Rindenkanus, Indianerspuren. Meine Fahrt mit Antonio und Carlos. Tierleben. Träumerei vor dem Abendessen. Einmündung des Ponekuru. Katarakte. Die Anzeichen der Besiedelung mehren sich. Der Häuptling Tumayaua. Nach dem ersten Bakairidorf. Ankunft des "Karaiben".
Nach mehrfach vergeblichem Anklopfen fand Antonio eine Jatoba (Hy- menaea sp.) mit brauchbarer Rinde. Es wird ein Stangengerüst um den Baum errichtet, ein langer rechteckiger Streifen Rinde mit Axthieben abgelöst und, vorsichtig heruntergenommen, auf niedrige Stützen gestellt; dann wird die Rinde durch Hitze, indem man ein Feuer unterhalb anzündet und auch oben Reiser an- brennt, geschmeidig gemacht, und die Ränder der Längsseiten werden empor- gebogen. Vorne bildet man eine Spitze, hinten wird die Rinde nach innen vor- gedrückt, sodass eine leicht eingebuchtete Querwand mit scharfwinkligen Kanten entsteht, an denen sich die Rinde mit Vorliebe bald spaltet. Das Kanu sollte an einem Tage fertig gestellt und den nächsten Morgen zum Wasser gebracht werden.
Antonio kam merkwürdig vergnügt von seiner Arbeit heim. Ich glaubte, weil das Kanu gut geraten sei, unterhielt mich mit ihm darüber eine Weile und meinte, noch einmal zu unsern Plänen übergehend: "Also Du fürchtest nicht, dass der Fluss ohne Anwohner sei?" "Nein", erwiderte er abweisend, "ich habe ja schon einen Rancho gefunden." "Warum sagst Du das denn nicht?" "Ich wollte es ja noch sagen." Beim Suchen nach Ruderholz hatte er eine zusammengefallene palmstrohgedeckte Jagdhütte entdeckt; ihre Pfosten zeigten die stumpfen Hieb- marken des Steinbeils. Daneben lagen angebrannte Holzkloben noch in der radienförmigen Anordnung des indianischen Lagerfeuers; benachbarte Jatobas hatte man mit Steinäxten auf ihre Brauchbarkeit untersucht, ein noch erkenn- barer Weg durchs Gebüsch führte zu einem "Hafen" am Flusse. Antonio glaubte, es sei wohl ein Jahr her, dass die Besucher sich hier aufgehalten hätten.
Donnerstag, den 8. September 101/2 Uhr Morgens stiessen wir ab. Carlos sass vorn, Antonio hinten, ich in der Mitte. Ein Zelt, das wir gern mitgenommen hätten, musste wegen seines Gewichts zurückbleiben und mit einem leichteren
IV. KAPITEL. Erste Begegnung mit den Indianern.
Rindenkanus, Indianerspuren. Meine Fahrt mit Antonio und Carlos. Tierleben. Träumerei vor dem Abendessen. Einmündung des Ponekuru. Katarakte. Die Anzeichen der Besiedelung mehren sich. Der Häuptling Tumayaua. Nach dem ersten Bakaïrídorf. Ankunft des »Karaiben«.
Nach mehrfach vergeblichem Anklopfen fand Antonio eine Jatobá (Hy- menaea sp.) mit brauchbarer Rinde. Es wird ein Stangengerüst um den Baum errichtet, ein langer rechteckiger Streifen Rinde mit Axthieben abgelöst und, vorsichtig heruntergenommen, auf niedrige Stützen gestellt; dann wird die Rinde durch Hitze, indem man ein Feuer unterhalb anzündet und auch oben Reiser an- brennt, geschmeidig gemacht, und die Ränder der Längsseiten werden empor- gebogen. Vorne bildet man eine Spitze, hinten wird die Rinde nach innen vor- gedrückt, sodass eine leicht eingebuchtete Querwand mit scharfwinkligen Kanten entsteht, an denen sich die Rinde mit Vorliebe bald spaltet. Das Kanu sollte an einem Tage fertig gestellt und den nächsten Morgen zum Wasser gebracht werden.
