Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

allgemeinen Bildung werden. Bisher zufällig und unorganisch, werden
sie erst dann ihre ganze Bedeutung entfalten, wenn sie durch das regel-
mäßig durchgeführte Princip der Entgeldlichkeit im Stande sein werden,
aus den Männern des öffentlichen Vortrages einen Stand zu machen,
wie die Tagespresse es aus den Publicisten gemacht hat, so daß es
möglich sein wird, in dem Vortrag einen Lebensberuf zu finden. --
Endlich bilden die Bibliotheken ein wichtiges Element der allgemeinen
Bildung. Dieselben sind für die niederen Klassen noch wenig organisirt,
zum Theil gar nicht vorhanden, obwohl das Bedürfniß nach ihnen mit
jedem Tage wächst. Die Zeit wird kommen, wo Vorträge und Biblio-
theken ein Ganzes bilden werden; es wird sich der in beiden im Keime
liegende Proceß zu einem großen Ganzen entfalten; es wird jeder Ort,
jede Gemeinde, jeder Verein erst dann seiner Zeit zu entsprechen glauben,
wenn er seine Bibliothek, seine Vorträge, sein geistiges Leben hat; und
mit gerechtem Stolz sagen wir es zum Schlusse dieser Darstellung: Die
Zukunft Europas und vor allem die natürliche Hegemonie der deutschen
geistigen Entwicklung beruht darauf, daß im Gegensatz zur römischen
Welt und ihren öffentlichen Spielen mit all ihrer Verderbniß die ger-
manische Welt auch in der geistigen Bewegung den Genuß nur in
Verbindung mit der Arbeit sucht und findet
. Möge der Genius
des deutschen Volkes ihm dieses unschätzbare Kleinod, diese ewig junge
Mutter alles wahren Fortschrittes, lebendig erhalten!


Dritter Abschnitt.
Die Presse.
I. Allgemeiner Charakter.

Indem wir nun im Folgenden zum letzten Gebiet des öffentlichen
Bildungswesens, der Presse, übergehen, müssen wir zuerst den Stand-
punkt feststellen, von welchem aus die Verwaltungslehre und das Ver-
waltungsrecht dieselbe aufzufassen haben.

Eine Reihe von geschichtlichen Gründen hat es hervorgebracht, daß
man im öffentlichen Recht die Presse nur als Gegenstand der negativen
Thätigkeit der Verwaltung, der Polizei, betrachtet, und daher den Ge-
danken des Preßrechtes und Preßwesens mit dem der Preßpolizei
fast für identisch hält. Das mag seine Berechtigung haben, so lange
man die Verwaltung selbst nur als das Verwaltungsrecht auffaßt.
So wie man aber die Idee der Verwaltung selbst an die Spitze stellt,

allgemeinen Bildung werden. Bisher zufällig und unorganiſch, werden
ſie erſt dann ihre ganze Bedeutung entfalten, wenn ſie durch das regel-
mäßig durchgeführte Princip der Entgeldlichkeit im Stande ſein werden,
aus den Männern des öffentlichen Vortrages einen Stand zu machen,
wie die Tagespreſſe es aus den Publiciſten gemacht hat, ſo daß es
möglich ſein wird, in dem Vortrag einen Lebensberuf zu finden. —
Endlich bilden die Bibliotheken ein wichtiges Element der allgemeinen
Bildung. Dieſelben ſind für die niederen Klaſſen noch wenig organiſirt,
zum Theil gar nicht vorhanden, obwohl das Bedürfniß nach ihnen mit
jedem Tage wächst. Die Zeit wird kommen, wo Vorträge und Biblio-
theken ein Ganzes bilden werden; es wird ſich der in beiden im Keime
liegende Proceß zu einem großen Ganzen entfalten; es wird jeder Ort,
jede Gemeinde, jeder Verein erſt dann ſeiner Zeit zu entſprechen glauben,
wenn er ſeine Bibliothek, ſeine Vorträge, ſein geiſtiges Leben hat; und
mit gerechtem Stolz ſagen wir es zum Schluſſe dieſer Darſtellung: Die
Zukunft Europas und vor allem die natürliche Hegemonie der deutſchen
geiſtigen Entwicklung beruht darauf, daß im Gegenſatz zur römiſchen
Welt und ihren öffentlichen Spielen mit all ihrer Verderbniß die ger-
maniſche Welt auch in der geiſtigen Bewegung den Genuß nur in
Verbindung mit der Arbeit ſucht und findet
. Möge der Genius
des deutſchen Volkes ihm dieſes unſchätzbare Kleinod, dieſe ewig junge
Mutter alles wahren Fortſchrittes, lebendig erhalten!


