blaſe Ich Völker um, und wär's der Hauch eines Nero, eines chineſi¬ ſchen Kaiſers oder eines armen Schriftſtellers. Warum ſchmach¬ ten denn die d . . . . . . . . Kammern vergeblich nach Freiheit, und werden dafür von den Miniſtern geſchulmeiſtert? Weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/227
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/227>, abgerufen am 26.04.2024.