Antonio kam merkwürdig vergnügt von seiner Arbeit heim. Ich glaubte, weil das Kanu gut geraten sei, unterhielt mich mit ihm darüber eine Weile und meinte, noch einmal zu unsern Plänen übergehend: »Also Du fürchtest nicht, dass der Fluss ohne Anwohner sei?« »Nein«, erwiderte er abweisend, »ich habe ja schon einen Rancho gefunden.« »Warum sagst Du das denn nicht?« »Ich wollte es ja noch sagen.« Beim Suchen nach Ruderholz hatte er eine zusammengefallene palmstrohgedeckte Jagdhütte entdeckt; ihre Pfosten zeigten die stumpfen Hieb- marken des Steinbeils. Daneben lagen angebrannte Holzkloben noch in der radienförmigen Anordnung des indianischen Lagerfeuers; benachbarte Jatobás hatte man mit Steinäxten auf ihre Brauchbarkeit untersucht, ein noch erkenn- barer Weg durchs Gebüsch führte zu einem »Hafen« am Flusse. Antonio glaubte, es sei wohl ein Jahr her, dass die Besucher sich hier aufgehalten hätten.
Donnerstag, den 8. September 10½ Uhr Morgens stiessen wir ab. Carlos sass vorn, Antonio hinten, ich in der Mitte. Ein Zelt, das wir gern mitgenommen hätten, musste wegen seines Gewichts zurückbleiben und mit einem leichteren
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Rindenkanus, Indianerspuren. Meine Fahrt mit Antonio und Carlos. Tierleben. Träumerei vor
dem Abendessen. Einmündung des Ponekuru. Katarakte. Die Anzeichen der Besiedelung mehren
sich. Der Häuptling Tumayaua. Nach dem ersten Bakaïrídorf. Ankunft des »Karaiben«.
Nach mehrfach vergeblichem Anklopfen fand Antonio eine Jatobá (Hy-
menaea sp.) mit brauchbarer Rinde. Es wird ein Stangengerüst um den Baum
errichtet, ein langer rechteckiger Streifen Rinde mit Axthieben abgelöst und,
vorsichtig heruntergenommen, auf niedrige Stützen gestellt; dann wird die Rinde
durch Hitze, indem man ein Feuer unterhalb anzündet und auch oben Reiser an-
brennt, geschmeidig gemacht, und die Ränder der Längsseiten werden empor-
gebogen. Vorne bildet man eine Spitze, hinten wird die Rinde nach innen vor-
gedrückt, sodass eine leicht eingebuchtete Querwand mit scharfwinkligen Kanten
entsteht, an denen sich die Rinde mit Vorliebe bald spaltet. Das Kanu sollte
an einem Tage fertig gestellt und den nächsten Morgen zum Wasser gebracht
werden.
Antonio kam merkwürdig vergnügt von seiner Arbeit heim. Ich glaubte,
weil das Kanu gut geraten sei, unterhielt mich mit ihm darüber eine Weile und
meinte, noch einmal zu unsern Plänen übergehend: »Also Du fürchtest nicht, dass
der Fluss ohne Anwohner sei?« »Nein«, erwiderte er abweisend, »ich habe ja
schon einen Rancho gefunden.« »Warum sagst Du das denn nicht?« »Ich wollte
es ja noch sagen.« Beim Suchen nach Ruderholz hatte er eine zusammengefallene
palmstrohgedeckte Jagdhütte entdeckt; ihre Pfosten zeigten die stumpfen Hieb-
marken des Steinbeils. Daneben lagen angebrannte Holzkloben noch in der
radienförmigen Anordnung des indianischen Lagerfeuers; benachbarte Jatobás
hatte man mit Steinäxten auf ihre Brauchbarkeit untersucht, ein noch erkenn-
barer Weg durchs Gebüsch führte zu einem »Hafen« am Flusse. Antonio
glaubte, es sei wohl ein Jahr her, dass die Besucher sich hier aufgehalten hätten.
Donnerstag, den 8. September 10½ Uhr Morgens stiessen wir ab. Carlos
sass vorn, Antonio hinten, ich in der Mitte. Ein Zelt, das wir gern mitgenommen
hätten, musste wegen seines Gewichts zurückbleiben und mit einem leichteren
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. [46]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/72>, abgerufen am 21.12.2024.
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