Dritter Abſchnitt.
Die Preſſe.
I. Allgemeiner Charakter.

Indem wir nun im Folgenden zum letzten Gebiet des öffentlichen
Bildungsweſens, der Preſſe, übergehen, müſſen wir zuerſt den Stand-
punkt feſtſtellen, von welchem aus die Verwaltungslehre und das Ver-
waltungsrecht dieſelbe aufzufaſſen haben.

Eine Reihe von geſchichtlichen Gründen hat es hervorgebracht, daß
man im öffentlichen Recht die Preſſe nur als Gegenſtand der negativen
Thätigkeit der Verwaltung, der Polizei, betrachtet, und daher den Ge-
danken des Preßrechtes und Preßweſens mit dem der Preßpolizei
faſt für identiſch hält. Das mag ſeine Berechtigung haben, ſo lange
man die Verwaltung ſelbſt nur als das Verwaltungsrecht auffaßt.
So wie man aber die Idee der Verwaltung ſelbſt an die Spitze ſtellt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0060" n="44"/>
allgemeinen Bildung werden. Bisher zufällig und unorgani&#x017F;ch, werden<lb/>
&#x017F;ie er&#x017F;t dann ihre ganze Bedeutung entfalten, wenn &#x017F;ie durch das regel-<lb/>
mäßig durchgeführte Princip der Entgeldlichkeit im Stande &#x017F;ein werden,<lb/>
aus den Männern des öffentlichen Vortrages einen <hi rendition="#g">Stand</hi> zu machen,<lb/>
wie die Tagespre&#x017F;&#x017F;e es aus den Publici&#x017F;ten gemacht hat, &#x017F;o daß es<lb/>
möglich &#x017F;ein wird, in dem Vortrag einen Lebensberuf zu finden. &#x2014;<lb/>
Endlich bilden die <hi rendition="#g">Bibliotheken</hi> ein wichtiges Element der allgemeinen<lb/>
Bildung. Die&#x017F;elben &#x017F;ind für die niederen Kla&#x017F;&#x017F;en noch wenig organi&#x017F;irt,<lb/>
zum Theil gar nicht vorhanden, obwohl das Bedürfniß nach ihnen mit<lb/>
jedem Tage wächst. Die Zeit wird kommen, wo Vorträge und Biblio-<lb/>
theken ein Ganzes bilden werden; es wird &#x017F;ich der in beiden im Keime<lb/>
liegende Proceß zu einem großen Ganzen entfalten; es wird jeder Ort,<lb/>
jede Gemeinde, jeder Verein er&#x017F;t dann &#x017F;einer Zeit zu ent&#x017F;prechen glauben,<lb/>
wenn er &#x017F;eine Bibliothek, &#x017F;eine Vorträge, &#x017F;ein gei&#x017F;tiges Leben hat; und<lb/>
mit gerechtem Stolz &#x017F;agen wir es zum Schlu&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;er Dar&#x017F;tellung: Die<lb/>
Zukunft Europas und vor allem die natürliche Hegemonie der deut&#x017F;chen<lb/>
gei&#x017F;tigen Entwicklung beruht darauf, daß im Gegen&#x017F;atz zur römi&#x017F;chen<lb/>
Welt und ihren öffentlichen Spielen mit all ihrer Verderbniß die ger-<lb/>
mani&#x017F;che Welt auch in der gei&#x017F;tigen Bewegung <hi rendition="#g">den Genuß nur in<lb/>
Verbindung mit der Arbeit &#x017F;ucht und findet</hi>. Möge der Genius<lb/>
des deut&#x017F;chen Volkes ihm die&#x017F;es un&#x017F;chätzbare Kleinod, die&#x017F;e ewig junge<lb/>
Mutter alles wahren Fort&#x017F;chrittes, lebendig erhalten!</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Dritter Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi><lb/>
Die Pre&#x017F;&#x017F;e.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Allgemeiner Charakter.</hi> </head><lb/>
              <p>Indem wir nun im Folgenden zum letzten Gebiet des öffentlichen<lb/>
Bildungswe&#x017F;ens, der Pre&#x017F;&#x017F;e, übergehen, mü&#x017F;&#x017F;en wir zuer&#x017F;t den Stand-<lb/>
