Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite
II.
Der Eigner.

Ich -- komme Ich zu Mir und dem Meinigen durch
den Liberalismus?

Wen sieht der Liberale für Seinesgleichen an? Den Men¬
schen! Sei Du nur Mensch -- und das bist Du ja -- so
nennt der Liberale Dich seinen Bruder. Er fragt nach dei¬
nen Privatmeinungen und Privatnarrheiten sehr wenig, wenn
er nur den "Menschen" in Dir erblicken kann.

Da er aber dessen wenig achtet, was Du privatim bist,
ja bei strenger Befolgung seines Princips gar keinen Werth
darauf legt, so sieht er in Dir nur das, was Du generatim bist.
Mit andern Worten; er sieht in Dir nicht Dich, sondern die
Gattung, nicht Hans oder Kunz, sondern den Menschen,
nicht den Wirklichen oder Einzigen, sondern dein Wesen oder
deinen Begriff, nicht den Leibhaftigen, sondern den Geist.

Als Hans wärest Du nicht Seinesgleichen, weil er Kunz,
also nicht Hans, ist; als Mensch bist Du dasselbe, was er
ist. Und da Du als Hans für ihn, soweit er nämlich ein

II.
Der Eigner.

Ich — komme Ich zu Mir und dem Meinigen durch
den Liberalismus?

Wen ſieht der Liberale für Seinesgleichen an? Den Men¬
ſchen! Sei Du nur Menſch — und das biſt Du ja — ſo
nennt der Liberale Dich ſeinen Bruder. Er fragt nach dei¬
nen Privatmeinungen und Privatnarrheiten ſehr wenig, wenn
er nur den „Menſchen“ in Dir erblicken kann.

Da er aber deſſen wenig achtet, was Du privatim biſt,
ja bei ſtrenger Befolgung ſeines Princips gar keinen Werth
darauf legt, ſo ſieht er in Dir nur das, was Du generatim biſt.
Mit andern Worten; er ſieht in Dir nicht Dich, ſondern die
Gattung, nicht Hans oder Kunz, ſondern den Menſchen,
nicht den Wirklichen oder Einzigen, ſondern dein Weſen oder
deinen Begriff, nicht den Leibhaftigen, ſondern den Geiſt.

Als Hans wäreſt Du nicht Seinesgleichen, weil er Kunz,
alſo nicht Hans, iſt; als Menſch biſt Du daſſelbe, was er
iſt. Und da Du als Hans für ihn, ſoweit er nämlich ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0234" n="[226]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">II</hi>.<lb/><hi rendition="#b #g">Der Eigner</hi>.<lb/></head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>ch &#x2014; komme Ich zu Mir und dem Meinigen durch<lb/>
den Liberalismus?</p><lb/>
          <p>Wen &#x017F;ieht der Liberale für Seinesgleichen an? Den Men¬<lb/>
&#x017F;chen! Sei Du nur Men&#x017F;ch &#x2014; und das bi&#x017F;t Du ja &#x2014; &#x017F;o<lb/>
nennt der Liberale Dich &#x017F;einen Bruder. Er fragt nach dei¬<lb/>
nen Privatmeinungen und Privatnarrheiten &#x017F;ehr wenig, wenn<lb/>
er nur den &#x201E;Men&#x017F;chen&#x201C; in Dir erblicken kann.</p><lb/>
          <p>Da er aber de&#x017F;&#x017F;en wenig achtet, was Du privatim bi&#x017F;t,<lb/>
ja bei &#x017F;trenger Befolgung &#x017F;eines Princips gar keinen Werth<lb/>
darauf legt, &#x017F;o &#x017F;ieht er in Dir nur das, was Du generatim bi&#x017F;t.<lb/>
Mit andern Worten; er &#x017F;ieht in Dir nicht <hi rendition="#g">Dich</hi>, &#x017F;ondern die<lb/><hi rendition="#g">Gattung</hi>, nicht Hans oder Kunz, &#x017F;ondern den Men&#x017F;chen,<lb/>
nicht den Wirklichen oder Einzigen, &#x017F;ondern dein We&#x017F;en oder<lb/>
deinen Begriff, nicht den Leibhaftigen, &#x017F;ondern den <hi rendition="#g">Gei&#x017F;t</hi>.</p><lb/>
          <p>Als Hans wäre&#x017F;t Du nicht Seinesgleichen, weil er Kunz,<lb/>
al&#x017F;o nicht Hans, i&#x017F;t; als Men&#x017F;ch bi&#x017F;t Du da&#x017F;&#x017F;elbe, was er<lb/>
i&#x017F;t. Und da Du als Hans für ihn, &#x017F;oweit er nämlich ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[226]/0234] II. Der Eigner. Ich — komme Ich zu Mir und dem Meinigen durch den Liberalismus? Wen ſieht der Liberale für Seinesgleichen an? Den Men¬ ſchen! Sei Du nur Menſch — und das biſt Du ja — ſo nennt der Liberale Dich ſeinen Bruder. Er fragt nach dei¬ nen Privatmeinungen und Privatnarrheiten ſehr wenig, wenn er nur den „Menſchen“ in Dir erblicken kann. Da er aber deſſen wenig achtet, was Du privatim biſt, ja bei ſtrenger Befolgung ſeines Princips gar keinen Werth darauf legt, ſo ſieht er in Dir nur das, was Du generatim biſt. Mit andern Worten; er ſieht in Dir nicht Dich, ſondern die Gattung, nicht Hans oder Kunz, ſondern den Menſchen, nicht den Wirklichen oder Einzigen, ſondern dein Weſen oder deinen Begriff, nicht den Leibhaftigen, ſondern den Geiſt. Als Hans wäreſt Du nicht Seinesgleichen, weil er Kunz, alſo nicht Hans, iſt; als Menſch biſt Du daſſelbe, was er iſt. Und da Du als Hans für ihn, ſoweit er nämlich ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/234
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. [226]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/234>, abgerufen am 30.12.2024.