punkt fe&#x017F;t&#x017F;tellen, von welchem aus die Verwaltungslehre und das Ver-<lb/>
waltungsrecht die&#x017F;elbe aufzufa&#x017F;&#x017F;en haben.</p><lb/>
              <p>Eine Reihe von ge&#x017F;chichtlichen Gründen hat es hervorgebracht, daß<lb/>
man im öffentlichen Recht die Pre&#x017F;&#x017F;e nur als Gegen&#x017F;tand der negativen<lb/>
Thätigkeit der Verwaltung, der Polizei, betrachtet, und daher den Ge-<lb/>
danken des Preßrechtes und Preßwe&#x017F;ens mit dem der <hi rendition="#g">Preßpolizei</hi><lb/>
fa&#x017F;t für identi&#x017F;ch hält. Das mag &#x017F;eine Berechtigung haben, &#x017F;o lange<lb/>
man die Verwaltung &#x017F;elb&#x017F;t nur als das Verwaltung<hi rendition="#g">srecht</hi> auffaßt.<lb/>
So wie man aber die Idee der Verwaltung &#x017F;elb&#x017F;t an die Spitze &#x017F;tellt,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0060] allgemeinen Bildung werden. Bisher zufällig und unorganiſch, werden ſie erſt dann ihre ganze Bedeutung entfalten, wenn ſie durch das regel- mäßig durchgeführte Princip der Entgeldlichkeit im Stande ſein werden, aus den Männern des öffentlichen Vortrages einen Stand zu machen, wie die Tagespreſſe es aus den Publiciſten gemacht hat, ſo daß es möglich ſein wird, in dem Vortrag einen Lebensberuf zu finden. — Endlich bilden die Bibliotheken ein wichtiges Element der allgemeinen Bildung. Dieſelben ſind für die niederen Klaſſen noch wenig organiſirt, zum Theil gar nicht vorhanden, obwohl das Bedürfniß nach ihnen mit jedem Tage wächst. Die Zeit wird kommen, wo Vorträge und Biblio- theken ein Ganzes bilden werden; es wird ſich der in beiden im Keime liegende Proceß zu einem großen Ganzen entfalten; es wird jeder Ort, jede Gemeinde, jeder Verein erſt dann ſeiner Zeit zu entſprechen glauben, wenn er ſeine Bibliothek, ſeine Vorträge, ſein geiſtiges Leben hat; und mit gerechtem Stolz ſagen wir es zum Schluſſe dieſer Darſtellung: Die Zukunft Europas und vor allem die natürliche Hegemonie der deutſchen geiſtigen Entwicklung beruht darauf, daß im Gegenſatz zur römiſchen Welt und ihren öffentlichen Spielen mit all ihrer Verderbniß die ger- maniſche Welt auch in der geiſtigen Bewegung den Genuß nur in Verbindung mit der Arbeit ſucht und findet. Möge der Genius des deutſchen Volkes ihm dieſes unſchätzbare Kleinod, dieſe ewig junge Mutter alles wahren Fortſchrittes, lebendig erhalten! Dritter Abſchnitt. Die Preſſe. I. Allgemeiner Charakter. Indem wir nun im Folgenden zum letzten Gebiet des öffentlichen Bildungsweſens, der Preſſe, übergehen, müſſen wir zuerſt den Stand- punkt feſtſtellen, von welchem aus die Verwaltungslehre und das Ver- waltungsrecht dieſelbe aufzufaſſen haben. Eine Reihe von geſchichtlichen Gründen hat es hervorgebracht, daß man im öffentlichen Recht die Preſſe nur als Gegenſtand der negativen Thätigkeit der Verwaltung, der Polizei, betrachtet, und daher den Ge- danken des Preßrechtes und Preßweſens mit dem der Preßpolizei faſt für identiſch hält. Das mag ſeine Berechtigung haben, ſo lange man die Verwaltung ſelbſt nur als das Verwaltungsrecht auffaßt. So wie man aber die Idee der Verwaltung ſelbſt an die Spitze ſtellt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/60
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/60>, abgerufen am 21.11.2024.